08.01.2024 11:15

Meldung


Schiri-Absetzung bei WTW-Turnier: Jetzt sprechen alle Parteien

Einmal mehr wird deutlich: Die Wahrheit ist relativ

Zum Thema

AWesA Redaktion Matthias Koch Jannik Schroeder Robin Besser
 
05.01.2024

Die Einordnung einer Eskalation

Was passierte beim Hallenturnier zwischen den Feiertagen - und wie wird über so etwas berichtet / Ein Bericht aus der AWesA-Redaktion



Rieke Hoelscher Uzun Schuette Ausschreitungen WTW Humboldt Trophy
Von links: Schiedsrichterchef Michael Rieke, Lauensteins Spartenleiter Thomas Hölscher, Azadi-Manager Yalcin Uzun, WTW-Mitorganisator Thomas Schütte.


Die WTW-Humboldt-Trophy wurde zwischen den Feiertagen von einem Vorfall beeinflusst, der die Gerüchteküche zum Kochen gebracht hat. Viele Leser haben uns direkt gefragt, andere haben ihrem Unmut in Kommentaren auf AWesA.de Luft gemacht. Doch was war überhaupt passiert?

Vorab: Wir waren am zweiten der drei Turniertage nicht vor Ort. Doch waren die Konsequenzen rund eine Stunde vor dem finalen dritten Tag für alle spürbar: Der Schiedsrichterausschuss hatte die beiden angesetzten Schiedsrichter aufgrund von Vorfällen an Tag zwei kurzfristig abgesetzt. Um das Ganze zu beleuchten, lassen wir alle Seiten zu Wort kommen.

Auslöser war das Duell zwischen Azadi Hameln und dem MTV Lauenstein, in dem es um das Weiterkommen in die Zwischenrunde ging. In der Begegnung wurde es immer hitziger. Nach Spielende soll es zwischen zwei Spielern im Kabinentrakt zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.

