11.01.2023 13:55

Meldung


Anwärter-Lehrgänge leer, zu wenig Schiris am Wochenende, „alte Garde" bricht weg

„Wer sich dem Fußball verbunden fühlt oder selbst Fußball gespielt hat, kann dieser Sportart als Schiedsrichter unglaublich viel Gutes tun“
Dieter Schröder Schiedsrichter Fussball Hameln Pyrmont Ansetzer
Schiedsrichter-Ansetzer Dieter Schröder hat immer größere Probleme, alle Spiele mit Unparteiischen zu versehen.
Dass die Schiedsrichterei seit vielen Jahren in der Krise steckt, ist keine Neuigkeit. „Ich will auch gar nicht gebetsmühlenartig die gleiche Leier runterrattern“, unterstreicht Schiriansetzer Dieter Schröder. Zuletzt habe der Mangel an Unparteiischen jedoch kritische Zustände erreicht. Obwohl der Freiluftspielbetrieb aktuell ruht und damit nur ein Bruchteil an Spielen mit Schiedsrichtern besetzt werden muss, telefonierte sich Schröder am vergangenen Wochenende die Finger wund. „Am Freitag und Samstag musste ich dann selbst einspringen und am Sonntag gab es noch eine kurzfristige Absage. Nach endlosen Telefonaten habe ich dann jemanden gefunden“, erzählt das Urgestein der Hameln-Pyrmonter Schiedsrichterei. „Das Problem ist, dass bei den Vereinen größtenteils immer noch Sorglosigkeit herrscht. Es wird immer darauf vertraut, dass jemand kommt.“ Jedoch falle die „alte Garde“, wie Schiedsrichter-Ausschussvorsitzender Michael Rieke und Ansetzer Schröder die ältere Generation an Unparteiischen gerne nennen, zunehmend weg. „Seit Jahrzehnten springen sie ein und sorgen dafür, dass wir Jahr für Jahr genügend Schiedsrichter haben. Mittlerweile kommen aber gesundheitliche Probleme dazwischen, man wird ja nicht jünger. Die Erfahrenen waren unser Rückhalt. Der aktuelle Trend geht aber in die Richtung, dass wir Spiele der 3. und 2. Kreisklasse bald nicht mehr besetzen können und in der 1. Kreisklasse und Kreisliga keine Linienrichter mehr eingesetzt werden.“ Bisher konnte sich der Lokalfußball in Hameln-Pyrmont den „Luxus Linienrichter“ in diesen Klassen noch leisten – man muss kein Orakel sein, um zu sagen: Das wird in nicht allzu ferner Zukunft die Vergangenheit sein.
Im September des letzten Jahres sollte ein Schiedsrichter-Anwärterlehrgang stattfinden, jedoch war nach zwei Terminen bereits Schluss. Schröder erklärt: „Unser Lehrwart Niklas-Kevin Schütte hat lediglich drei Anmeldungen aus Hameln-Pyrmont gezählt. Also haben wir beschlossen, dass wir unsere Lehrgänge mit den Holzmindenern zusammenlegen. Da waren immerhin vier Personen angemeldet. Als dann von diesen sieben beim zweiten Termin nur noch vier Leute da waren, haben wir den Lehrgang abgebrochen. Der Tenor bei vielen Lehrgängen ist darüber hinaus, dass die Anwärter nicht freiwillig da sind, sondern der Verein eben Schiedsrichter für die Quote brauche. Das ist besorgniserregend.“ Die Corona-Pandemie, verbale und teils körperliche Übergriffe gegenüber Schiedsrichtern, demografischer Wandel, Veränderungen des Berufslebens – die Gründe für den Mangel seien vielfältig. „Zumal die drei großen Hallenturniere in Hameln-Pyrmont jüngst alles andere als ein gutes Licht auf den Lokalfußball geworfen haben. Was da teilweise für eine Aggression in den Spielen steckt – man glaubt doch nicht ernsthaft, dass junge Menschen das sehen und sich denken: Jetzt möchte ich Schiedsrichter werden“, verdeutlicht Schröder.

Es fehle nicht nur an jungen Schiedsrichtern, vor allem im Bereich zwischen 30 und 50 Jahren gebe es ein Riesenloch. „Zu meiner Zeit hat man mit 30 als aktiver Spieler aufgehört und dann war die Schiedsrichterei für viele der logische Schritt. Heute spielen die meisten bis Ende 30, weil von unten zu wenig Spieler nachrücken. Der Mangel herrscht ja überall“, glaubt Schröder. „Außerdem ist die Verlässlichkeit eine andere geworden. Die Regel für eine Absage ist klar formuliert: Drei Tage vor Anpfiff ist mir die Absage telefonisch mitzuteilen. Immer häufiger erreicht mich am Morgen vor dem Spiel eine WhatsApp-Nachricht und es heißt: 'Ich kann nicht.' Auf eine Begründung wird oft verzichtet.“

Offiziell habe der NFV-Landkreis Hameln-Pyrmont zwar noch rund 125 Schiedsrichter. „Abzüglich der Funktionäre, die nicht aktiv als Schiedsrichter wirken, der passiven Schiedsrichter, der Jungschiedsrichter und der Schiedsrichter, die krank, beruflich verhindert und aus sonstigen Gründen ausfallen, habe ich an vielen Wochenenden nur noch 40 Unparteiische, mit denen Herren-, Frauen- und Jugendspielklassen besetzen werden müssen. Dazu kommen dann noch spontane Ausfälle“, so Schröder. „Ein konkretes Beispiel: Beim 1. Kreisklassen-Topspiel zwischen Hilligsfeld und Flegessen wollte ich nach Absprache mit dem Spielausschuss ein Gespann schicken. Als ich in die Liste der Verfügbaren geschaut habe, standen mir auf einmal nur eine Hand voll Schiedsrichter zur Verfügung, von denen einige aufgrund der Vereinszugehörigkeit gar nicht in Frage kamen. Am Ende musste ich ein Gespann aus Hannover anfordern. Das war an diesem Tag die einzige Ansetzung.“

Mit Konrad Voss, Maurice Wiewel oder Robert Pottkämper habe die pfeifende Zunft zwar sehr gute Männer dazugewonnen. „Aber jeder hat ja auch noch andere Verpflichtungen im Leben. Die paar neuen Schiedsrichter, die für uns pfeifen, können nicht die vielen alten Hasen, die wegfallen, ersetzen – obwohl sie fachlich und charakterlich tolle Menschen sind. Wir können nur appellieren, aber niemanden auffordern: Wer sich dem Fußball verbunden fühlt oder selbst Fußball gespielt hat, kann dieser Sportart als Schiedsrichter unglaublich viel Gutes tun“, unterstreicht Schröder. 
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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