22.06.2021 08:49

Meldung


Deutschland schießt CR7 & Co. ab – Schrader ist live im Stadion!

Ein Erlebnisbericht / „Oh, wie ist das schön…“

Carmen Schrader hatte Riesenglück - und genoss dieses Highlight in vollen Zügen.
Von Carmen Schrader

Alles begann im Frühjahr 2019, als von Roman eine Nachricht in unserer Laufgruppe mit langjährigen Freunden aus Bayern bei WhatsApp kam: „Wir haben Tickets für die Europameisterschaft 2020!" Die Freude war bei uns allen groß, denn live bei so einem Event dabei sein zu können, ist doch für jedermann ein wahrer Traum. Nach der Ticketzusage warteten wir gespannt auf die Auslosung der tatsächlichen Teilnehmer, denn bisher stand nur Spieltag und Spielort fest. Als dann die Hammergruppe ausgelost wurde und feststand, dass Portugal mit Cristiano Ronaldo an dem Spieltag unser Gegner sein würde, stieg die Vorfreude einmal mehr riesig an. Leider wurde die Euphorie im Frühjahr 2020 getrübt, als die Europameisterschaft coronabedingt abgesagt wurde. Mit Verlauf der Pandemie überschlugen sich die News in den Medien, dass die EM im Jahr 2021 nachgeholt werde. Allerdings war ganz eindeutig, dass Publikum bei den Spielen nicht zugelassen werde. Die Herren in unserer WhatsApp-Gruppe hatten immer ein wenig Hoffnung – wohingegen ich meine Teilnahme an einer EM schon von meiner „Bucket List“ strich.

Anfang April erhielten wir eine Mail von der UEFA mit der Bitte um eine Rückmeldung, ob wir weiterhin Interesse an den Tickets haben oder diese wegen der unklaren Situation um die Pandemie zurückgeben möchten. Da wir uns für Ersteres entschieden, erreichte uns eine weitere Mail von der UEFA. Es hieß, wenn die Inzidenzzahlen sinken und es die Regularien erlauben, dann wird es ein Losverfahren geben, bei diesem 14.000 Tickets von ursprünglich ca. 70.000 ausgewählt werden, um am Spiel Deutschland gegen Portugal teilnehmen zu können. Spätestens jetzt hat niemand von uns mehr mit so viel Glück gerechnet. Doch wir wurden überrascht: Ende Mai kam die Nachricht der UEFA, dass unsere Tickets ausgelost wurden. Nun galt es, dass Bayerns Hauptstadt ihr Okay gab. Tag für Tag starrten wir in unsere Postfächer, bevor vor rund zwei Wochen dann die Freigabe kam und uns klar wurde: „Yeah, wir werden tatsächlich Teil der Europameisterschaft, wir werden live im Stadion bei dem Spiel Deutschland gegen Portugal sein." Zusätzlich zur Bestätigung unserer Tickets erhielten wir die oberflächliche Information, dass es Auflagen bzgl. Corona geben wird. Wir scherzten in unserer WhatsApp-Gruppe noch herum, dass wir mit Maske im Stadion sitzen werden. Und tatsächlich sollte es so kommen. Eine Woche vor dem Spiel kam die Mail: FFP2-Maskenpflicht und Abstandsregularien im Stadion und offizielle PCR-Testung am Spieltag inkl. Datenübertragung in die Corona-Warn-App, feste Einlasszeitfenster und striktes Alkohol- und Rauchverbot.

Nachdem wir die Woche effektiv nutzten, um uns diverse Apps (z. B. Euro-Ticket-App der UEFA) zu laden, ein Parkticket zu bestellen und uns einen Maskenvorrat anzuschaffen, gestaltete sich die Terminierung der Testung etwas komplizierter. Sämtliche Teststationen um das Stadion herum waren restlos ausgebucht. Daniel und Jascha, die im Münchener Umland leben, ergatterten für uns Termine in einem naheliegenden Testzentrum. Somit war auch die letzte organisatorische Hürde genommen. Nun galt es nur noch den Trolley zu packen und früh genug am Freitag in den Feierabend zu gehen. Gegen 15 Uhr düsten wir los über die A7 nach München. Angekommen auf der Terrasse bei unseren Freunden wurde bei einem Kaltgetränk und selbstgemachten Burgern der Samstag zeitlich vorgeplant, bevor es ins Bett ging.