Der Schiedsrichterausschussvorsitzende, Michael Rieke, begründete den Entschluss, die Schiedsrichter kurzfristig abzusetzen, in einer Rundmail vom 29. Dezember 2023 wie folgt: „Nach mehreren Telefonaten am heutigen Tage bezüglich des Turniers des WTW Wallensen, möchte ich hiermit offiziell mitteilen, dass wir nach den gestrigen Vorkommnissen gemäß Schiedsrichterbericht für die heutige Finalrunde die angesetzten Schiedsrichter offiziell wieder abgesetzt haben, um hier auch ein deutliches Zeichen zu setzen. Für mich war maßgebend die im Bericht geschilderte Situation, dass während des gesamten Turniers kein gekennzeichneter Ordnungsdienst vor Ort war. Hier muss aus meiner Sicht nun einmal ein deutliches Signal zum Schutz der Schiedsrichter gesetzt werden. Diese Entscheidung erfolgte in enger Absprache und Befürwortung des ersten und zweiten Vorsitzenden des Kreisfußballverbandes Hameln-Pyrmont.“ Auf die Nachfrage, weshalb ein 16-jähriger Schiedsrichter bei einem bekanntlich schwierig zu leitenden Hallenturnier mit Vollbande eingesetzt wird, erklärte Rieke: „Es handelt sich hierbei um einen jungen Leistungsschiedsrichter, der bereits Erfahrung in der Leitung von Herrenspielen auf Kreisebene hat. Damit war er auch qualifiziert, Spiele eines solchen Turniers zu leiten.“
Thomas Hölscher, Spartenleiter des MTV Lauenstein, war vor Ort und schildert seine Sicht der Dinge:
„Zunächst möchte ich klarstellen, dass wir den SV Azadi Hameln sehr schätzen. Dort wird seit Jahren tolle Arbeit geleistet und wir haben den Verein stets als sehr gastfreundlich wahrgenommen. Auf dem Feld gibt es natürlich immer mal wieder kleine Nickeligkeiten, aber das ist irgendwo normal. Schon im Spiel zwischen Halvestorf und Azadi wurde es etwas lauter. Grund war ein Missverständnis. Ein Auswechselspieler von Azadi hat beim Rückstand von 1:3 lautstark und ziemlich ungehalten gefordert, dass in der Schlussphase die Zeit gestoppt wird. Dabei gilt diese Regel nur, wenn es nur ein Tor Unterschied gibt. Als dann Lauenstein gegen Azadi spielte, hatte ich ein Gespräch in der Kabine. Es wurde immer mal wieder laut in der Halle, sodass wir dann rausgegangen sind, um das Spiel zu verfolgen. Es waren noch rund zwei Minuten zu spielen. Es ging hitzig und zweikampfbetont zu, aber nicht übertrieben. Deutlich wurde aber auch und hier möchte ich wirklich keinem zu nahe treten: Der sehr junge Schiedsrichter schien überfordert mit dem Spiel. Die Erfahrung zeigt, dass eher erfahrene Schiedsrichter bei diesen Turnieren für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Eine halbe Minute vor Ende flog der Ball gegen die Decke. Die Regel besagt, dass es Freistoß gibt, der Schiri entschied aber auf Einwurf, so wie es beim Jugendfußball gehandhabt wird. Die Azadi-Spieler sind dann zum Schiri gerannt und haben ihrem Unmut Luft gemacht, ohne ihn dabei in irgendeiner Weise körperlich anzugehen. Dennoch dürfte die Situation für den jungen Schiedsrichter schwierig gewesen sein. Die Turnierleitung hat die Regelfrage geklärt und es ging mit Freistoß weiter. Was ich mich frage: Alle wurden im Vorfeld über die Regeln aufgeklärt. Wie kann es dazu kommen? Aus dem Freistoß ist das 1:0 für Azadi entstanden. Vor dem Anstoß von Lauenstein hat dann ein Azadi-Spieler zunächst den Ball weggeschossen, was dazu geführt hat, dass unser Spieler ihm mit dem Hinweis auf Fairplay auf die Schulter geklopft hat. Daraufhin hat der Spieler von Azadi unserem Spieler auf den Rücken geklatscht. Beide haben für die Aktion zwei Minuten bekommen. Anschließend wurde es wieder hitzig und nach Spielende bin ich sofort in die Lauenstein-Ecke gegangen, um die Situation etwas zu beruhigen. Unsere Spieler wollten dann noch einige Erklärungen vom Schiedsrichter, während die Turnierleitung versucht hat, die Azadi-Ecke zu beruhigen. Einer unserer Spieler hat jedoch nicht mitbekommen, dass wir uns in unserer Ecke erst einmal sammeln wollten und hat sich in den Kabinentrakt begeben. Dort hat er laut eigener Aussage mehrere Azadi-Spieler getroffen, von denen einer ihn getreten haben soll. Ich war leider persönlich nicht dabei und stütze mich hier auf die Aussagen unseres betroffenen Spielers. Der Schiedsrichter wurde sicherlich angepöbelt, aber nie körperlich angegangen. Er ging nach Spielende hinter das Kampfgericht, wo sich die Unparteiischen während ihren Pausen aufhielten, um zu essen oder zu trinken. Er befand sich meiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, hat die vermeintlichen Handgreiflichkeiten im Kabinentrakt gar nicht mitbekommen und ist dann noch während des Turniers abgeholt worden. Die andere Schiedsrichterin hat ihm angeboten, die restlichen Spiele alleine zu leiten. Wallensen hat als Ausrichter schnell reagiert und versucht, zu schlichten.“

