29.10.2019 09:59

Oberliga


Mit Hameln-Pyrmontern auf den Amateur-Olymp: Egestorf-Langreder

Die Germanen im Portrait / Am Donnerstag ist Tündern bei den Deister-Kickern zu Gast

In der Saison 2015/16 bejubelte Egestorf-Langreder den Regionalliga-Aufstieg.
Vor wenigen Jahren war ein sportlicher Vergleich unter Wettbewerbsbedingungen noch undenkbar: Während Tündern in der Saison 2016/17 in der Bezirksliga spielte, war der 1. FC Germania Egestorf/Langreder gerade erst in die Regionalliga aufstiegen – sportlich trennten beide Mannschaften Welten. Das direkte Aufeinandertreffen am kommenden Donnerstag hätte zu diesem Zeitpunkt keiner auch nur annähernd für möglich gehalten. Doch es ist Realität. Mit Tünderns sensationellem Aufstieg in die höchste Klasse Niedersachsens sowie dem Regionalliga-Abstieg der Deister-Kicker kommt das noch immer irreal wirkende Duell tatsächlich zustande.

Steiler Aufstieg auf Initiative von Rothmund


Seit der Fusion der Fußballabteilungen des TSV Egestorf und TSV Langreder im Jahr 2001, die übrigens vom späteren NFV-Präsidenten Karl Rothmund initiiert wurde, erlebten die Germanen einen kometenhaften Aufstieg – ein Werdegang, von dem die meisten Amateurvereine in Deutschland nur träumen können. In der Bezirksliga Hannover 1 gestartet, stieg der Verein bereits 2003 in die Bezirksoberliga Hannover auf. Dort etablierte sich Egestorf-Langreder und mauserte sich langsam aber sicher zu einer Topmannschaft in der Liga. 2007/08 war der Klub dem Oberliga-Aufstieg zum Greifen nahe, lieferte sich ein bis heute unvergessenes Duell mit dem ehemaligen Hameln-Pyrmonter Aushängeschild, der Spielvereinigung Preußen Hameln. Am Ende hatte die von Alexander Kiene trainierte Hamelner Mannschaft den etwas längeren Atem und feierte mit einem Punkt Vorsprung die Meisterschaft. Der 1. FC dagegen verschwand vorerst wieder im Mittelfeld – bis zur Saison 2009/10. Diesmal griffen die Schwarz-Rot-Weißen wieder nach den Sternen. Und wieder wurden sie enttäuscht. Diesmal war Arminia Hannover das Maß aller Dinge, wurde mit einem astronomischen Vorsprung von 13 Zählern Meister. Egestorf-Langreder ging trotz starker Saison wieder leer aus. Im dritten Anlauf sollte es aber klappen. Nach einem Übergangsjahr, war die Germania reif für den ganz großen Wurf.

Reif für den Titel – mit Hameln-Pyrmontern in der Hauptrolle


Robin Gaida ist für die Germanen weiterhin am Ball.
Und wie: 2011/12 marschierte der damalige Ligafavorit durch die Landesliga wie ein heißes Messer durch die Butter. Mit 83 (!) Zählern und 14 Punkten Vorsprung auf den ärgsten Verfolger aus Burgdorf feierten die Egestorfer den lang ersehnten Oberliga-Aufstieg. Vater des Erfolgs war zu diesem Zeitpunkt Spielertrainer Jan Zimmermann, der in der Vergangenheit für Größen wie Borussia Mönchengladbach II, Carl Zeiss Jena, Eintracht Braunschweig oder den VfB Lübeck auflief. Im Kader waren darüber hinaus einige in Hameln-Pyrmont bekannte Gesichter: Die Ex-Preußen Bastian Stellmacher und Elk Jörn machten in der Verteidigung die Schotten dicht, der ehemalige Halvestorfer Jan Baßler zog auf der Sechs die Fäden, Ex-Tünderaner Lukas Kelle sorgte im offensiven Mittelfeld für die Akzente nach vorne und der ehemalige Bad Pyrmonter sowie Halvestorfer Andreas Baranek wirbelte auf den Außen.

Oberliga? Ist doch gelacht!

Während die meisten Oberliga-Aufsteiger angesichts des sportlichen Sprunges erst einmal tief schlucken müssen und nicht selten direkt wieder absteigen, fanden sich die Deister-Kicker in der „Königsklasse“ des NFV prompt zurecht. Im ersten Jahr erreichten Zimmermann & Co. einen beachtlichen sechsten Rang. 2013/14 wurde der Verein Fünfter, in der Saison darauf Vierter – und dann gelang dem Team eine Leistung, die als größter Erfolg der Vereinsgeschichte unvergessen bleibt. Hinter dem unangefochtenen Meister Lupo Martini Wolfsburg wurde Egestorf-Langreder Vizemeister und qualifizierte sich für die Regionalliga-Relegation.