Der Wecker klingelte um 8 Uhr und nach einem Guten-Morgen-Kaffee starteten wir zur Teststation. Der junge Herr dort vor Ort war sehr freundlich und auch interessiert an unserem Vorhaben, als er uns die Stäbchen in die Nasenlöcher rammte. Nach rund 20 Minuten erhielten wir die negativen Ergebnisse, die direkt auf unserer Corona-Warn-App aufleuchteten. Auf dem Rückweg im Auto war es uns nun möglich, unsere in der UEFA-App hinterlegten Tickets für das Spiel zu personalisieren. Nach einem gemütlichen Frühstück streiften wir uns die Trikots über, packten unsere Powerbanks in die Taschen und fuhren los zur Allianz Arena. Mit unserem an der Scheibe angepinnten Parkticket ging das Einchecken auf P1 kinderleicht und die Stufen aufwärts zum Plateau vergingen wie im Flug. Mein Herz schlug vor Aufregung immer schneller. Angekommen vor der Allianz Arena machten wir noch das eine oder andere Foto. Hierbei wurden wir direkt von einem Volunteer angesprochen, der unsere negativen Testergebnisse sehen wollte. Wir erhielten hierfür ein oranges Armband, was uns zum Einlass zuließ. Auf dem Weg zum Eingang ins Stadion wurden wir von einem litauischen Sportberichterstatter abgefangen und um ein Interview zum polnischen Münchener Stürmerstar gebeten: „Lewandowski is a good player. We wish him and his team every success tonight.“  Dann schlug die Uhr 15 mal und unsere Einlasszeit begann. Nach dem körperlichen Abtasten folgte der Einsatz der UEFA-App. Ein Volunteer aktivierte mit einem Gerät auf meiner App mein Ticket, was sich binnen Sekunden in einen Barcode verwandelte, der mir den Einlass zum Stadion ermöglichte. Die Vorfreude wuchs immer mehr. Wir gingen direkt in den Block D 219 und schauten uns unsere Plätze an. Die Reihen waren durch rote Plastikbahnen coronabedingt gestaltet, jeder vierte Platz war frei. Es fühlte sich komisch an, so weit auseinander zu sitzen – wobei bei diesen Temperaturen dieser Platzaufteilung dann im Nachhinein doch einiges Positives zuzusprechen ist. Auf den Plätzen klemmten große Deutschland-Fahnen. Auch die Sicht auf das Spielfeld stimmte und man stellte sich sofort vor, wie es sei, wenn es im Tor vor einem einschlägt. Wir knipsten auch hier das eine oder andere Foto. Anschließend gingen wir noch ein Kaltgetränk trinken und eine Käsekrainer im Semmel speisen. Der Stadionmoderator heizte das Publikum an, ein DJ sorgte für musikalische Unterhaltung. Auf den Leinwänden im Stadion wurde die andere Partie der Gruppe F übertragen. Als Frankreich in Rückstand geriet, ertönte eine leichte Hoffnung durch die Allianz Arena. Regelmäßig wurden die Sitzreihen durch Stewards besucht, die auf die durchgängige FFP2-Maskenpflicht hinwiesen. Ich fühlte mich teilweise wie ein Straftäter von meiner Arbeitsstelle, als ich heimlich im Rücken der Mitarbeiter meine Maske abnahm, um durchatmen zu können.

Gegen 16.30 Uhr wurde die Anfahrt der beiden Mannschaftsbusse auf der Leinwand übertragen. Es kribbelte im gesamten Körper, zu wissen, dass es nun bald losgehen würde. Wir saßen wie stumm auf den Stühlen. Anspannung und Vorfreude waren bei jedem von uns zu sehen. Gegen 17.10 Uhr betrat zuerst das portugiesische Team, angeführt von Cristiano Ronaldo, anschließend unsere Mannschaft das Feld. Wurden zuerst vorsichtig Buh-Rufe nach Portugal geschickt, ertönten nachfolgend laut deutsche Fangesänge zum Schwenken von unzähligen Deutschland-Fahnen. Auf den Leinwänden lief ein Warm-up-Timer rückwärts, auf dem Rasen schwitzten die Spieler bei 35 Grad im Schatten. Ich erinnere mich noch, als ich beim Warm-up die ersten Schüsse auf das Tor gesehen habe. Entweder ging der Ball meterweit neben das Tor oder einer der drei deutschen Keeper hatte den Ball sicher. Ich sah in diesem Moment schon schwarz für deutsche Tore in der Partie.

Um 17.40 Uhr verließen die Spieler das Feld, Greenkeeper reparierten Gebrauchsspuren und viele junge Menschen in blauen Jogginganzügen versammelten sich um das Feld herum. Und plötzlich ging es los. Laute Musik ertönte, die Eröffnungszeremonie wurde gestaltet. Banner in Form von Trikots wurden auf dem Spielfeld geöffnet. Anschließend liefen die Nationalmannschaften nacheinander in das Stadion ein. Das Adrenalin riss mich von meinem Sitzplatz. Es war so aufregend und fühlte sich zugleich so unreal an. Ich sang laut die deutsche Nationalhymne mit. Es war ein wahrer Gänsehautmoment. Noch im anschließenden Jubel stellten sich die Spieler in ihre Formation und der Schiedsrichter pfiff die Partie an. Noch bevor ich mich bequem auf meinen Platz setzen konnte, näherten sich die Deutschen dem Strafraum der Portugiesen. Die Mannschaft wirkte auf mich wacher und aktiver, als noch vor wenigen Tagen gegen Frankreich. Und plötzlich gab es kein Halten mehr: Gosens hämmert den Ball ins Netz. Ich sprang auf, jubelte lauthals, schwenkte meine Deutschland-Fahne und lief die abgesperrten Sitze zu meinen Freunden herüber, um uns in die Arme zu nehmen und abzuklatschen. Dass das Tor wegen Abseits nicht zählte, war auf unserer Tribüne kaum zu spüren. Und auch auf dem Feld zeigte sich das Team um Müller sehr euphorisch. Mehrere sehenswerte Aktionen im Strafraum machten deutlich, dass sie kämpfen und siegen wollen.