Azadi Hamelns Manager Yalcin Uzun gibt seine Sicht der Dinge preis:
„In dem Gruppenspiel zwischen dem SV Azadi und dem MTV Lauenstein entstand eine hitzige Atmosphäre. Ursprung war ein Einwurf 28 Sekunden vor Schluss des Spieles. In dieser Situation hätte es statt eines Einwurfs, einen Freistoß geben müssen. Die Regel lautet in diesem Fall: Wenn der Ball die Hallendecke berührt, gibt es einen Freistoß für das gegnerischere Team. In unserem Fall hat der MTV Lauenstein den Ball an die Hallendecke geschossen. Daraus sollte laut Regelwerk ein Freistoß für den SV Azadi entstehen. Leider wurde durch den Schiedsrichter ein Einwurf entschieden. Diese Entscheidung hat für beide Mannschaften Unklarheiten geschaffen. In diesem Fall musste ich leider feststellen, dass der MTV Lauenstein nach meiner Ansicht versucht hat, den Schiedsrichter zu einer Entscheidung zu drängen bzw. seine Entscheidung zu beeinflussen. Daraufhin kam ein Vorstandsmitglied des ausrichtenden Vereins, WTW Wallensen. Um die Situation zu entschärfen, überstimmte dieser die Entscheidung des Schiedsrichters. Wir haben den Freistoß erhalten und gingen mit 1:0 in Führung. Leider mussten wir uns im kompletten Spiel mit unfairen Spielmethoden auseinandersetzen. In der Freistoßsituation zum 1:0 hat ein Spieler vom MTV Lauenstein unseren Spieler versucht vom Schuss abzuhalten, in dem sich wiederholt vor den Ball gestellt hat. Die Situation spitze sich zu und der Schiedsrichter war sichtlich überfordert mit diesem Spiel. Das hat sich der zuvor genannte Spieler vom MTV Lauenstein zum Vorteil gemacht, in dem er wiederholt versucht hat, einen Konflikt auszulösen. In diesem Moment tat der Schiedsrichter mir leid. Dieser Spieler hat dann beim erneuten Anstoß unseren Spieler mehrmals auf die Brust geschlagen. Woraufhin unser Spieler aus eigenem Schutz den Spieler von sich drückte. In diesem Fall haben beide Spieler richtigerweise Zeitstrafen bekommen. Ein solches Verhalten vom Spieler der MTV Lauenstein wollten wir nicht tolerieren. Aus diesem Grund haben wir uns bei den Verantwortlichen über die körperliche Attacke beschwert. Während der Beschwerde wurde unsere Mannschaft von Zuschauern und Fans beleidigt. Durch die Beleidigungen ist eine Diskussion entstanden. In der Diskussion hat sich ein Mitglied des Kampfgerichts vor einen unserer Trainer gestellt und ihm in aggressiver und aufgebauter Haltung angeschrien. Das Mitglied hat gefordert, dass wir sofort die Veranstaltung verlassen sollen. Währenddessen wurde die gesamte Mannschaft von den Zuschauern und einer anderen Mannschaft, die neben dem Spielfeld, womöglich in stark alkoholisiertem Zustand, stand, sehr unangemessen verbal attackiert. Dabei muss nochmal deutlich gemacht werden, dass der Ursprung dieser Aktion eine unfaire Handlung eines Spielers von MTV Lauenstein war. Dieser Spieler wollte die Unerfahrenheit des Schiedsrichters um jeden Preis ausnutzen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass sich das Mitglied des Kampfgerichts im Anschluss für sein unpassendes Verhalten entschuldigt hat. Traurigerweise wollte man unsere starke Mannschaft nur durch unfaire Handlung stoppen. Womöglich das einzige Mittel aus deren Sicht.

Zusammenfassend war das Turnier für uns eine Reihe von Beleidigungen über den ganzen Turniertag hinweg. Das ist für mich kein sportliches Verhalten und gibt ein beschämendes Bild für den Fußball im Kreis Hameln-Pyrmont ab. Leider wird uns immer vorgeworfen, dass wir die Opferrolle einnehmen möchten, jedoch muss ein solches Verhalten angesprochen werden. Im Fußball sollte es fair zugehen. Wenn solche Aktionen totgeschwiegen werden, werden solche Anfeindungen zum Alltag.

Es sind Zuschauer runtergekommen, ja, allerdings haben wir genauso wie Wallensen diese noch im Kabinengang wieder hochgeschickt. Zu wem diese gehörten, wissen wir genauso wenig wie zu irgendwelchen Vorfällen in den Kabinen. Wir sind geschlossen als Mannschaft direkt hoch und standen am Eingang der Sporthalle, um erstmal diese Gesamtsituation zu verarbeiten und zu überlegen, ob wir weiterhin am Turnier teilnehmen wollen.