Regionalliga-Relegation an Dramatik nicht zu überbieten



Der Ex-Pyrmonter und Halvestorfer Andreas Baranek hat den entscheidenden Elfmeter rausgeholt.
Was dort schließlich passierte, war an Dramatik kaum zu überbieten. Wir berichteten am 07. Juni 2016: „War war das für eine Schlussphase?! Mehr Fußball-Dramatik geht nicht. Und ein emotionaleres 'Happy End' auch nicht. Der 1. FC Germania Egestorf-Langreder hat den Aufstieg in die Regionalliga perfekt gemacht! Das Zimmermann-Team brauchte gegen Hamburgs Kult-Club Altona 93 einen Heimsieg – und führte bis zur 91. Minute mit 1:0. Dann glichen die Gäste aus. Der Traum vom Aufstieg in die vierte Liga schien geplatzt. Doch plötzlich kam Andreas Baranek: In der 89. Minute für Sebastian Böning eingewechselt, kam der Ex-Pyrmonter im gegnerischen Strafraum zu  Fall und holte tatsächlich noch einen Elfer heraus, den Christoph Beismann versenkte. Danach wurde gar nicht mehr angepfiffen. Neben Baranek standen mit  Innenverteidiger Robin Gaida, Lukas Kelle, Jan Baßler und Scott Millard gleich fünf Akteure mit 'Hameln-Pyrmonter Fußballvergangenheit' im Egestorfer Kader." Zu den Hameln-Pyrmontern gesellte sich im Sommer 2016 zudem ein weiterer junger Fußballer: Der Salzhemmendorfer Kevin Schumacher wechselte nach einem langen Transfer-Hickhack mit der SpVgg. Bad Pyrmont zu den Deister-Kickern und entwickelte sich zu einer festen Größe. Als frischgebackener Regionalligist trat Egestorf-Langreder übrigens wenige Wochen später im AWesA Allstar-Game gegen eine Hameln-Pyrmonter Auswahl an – und spielte 1:1. Das Remis wurde von der heimischen Auswahl gefeiert wie eine Meisterschaft. So groß war die sportliche Kluft vor drei Jahren.

Deutschlandweite Schlagzeilen

In der Zeit des größten sportlichen Erfolgs zogen allerdings auch dunkle Wolken auf. Unter anderem der Spiegel berichtete 2016 über eine besondere Behandlung des Vereines durch den NFV, begünstigt durch den damaligen NFV-Präsidenten Karl Rothmund.

Die Germanen halten sofort in der vierten Liga mit

Der Sprung in die Oberliga war für den 1. FC kein Problem – der Aufstieg in die Regionalliga war ebenfalls keines. Die Zimmermann-Elf wurde im ersten Jahr Zehnter und behauptete sich prompt in der hart umkämpften vierten Liga. Im Sommer 2017 wurde zudem der nächste Hameln-Pyrmonter Spieler an den Deister gelotst. Diesmal kam ein junger Stürmer, der seine Mannschaft mit 51 Toren in die Kreisliga schoss: Jos Homeier vom TSV Nettelrede. Zunächst in der zweiten Mannschaft eingesetzt, etablierte sich der drahtige Sturmtank nach und nach im Regionalliga-Kader. In der folgenden Saison 2017/18 lieferte das Team eine schier unglaubliche Saison ab und machte sich auf dem fünften Rang breit – es war die beste Saison der Vereinsgeschichte. Denn im folgenden Jahr zeichnete sich der sportliche Abschwung ab.

Leistungsträger nicht zu ersetzen

Mit Hendrik Weydandt (Hannover 96, schnell fester Bestandteil der Profis), Marco Schikora (Viktoria Berlin), Björn Lindemann (SSV Jeddeloh) und Kevin Schumacher (Werder Bremen U23) verließen letztlich unersetzbare Leistungsträger den Verein. Trainer Jan Zimmermann legte überdies völlig überraschend sein über sieben Jahre andauerndes Traineramt nieder und wurde durch den Bad Münderaner Paul Nieber ersetzt. Am Ende erreichte Egestorf-Langreder 2018/19 nicht die nötige 40 Punkte-Marke und musste als 16. der Regionalliga den Gang in die Oberliga antreten.

Neustart in der Oberliga

Die Oberliga hat sich in der bisherigen Saison nicht unbedingt als leichtes Pflaster für die Germanen herausgestellt. Zwischenzeitlich noch auf einem Abstiegsplatz gelegen, hat sich die Elf um Übungsleiter Nieder mittlerweile gefangen und belegt einen soliden sechsten Rang. Am Donnerstagnachmittag geht Egestorf-Langreder als klarer Favorit in sein Heimspiel gegen die Blau-Weißen aus Tündern – ein Erfolg der Windmühlenkicker scheint unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher schien 2016 allerdings, dass sich beide Mannschaften drei Jahre später um die Punkte in der Oberliga streiten...
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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