Die Entscheidung ist gefallen: Der SV Azadi Hameln ist Kreispokal-Champion 2024 und wiederholt damit den Titelgewinn von vor zwei Jahren, als die Hamelner „Adler“ sich bereits gegen die Sportfreunde Osterwald zum Oberhaupt des heimischen Pokalwettbewerbs aufschwangen, Damit beerbt der Sportverein gleichzeitig Vorjahressieger WTW Wallensen. Gegen den abstiegsbedrohten Ligakonkurrenten aus Bisperode, der sich am Donnerstagabend gegen Emmerthal erst im Elfmeterschießen für das Finale qualifiziert hatte (7:6), gab es die ersten Highlights bereits unmittelbar vor dem Anpfiff von Schiedsrichter Jan-Christoph Bunte und seinem Team.
Vor den, laut Ausrichter Preussen Hameln, rund 1000 Zuschauer im stimmungsvollen Weserberglandstadion peitschten die Fanlager ihre Teams bereits vor der ersten Ballberührung lautstark an. Ein echtes Feuerwerk brannten dabei die zahlreichen Anhänger der blau-gelben Ostkreisler auf der Gegengeraden der Tribüne ab – und das im wahrsten Sinne. Mit Leuchtraketen, Rauchtöpfen und Bengalos verwandelte die Anhängerschaft die Umgebung in ein buntes Farbenmeer.
Und dann ging es endlich los. Zwar lieferten sich beide Teams bis zur Pause kein Chancenfestival par excellence, doch im Gegensatz zum Donnerstagsspiel dauerte es keine zehn Minuten, ehe die spielerische Finesse der Akteure auf dem Rasen das erste Mal so richtig zur Geltung kam. Bereits in der siebten Minute eroberte Azadis offensiver Dreh- und Angelpunkt Egcon Musliji die Kugel tief in der gegnerischen Hälfte. Im unmittelbaren Anschluss setzte Eron Musliji Teamkollege und Jugend-Bundesliga-Kicker Can Gürek mit einem traumhaften Außenristpass in die Tiefe in Szene. Diese Gelegenheit ließ sich der technisch versierte Gürek nicht mehr nehmen, zog in die Mitte, verlud TSV-Aushilfskeeper Niklas Pfleger und markierte die frühe Führung für die Hamelner in ihrem „Heimspiel“.
„Die Anspannung war bei uns heute groß. Bisperode hat sich im Vorfeld selbst die Underdog-Rolle gegeben – was wir gar nicht so gesehen haben, immerhin lief es bei uns in der Liga auch nicht immer glanzvoll in dieser Saison – und uns das Leben schwer gemacht“, betonte Azadis sportlicher Leiter Yalcin Uzun, der bis auf Afrim Sejdijaj und Ibo Seyyar wieder das gesamte Star-Ensemble seines Teams aufbieten konnte.
Bisperodes Plan, die eigene Null so lange wie möglich zu halten, musste also bereits zu früher Stunde ad acta gelegt werden. Doch von aufkeimender Nervosität war beim Team von Daniel Ivicic, der an diesem Nachmittag von Co-Trainer Konrad Voss an der Seitenlinie vertreten wurde, überhaupt nichts zu bemerken. Zwar übernahm Azadi die spielführende Rolle, doch Luke Streich & Co. in der TSV-Defensive standen dem Gegner dicht und energisch auf den Füßen, sodass die „Adler“ trotz des Führungstreffers offensiv eher blass blieben.
Beim SV Azadi war die Freude groß.
Offensiv suchte übrigens auch der Titelgewinner von 2019 eher die spielerischen Lösungen auf dem frisch erneuerten Geläuf an der Tartanbahn. Nach zwölf Minuten blieb die erste Ecken-Serie des TSV ohne Erfolg, in der 27. Minute stellte ein Kopfball von Mittelfeldmotor Robert Voss keine Probleme für Azadi-Fänger Faiz Faris Kheder dar. Doch in dieser Phase zeigte sich bereits: Bisperode zeigte zunehmend Präsenz in der gegnerischen Hälfte – und kam zehn Minuten vor dem Pausentee sogar zum Ausgleichstreffer.
