22.10.2019 09:30

Oberliga


DFB-Pokal, Zweiter in der Oberliga – Delmenhorst hat seinen Atlas wieder

Atlas Delmenhorst gastiert am Samstag auf der Kampfbahn / Atlas & Werder Bremen brechen Zuschauerrekord im DFB-Pokal
SV Atlas Delmenhorst Mannschaftsfoto
Der SV Atlas Delmenhorst kommt am Samstag auf die Kampfbahn (Foto: SV Atlas/André Klattenhof).
Am Samstag gastiert ein ganz besonderer Gegner auf der Hamelner Kampfbahn. Mit Atlas Delmenhorst kommt nicht nur das einzige noch ungeschlagene Oberliga-Team in die Rattefängerstadt, sondern ein Verein, der für die Begehren einer ganzen Stadt steht. Erst kürzlich sorgten die Blau-Gelben für deutschlandweite Schlagzeilen, als sie sich dank des 3:2-Finalsieges im Niedersachsenpokal gegen den TuS Bersenbrück für den DFB-Pokal qualifizierten. Was dann folgte, hätte kein Drehbuchautor besser inszenieren können: Delmenhorst bekam ausgerechnet „Ortsnachbar“ und Bundesligist Werder Bremen zugelost. „Das war natürlich eine absolute Besonderheit und für die gesamte Region ein unglaubliches Erlebnis. Viele Delemhorst-Anhänger unterstützen auch Werder Bremen“, erinnert sich Delmenhorsts Pressesprecher Stefan Keller, der zu Beginn der 1990er Jahr für Atlas spielte und mittlerweile in anderer Funktion wieder zurückgekehrt ist.

„Euphorie förmlich explodiert“

Eine weitere große Besonderheit: Das Spiel fand nach langem Hin und Her im Bremer Weserstadion statt. Dabei hat das unterklassige Team im Normalfall das Heimrecht. „Es gab unglaublich viele Diskussionen und schlussendlich haben wir eine Erweiterung der DFB-Statuten erwirkt, die es uns ermöglicht hat, im Weserstadion zu spielen. Als das an die Öffentlichkeit kam, ist die Euphorie förmlich explodiert. Die Zusammenarbeit mit Werder lief super. Die Bremer haben uns mit ihrer Infrastruktur sehr geholfen und wir haben mit unglaublich viel Manpower ebenfalls viel dazu beigetragen, dass es ein unvergessliches Erlebnis wurde“, gerät Keller noch immer ins Schwärmen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Das Weserstadion war mit 41.500 Zuschauern ausverkauft, alleine 12.000 Delmenhorster waren anwesend – damit brach das Spiel einen Zuschauerrekord: Noch nie waren bei einer Erstrundenpartie mit Amateurbeteiligung so viele Schaulustige im Stadion. Selbst sportlich überzeugte der „Underdog“, spielte teilweise mutig mit und verlor am Ende „nur“ 1:6. „Wir hatten die Sorge, dass wir nach diesem Highlight in ein Loch fallen. Aber das Gegenteil ist passiert. Sportlich läuft es aktuell rund, wir werden sehr positiv wahrgenommen und Delmenhorst steht hinter uns“, erklärt Keller. Im Schnitt schauen sich über 1.000 Zuschauer ein Spiel ihres SVA an.

Löschung aus dem Vereinsregister

Atlas Delmenhorst WappenSchaut man ein paar Jahre zurück, scheint dieses schier unglaubliche Erlebnis noch wie ein Traum, der auch einer bleiben wird. Die Stadt Delmenhorst hat eine lange Durststrecke hinter sich. Zehn Jahre lang gab es keinen Leistungsfußball vor Ort zu bestaunen. Dabei hatte die „schönste Nebensache der Welt“ stets einen großen Stellenwert in der 82.000 Einwohner-Stadt. Über Jahrzehnte hinweg spielte Atlas dritt- oder viertklassig; bis sich Ende der 1990er Jahr finanzielle Engpässe ergaben, weil der Hauptsponsor, das Unternehmen Weyhausen, den Geldhahn zudrehte. Als es sportlich ebenfalls nicht mehr lief, zog sich der Verein im Mai 1999 aus der Oberliga zurück. Überdies wurde Atlas Delmenhorst im Oktober 1999 in den Delmenhorster Sportclub umbenannt und erzielte in der fünftklassigen Niedersachsenliga West immer schlechtere Ergebnisse – bis 2002 der sportliche Abstieg, die Insolvenz und die Löschung aus dem Vereinsregister folgten.

