27.01.2022 10:20

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Karriere mit 25 vorbei – aus einem Ende wird ein Anfang...

Aus einer vermeintlich simplen Trainingsverletzung entsteht eine mehrjährige Leidensgeschichte

Alexander Rehberg in seinem alten Element. Mittlerweile hat er seine Karriere beendet. Foto: TSV Havelse.
Alles ordnete er ihm unter, dem großen Traum von der Fußballkarriere. Und doch musste er ihn begraben. Alexander Rehberg spielte in der Jugend für den HSC BW Tündern und mit Hannover 96 sogar in der Jugend-Bundesliga. Anschließend wechselte er in der 96er U23, spielte dort zwei Jahre und wurde 2017 vom Regionalligisten TSV Havelse unter Vertrag genommen. Zu diesem Zeitpunkt war der talentierte Torhüter 21 Jahre alt. Noch während der Saisonvorbereitung wehrte Rehberg während einer Trainingseinheit einen strammen Schuss mit beiden Fäusten ab. Dabei knickte das Handgelenk um, sofort durchdrang ihn ein stechender Schmerz. Eine eingehende Untersuchung ergab nichts Wildes. „Ein MRT wurde gemacht und es wurde geröntgt. Der Befund war, dass ein unwichtiges Band in der Hand angerissen sei“,  erzählt Rehberg. „Ich bin von einer kurzen Pause ausgegangen und habe eine Schiene bekommen.“ Nach zwei, drei Wochen stieg er wieder ins Training ein. Die Schmerzen linderte er, in dem er seine Hand mit Tape fixierte. Die nie ganz abebbenden Warnsignale seines Körpers ignorierte er.
„Die Schmerzen waren fast noch schlimmer als vor der Operation“

„Es tat noch ein bisschen weh, aber ich habe mir dabei nichts gedacht. Ich war ein 21-jähriger junger Kerl, hatte Ambitionen. Also habe ich auf die Zähne gebissen und mich zwischen die Pfosten gestellt. Ich wurde von der Mannschaft gebraucht. Wenn jetzt darüber nachdenke, kommt mir meine damalige Einstellung etwas blauäugig vor, aber auch die gesundheitliche Betreuung war nicht optimal.“ Zwei Spielzeiten lang trotzte Rehberg den Schmerzen, spielte regelmäßig in der Regionalliga. Dann wurden die Qualen, denen er sich unterzog, unerträglich. „Es wurde immer schlimmer. Also bin ich erneut zum Spezialisten gegangen. Diesmal gab es eine klare Diagnose: Das SL-Band war gerissen.“ Das SL-Band, in seiner ausführlichen Form als skapholunäres Band bezeichnet, gehört zu den wichtigsten Bändern im menschlichen Handgelenk. Kommt es zu einer Ruptur und es erfolgt keine zeitnahe und ganzheitliche Behandlung, kann dies früher oder später zu einer Arthrose im Handgelenk führen. Einfach gesagt: Der Knorpel im Handgelenk baut sich zu schnell ab. „Dass das SL-Band gerissen war, war mir völlig neu. Ich wurde sofort operiert, die Hand wurde sechs Wochen lang in Gips eingehüllt. Anschließend gab es eine Reha und nach rund zwölf Wochen bin ich wieder ins Training eingestiegen“, erinnert sich Rehberg. Jedoch führte die Operation nicht zum gewünschten Ergebnis des Havelser Leistungssportlers. „Die Schmerzen waren fast noch schlimmer als vor der Operation. Aber ich habe auf die Zähne gebissen und mir parallel eine weitere ärztliche Meinung eingeholt.“ Es folgten eine erneute Arthroskopie, eine Nervenbehandlung und eine weitere Operation.