Nach einem Foul an Maik Genge legte sich Jarno Schmedecke die Kugel rund 20 Meter vor dem SV-Kasten in halblinker Position zurecht. Mit rechts zirkelte der Außenbahnspieler die Kugel flach auf das lange Eck. Kheder streckte sich, fuhr die Fingerspitzen aus, doch den Einschlag vermochte der Schlussmann nicht zu verhindern. Unter großen Jubelschreien der Bisperoder Fans schlug die Kugel über den Innenpfosten ein.
Bisperode dreht auf
Und plötzlich war richtig Feuer drin im Offensivspiel des Kreisliga-Zehnten. Nur 120 Sekunden nach dem 1:1 behauptete Flügelflitzer Leon Pötsch auf links stark die Kugel, überlief seinen zweiten Gegenspieler und schloss aus spitzem Winkel ab. Haarscharf zischte das Geschoss über den Querbalken. Azadi wirkte in dieser Phase merklich beeindruckt – und schwächte sich in der Nachspielzeit der ersten Hälfte selbst. Nach eigenem Eckball verloren die Hamelner die Kugel, Bisperode war im Begriff umzuschalten und der bereits verwarnte Gebraiel Berjawi beendete den Konterversuch jäh per taktischem Foul. Bedeutete in der Endabrechnung die Ampelkarte für die Nummer 25 der Schwarz-Weißen, die damit mehr als 45 Minuten in Unterzahl agieren mussten.
Kratzte der selbst ernannte Underdog also am kleinen Fußballwunder? Die erste Gelegenheit nach dem Platzverweis gehörte jedenfalls erstmal Musliji & Co. Nach einem eigenen Konter kam Edeltechniker Gürek über Umwege an die Kugel, scheiterte jedoch an Pfleger im Tor. Danach war Pause.
„Wir haben es in der ersten Halbzeit sehr gut gemacht. Dass Azadi in Unterzahl gegangen ist, war am Ende fast schon ärgerlich für uns, denn das hat uns heute etwas den Drive genommen“, ließ Voss´ spätere Aussage bereits vermuten, wohin die Bisperoder Reise nach dem Seitenwechsel gehen würde.
Doch die ersten beiden Offensivszenen gehörten wieder den Blau-Gelben. Nur zwei Minuten nach Wiederanpfiff war es erneut Pötsch, der sich im rechten Rückraum den Ball mit einem beherzten Einsatz erkämpfte. Bei seinem Schlenzerversuch aufs lange Eck flog Kheder bereits vergeblich, doch das Kunstleder ging knapp am Pfosten vorbei. Wiederum nur 120 Sekunden später setzte sich Robert Voss gegen einen Azadi-Verteidiger samt Torhüter Kheder durch, sein Ball aus 14 Metern kullerte allerdings am rechten Pfosten vorbei.
Gürek & Co tauen wieder auf
Und Azadi? Die ersten Minuten waren Gürek & Co. abgemeldet, doch ein Freistoßversuch des Torschützen, der knapp über die Latte zischte, ließ die „Adler“ wieder in den Steilflug übergehen. Nach einem hohen Ballgewinn waren die Ostkreisler defensiv völlig ungeordnet. Eron Musliji sah Gürek starten, weit und breit kein Gegenspieler in Sicht. Den perfekten Steilpass nahm der Klasse-Kicker perfekt mit und ließ sich anschließend auch von dem herauseilenden Pfleger im TSV-Tor nicht verunsichern (59.). Sein lässiger Chipball landete humorlos unter der Latte in den Maschen. Entsprechend riesig war der Jubel bei den hunderten Azadi-Fans.
„Wir haben uns in der Pause gepushed und klargemacht, dass wir auch mit zehn Mann stark genug sind. Die Jungs sind immer in der Lage, nach Rückschlägen zurück zu kommen. Heute haben sie es in den entscheidenden Momenten geschafft, die Anspannung in Energie und Power umzuwandeln“, war Uzun euphorisiert, der mit seinem Team in der Folge auf Treffer Nummer drei gehen wollte.
Und sein Team blieb offensiv präsent. Bisperode war der erneute Rückstand deutlich anzumerken, die Ballverluste häuften sich und offensive Akzente wurden rarer. Auf der Gegenseite nahm die Ruhe im Spiel der „Hausherren“ merklich zu. So dauerte es bis in die 70. Minute, ehe die Ostkreisler mal wieder etwas Gefahr ausstrahlten. Diese resultierte allerdings eher aus einer kleinen Unsicherheit Kheders, der einen eigentlich harmlosen TSV-Kopfball durch die Hände rutschen ließ, das Spielgerät aber noch vor der Linie wieder einfing.