Wie ein Phönix aus der Asche – Neustart in der 1. Kreisklasse

Erst eine Dekade später, am 4. April 2012, wurde der Verein erneut aus der Taufe gehoben. „Atlas Delmenhorst ist ein Sehnsuchtsmodell. Die Stadt hat über 80.000 Einwohner und liegt direkt neben Bremen. Der Leistungsfußball war nicht mehr vorhanden. Das wollten die Oberen von Atlas ändern“, meint Keller. Vom Glanz alter Tage hatte dieser Neustart allerdings zunächst nicht viel. Atlas übernahm die ausgegliederte Fußballsparte von Eintracht Delmenhorst und das Spielrecht für die 1. Kreisklasse Oldenburg-Land – die Neugeburt der Blau-Gelben wurde vielerorts belächelt. Jedoch sollte sich schnell herausstellen: Der SVA war keine Eintagsfliege. Die Mannschaft stieg 2012/13 direkt in die Kreisliga auf – und landete mit der Verpflichtung von Trainer Jürgen Hahn einen absoluten Glücksgriff.

Der Durchmarsch in die Oberliga

Unter ihm wurde Atlas in der Kreisliga 2013/14 prompt Vizemeister, setzte sich in der Relegation durch und qualifizierte sich damit für die Bezirksliga. Auf Bezirksebene fand sich Atlas ebenfalls bestens zurecht und verpasste 2014/15 mit nur einem Punkt Rückstand auf den VfL Wildeshausen die Meisterschaft. Diese holte Delmenhorst im Jahr darauf nach und stieg 2016 mit einem astronomischen Vorsprung von 19 (!) Punkten in die Landesliga auf. So richtig Lust auf die Landesliga hatten die Delmenhorster allerdings auch nicht. Nach einem packenden Meisterschaftsrennen mit dem TuS BW Lohne wurde Atlas aufgrund des um drei (!) Tore besseren Torverhältnisses Erster und schaffte 2017 den Aufstieg in die Oberliga Niedersachsen – all das unter Coach Hahn. Doch es sollten noch weitere Erfolge folgen. In der Oberliga wurde Delmenhorst 2017/18 prompt Neunter. In der Folgesaison trennten sich Trainer Hahn und der Verein überraschend. Sein Nachfolger Olaf Blancke erreichte zwar den Klassenerhalt und das Endspiel des Niedersachsenpokals – doch auch sein Vertrag wurde aufgelöst. Auf Blancke folgte Interimstrainer Daniel von Seggern, der mit dem Verein den Niedersachsenpokal-Sieg feierte.

Bereit für die Regionalliga?

Im vergangenen Sommer trat schließlich Key Riebau das Amt des Cheftrainers an. Offenbar ist den Verantwortlichen eine gute Verpflichtung gelungen – aktuell ist Delmenhorst hinter VfV Hildesheim Zweiter. Doch nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz machte der Verein gewaltige Fortschritte. Das frühere Modell, nur einen großen Sponsor zu haben und von diesem abhängig zu sein, habe ausgedient. „Wir haben ein breit gefächertes Feld an Unterstützern“, so Keller, der den Regionalliga-Aufstieg nicht als Ziel, sondern als Ergebnis guter Arbeit betrachtet: „Unser Saisonziel ist, uns in allen Bereichen auf und neben dem Platz zu verbessern. Wir haben ein neues Trainerteam, dazu einige genesene Spieler und Neuzugänge, aber auch verdiente Spieler wie Florian Urbainski, Kevin Radke oder Stefan Bruns. Sie sind schon seit Kreis- oder Bezirksligazeiten dabei. Wir verpflichten keine teuren Regionalliga-Spieler oder Ex-Profis und erzwingen den Erfolg nicht mit risikoreichen Verpflichtungen. Sportlich läuft es aktuell gut, aber wir sind nicht blauäugig. Im Herbst ist noch nicht absehbar, wo die Reise hingeht. Sicherlich soll Atlas Delmenhorst in der Zukunft auch mal mit der Regionalliga in Verbindung gebracht werden. Dazu muss aber die Infrastruktur passen, wir brauchen eine starke zweite Mannschaft und die Sponsoren müssen mitziehen. Sonst kann ein Aufstieg in die Regionalliga nach hinten losgehen. Wenn wir diese Baustellen erfolgreich bearbeiten, ist das Ergebnis der Aufstieg in die Regionalliga.“
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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