Karriereende mit nur 25 Jahren

„Aus dem Unterarm wurde eine Beugesehne entfernt und zwischen zwei Knochen im Handgelenk als SL-Bandersatz befestigt. Das Band hält bis heute, aber die Schmerzen sind ebenfalls bis heute da.“ Aufgegeben hatte Rehberg seine Karriere, seinen Traum, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Er ging häufig zu den Einheiten seiner Mannschaft, um den Anschluss zu halten. Darüber hinaus absolvierte er täglich zwei Reha-Einheiten. Doch die Schmerzen blieben. „Im Februar 2021 bin ich dann noch einmal zum Spezialisten gegangen. Es gab noch eine Arthroskopie und der Knorpel im Handgelenk wurde untersucht. Eine weitere Operation, in der der in Mitleidenschaft gezogene Knorpel abgeschürft wurde, war meine letzte Hoffnung.“ Doch die Schmerzen blieben. Und Rehberg sah sich mit der harten Realität konfrontiert: Karriereende mit nur 25 Jahren. Sein ganzes Leben hat er seiner Leidenschaft, dem Fußball, untergeordnet. Dass nun alles wegen einer im Training umgeknickten Hand vorbei sein sollte – ein Schlag ins Gesicht für den ambitionierten wie leidenschaftlichen Fänger. „Seit meiner Kindheit war alles auf Fußball ausgerichtet. Ich bin früh in den Leistungsbereich gerutscht und war dort bis zu dieser Verletzung und darüber hinaus aktiv. Das hat natürlich auch psychische Spuren hinterlassen. In dieser langen Zeit haben mir meine Freundin, meine Familie und Freunde sehr geholfen, das alles zu ertragen“, gesteht Rehberg.

Berufsausbildung stellt sich als zukunftsweisend heraus

Dass er nach seinem Wechsel nach Havelse eine Berufsausbildung begann, stellte sich letztlich als glücksbringend heraus. „Ich habe mir dadurch ein zweites Standbein aufgebaut und auch nach meiner Ausbildung in Vollzeitbeschäftigung gearbeitet. Das war natürlich eine willkommene Ablenkung zu meiner schwierigen sportlichen Situation und hat mir gezeigt, dass ich ohne Fußball nicht mit komplett leeren Händen dastehe. Dass ein Leben ohne Fußball möglich ist.“ Sein Vertrag wurde in Havelse nicht verlängert. Wie auch? Bis heute begleiten Rehberg die Schmerzen. Selbst im Alltag muss er sich einschränken. „Ich kann keine Liegeschütze mehr machen. Alles, was die Handgelenke belastet, beispielsweise Bankdrücken, werde ich wohl nie wieder machen können. An das Dasein als Torwart ist gar nicht mehr zu denken.“

Neue Träume

Angesichts dieses ihm aufgezwungenen neuen Lebensabschnitts fasste Rehberg einen Entschluss: Er möchte Erlebnisse nachholen, die ihm in seinem vergangenen Leben verwehrt wurden. „Ich möchte reisen, ich möchte die Welt sehen. Das war als Leistungssportler nie möglich, weil man nur in der Sommerpause eine kurze Unterbrechung hat – zu wenig Zeit, um den Sehnsüchten nachzugehen, die einen neben dem Fußball beschäftigen.“ Corona erschwere diesen neu gereiften Lebenswunsch zusätzlich. Doch er gebe ihm den nötigen Abstand zum Fußball. „Natürlich ist es schade, dass ich meine Karriere hinter mir lassen muss. Aber ich spüre auch viele Vorteile. Zum Beispiel sehe ich seit meinem Karriereende meine Familie viel häufiger. Bei Geburtstagen oder Feiern, die meistens am Wochenende stattfinden, kann ich jetzt dabei sein, anstatt mit meiner Mannschaft durch Norddeutschland zu touren. Ich versuche mich im Rahmen der Möglichkeiten fit zu halten, bin nach wie vor fußballbegeistert und häufig gucke ich mir Havelses Heimspiele an. Mit einigen bin ich noch eng befreundet. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich nie wieder Fußball spielen kann und denke, dass es mit der fortlaufenden Zeit noch besser wird. Wenn meine Freundin und ich genug gereist sind, möchte ich gerne einen Trainerschein machen und mich auf Torhüter spezialisieren. Ich möchte mein Wissen weitergeben. Wer weiß, wo einen das hinführt.“ Vielleicht führt es ihn ja zurück in den bezahlten Fußball. Rehberg selbst hätte es vor einigen Jahren wahrscheinlich nicht für möglich gehalten, dass er nun andere Träume verfolgt. Warum sollte es also nicht möglich sein, sich – in anderer Form – zurück zu den Wurzeln zu bewegen? Die Profitür ist zu. Doch haben sich dadurch andere geöffnet. 
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