Der TSV Bisperode bei der Ehrenrunde vor den eigenen Fans.
Ein letzter Konter für Azadi
Die Vorentscheidung folgte dann zehn Minuten später. Und was wäre ein Pokalspiel des SV Azadi ohne einen Treffer nach einem Freistoß? Wieder stand Gürek im Blickpunkt des Geschehens. Seine verzögerte Ausführung wurde letztlich am langen Pfosten an die Unterkante der Querlatte verlängert. Anschließend tänzelte die Kugel sekundenlang auf der Torlinie herum, ehe Egcon Musliji den Ball cool in das Gehäuse beförderte.
Damit war das Ding durch. Bisperode warf noch einmal alles nach vorne, lief in der Nachspielzeit nach einem eigenen schwachen Freistoß-Versuch aber noch in einen Konter. Leonit Glelaj schüttelte seinen letzten Verfolger noch in Bisperodes Hälfte ab, legte anschließend einen 40-Meter-Sprint hin und bediente schließlich Sipan Karayilan zentral an der Sechzehnerkante, der sich das Geschenk zum 4:1-Endstand nicht nehmen ließ. Als Schiedsrichter Bunte nach der fünfminütigen Nachspielzeit endlich in die Pfeife blies, brachen bei Azadi und deren Fans sämtliche Dämme. Platzsturm, Bengalos, Siegestänzchen auf dem Feld, eine anschließende Sektdusche – nichts durfte fehlen. Währenddessen drehten die TSV-Akteure eine Ehrenrunde vor der eigenen Fankurve, die das Team erneut mit wehenden Schals, Pauken und Trompeten sowie Fangesängen gebührend feierte.
Unter der Obhut vom Kreisfußballvorsitzenden Hameln-Pyrmonts, Thomas Bertram, fand anschließend die feierliche Übergabe der riesigen Kreispokal-Trophäe statt. Natürlich war es niemand anderes als Azadi-Kapitän Egcon Musliji, der den Henkelpott in Empfang nahm und unter donnerndem Applaus in die Höhe reckte. Und danach gingen die Feierlichkeiten erst richtig los...
Trainer Voss beglückwünschte nach dem Abpfiff den Kontrahenten und zog gleichzeitig seinen Hut vor der eigenen Fan-Kulisse: „Glückwunsch an Azadi. Sie haben überragende Einzelspieler in ihren Reihen, haben es am Ende clever gemacht und uns für unsere Naivität bestraft. Wir haben aber erhobenen Hauptes bis zum Ende gekämpft und es ist alles sportlich fair geblieben. Viele sagen ja immer, dass bei uns nicht mehr viel los ist. Wenn man das hier heute aber gesehen hat, was hier los war und was Bisperode auf die Beine gestellt hat, hat das wieder das Gegenteil bewiesen.“ Die letzten Worte gebührten aber natürlich Sieger Uzun und seinem Team: „Wir haben Extraklasse-Spieler, das hat man heute wieder gesehen. Über die Saison waren lange nicht alle fit, aber wenn es drauf ankommt, sind sie da. Heute haben sie die Leistung wieder auf den Punkt abgerufen. Und jetzt gehe ich mit den Jungs feiern!“ Man darf sich also auf ein feucht-fröhliches Pfingstwochenende bei den Hamelnern gefasst machen...
SV Azadi Hameln: Kheder.Seyyar, Ördek (63. Gjelevic), Egc. Musliji, Karayilan (90. +1 Uzun),Savli (81. G. Musliji), Gürek (88. Caka), Ulus, Berjawi, Glelaj, Er. Musliji (63. Iskender).
TSV Bisperode: Pfleger, Streich (83. J. Utenwiehe), Koop (76. Faßhauer), Genge, Schmedecke, Egly (76. Demir), Pötsch, T. Schonscheck, Wetzstein (46. Wiechens), J. Schonscheck, Voss.
Schiedsrichter: Jan-Christoph Bunte, Osman-Can Yilmaz, Moritz Bunte.
Zuschauer: rund 1000.
Tore: 1:0 Can Gürek (7.), 1:1 Jarno Schmedecke (35.), 2:1 Gürek (58.), 3:1 Egcon Musliji (79.), 4:1 Sipan Karayilan (90. +1).
Besonderes: Gelb-Rote Karte für Azadis Gebraiel Berjawi (45. +1).
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