Trotz dieser Anfeindungen haben wir uns nach langen Überlegungen entschieden, am finalen Turniertag teilzunehmen, um Respekt gegenüber dem Gastgeber und den anderen Teams zu zeigen. Vor Spielbeginn habe ich mit Verantwortlichen der Veranstaltung ein persönliches Gespräch gehabt, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Schiedsrichter abgesetzt sind. Weiterhin hatten wir über den vorherigen Tag gesprochen. In dem Gespräch wurden alle Bedenken für eine Teilnahme am Turnier ausgeschlossen.

An dieser Stelle möchten wir betonen, dass der Schiedsrichter weder im Spiel noch nach dem Spiel von uns kritisiert wurde. Gerade junge Schiedsrichter haben es schwer, sich durchzusetzen in solch hitzigen Spielen. Jedoch müssen wir gerade die jungen Schiedsrichter in ihrem Lernprozess unterstützen, um Schiedsrichter für unseren Kreis zu gewinnen.

Allerdings haben wir nach reiflicher Überlegung auch beschlossen, vorerst keine Hallenturniere im Landkreis Hameln-Pyrmont mehr zu bestreiten. Unsere Entscheidung, keine Hallenturniere in der Region zu bestreiten, soll ein Zeichen setzen. Wir möchten deutlich machen, dass wir uns nicht mehr alles gefallen lassen, besonders, wenn es um Beleidigungen und unsportliches Verhalten geht. Es ist an der Zeit, ein Bewusstsein für Fairness und Respekt zu schaffen, damit alle Teilnehmer die Freude am Hobby Fußball uneingeschränkt genießen können. Daher ist das unsere persönliche Konsequenz aus der ganzen Geschichte. Trotz allem ist dies nicht als Boykott, sondern als Signal zum Nachdenken und als Aufruf zu einem respektvollen Miteinander zu sehen.

Wir respektieren alle Schiedsrichter und Gegner egal welches Alter oder Geschlecht. Ganz im Gegenteil, auch die jungen Schiedsrichter müssen irgendwann ins kalte Becken, damit sie ihre Erfahrung sammeln - von allein hat noch niemand Erfahrung bekommen. Da sollten die Mannschaften, Spieler und Vereine als erstes versuchen, diese Schiedsrichter auch mal Fehler machen zu lassen, ihre Erfahrungen positiv zu gestalten, ohne dessen Unerfahrenheit auszunutzen und es den Schiris noch schwerer machen. Wir sind alle Menschen und Menschen machen nun mal Fehler, unabhängig in welcher Position.“

Das Organisationteam der WTW-Humboldt-Trophy hat ebenfalls eine Stellungnahme abgegeben:
„Bei dem Spiel MTV Lauenstein gegen SV Azadi Hameln am 28. Dezember 2023 während der vom WTW Wallensen ausgetragenen WTW Humboldt-Trophy in der KGS-Sporthalle Salzhemmendorf kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung auf und neben dem Spielfeld zwischen Spielern beider Mannschaften. Ein im Nachgang gefertigter Bericht des Schiedsrichters ist dem Verein nicht bekannt. Nicht nachvollziehbar ist für den WTW Wallensen aber eine kurzfristige Absetzung der Schiedsrichter für den Finaltag am 29. Dezember 2023 eine Stunde vor Turnierbeginn. Fast alle Mannschaften waren bereits vor Ort, Helfer organisiert und finanzielle Ausgaben für den Verein zum Einkauf getätigt. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass keine Rücksprache mit dem Turnierorganisator gesucht wird, ehe ein Entschluss zur Schiedsrichterabsetzung getroffen wird. Gemeinsam wurde vor Ort entschieden, dass das Turnier wie geplant stattfindet. Vor den Spielen der Finalrunde erhielt der Vertreter des SV Azadi Hameln von der Turnierleitung eine Ansprache und verstärkten Hinweis auf Fairplay. Bei Verstößen wurde der Mannschaft mit dem Ausschluss aus dem Turnier und weiteren rechtlichen Schritten gedroht, womit der Verantwortung eines Turniergastgebers aus unserer Sicht genüge getan wurde. Während des weiteren Turnierverlaufs am Finaltag kam es dann auch nicht zu Auffälligkeiten und der geforderten Fairness wurde Rechnung getragen. Der WTW Wallensen distanziert sich ausdrücklich von Gewalt und Beleidigungen im Sport. Schiedsrichter werden von uns immer ausreichend geschützt.“
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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