Doch in der 15. Spielminute lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Einen Eckstoß nutzten die Portugiesen zum rasanten Konter und Cristiano Ronaldo schob den Ball zum 1:0 ins Netz. Das Spiel stand auf dem Kopf, denn eigentlich spielte bisher nur eine Mannschaft – die deutsche Nationalmannschaft. Hinter mir auf den Rängen wurde lauthals diskutiert, weshalb wir bei so vielen Versuchen einfach nicht treffen und CR7 einzig und alleine eine Chance benötigt. Um mich herum stand die Enttäuschung in die Gesichter geschrieben.

Doch auf dem Spielfeld war davon nichts zu spüren. Das deutsche Team presste und setzte Portugal immer wieder unter Druck. 1:1 – ich sprang auf und klatschte in die Hände. Der Ausgleich war geschafft. Ich war nervös. Wie wird Deutschland weiterspielen? Können sie weiter diese Leistungen bringen, können sie weiter so viel Druck aufbringen? Und schon war es passiert: Vier Minuten später schlug der Ball zum 2:1 im Netz ein. Ich jubelte, schwenkte meine Fahne und lief wieder die abgesperrten Sitze entlang, um meine Freunde in die Arme schließen zu können. Der Halbzeitpfiff ertönte. Ich nahm im Rücken der Stewards meine FFP2-Maske ab und atmete tief durch, so viel freudige Aufregung innerhalb weniger Minuten. In diesem Moment realisierte ich durch einen Blick auf die Leinwand, dass die deutschen Treffer durch Eigentore erzielt wurden. Die Halbzeit nutzten wir, um bei einem kühlen alkoholfreien Radler den Sturmlauf von Löws Mannschaft zu analysieren. Nur wenige Meter links von uns auf einem Balkon tat dies auch ganz offiziell Bastian Schweinsteiger als TV-Experte.

Nach dem Wiederanpfiff zeigte sich Deutschland weiterhin stark mit einer Drangphase, wobei Portugal diesmal mehr störte. Das Publikum war da, unterstützte unsere Mannschaft. Havertz! Tor! Ich sprang auf, jubele – Deutschland 3, Portugal 1. Ich freue mich wie ein kleines Kind, das gerade einen Lolli geschenkt bekommen hat. Das Team hat tatsächlich die Partie gedreht und endlich selbst das Tor getroffen.

Die nächste Situation, die ich ganz bewusst wahrnahm, fand in der 54. Minute statt. Freistoß für Portugal. Ich nahm binnen Sekunden mein Smartphone in die Hand und öffnete die Kamera. CR7, meine Mutter erklärte mir vor der Partie ganz „expertensicher“ diese Abkürzung, legte sich den Ball zurecht und nahm seine Freistoß-Pose ein. Da stand er nun: Cristiano Ronaldo, breitbeinig, mit den Händen in der Hüfte, ein verschwitztes und an seinen Muskeln klebendes Trikot, ein fokussierter Blick. Den Ball versenkte er nicht im Tor.

Die Spieler um Hummels zeigten sich im Vergleich zu mir eher unbeeindruckt von dieser Situation, pressten weiterhin auf Portugal ein. Gosens, Kopfball, Tor! Deutschland führt 4:1 gegen Portugal. Es fühlte sich an wie ein weiteres Sommermärchen. Das Stadion bebte. Ich sang lauthals mit „Oh, wie ist das schön…“ Dass Portugal wenige Minuten später den Rückstand verkürzte, änderte nichts an der ausgelassenen Stimmung. Im Block neben uns startete die erste Laola-Welle. Ich stand auf, riss die Arme nach oben. Die weiteren Minuten vergingen im Flug. Abpfiff – ich realisierte, dass die deutsche Nationalmannschaft gerade tatsächlich gewonnen hat. Ich jubelte, schwenkte die Fahne, lief die abgesperrten Sitze entlang, um meine Freunde in die Arme schließen zu können. Im Stadion wurde das deutsche Team gefeiert, wohingegen die portugiesischen Spieler größtenteils bereits das Feld verlassen hatten. Beachtlich fand ich, dass CR7 trotz der Niederlage nach Abpfiff sofort zu den portugiesischen Fans lief, sich für die Unterstützung bedankte und sein Trikot verschenkte. Ein aufrichtiger, toller Sportler! Insgesamt ist es ein Sieg, der in der Höhe und Verdientheit überraschend ausfiel. Nicht überraschend wurde  Gosens zum „Star of the match“ gekürt.

Nach dem Spiel ging es coronabedingt recht schnell zurück zum Auto und zu unseren Freunden nach Hause. Später schauten wir die Spielzusammenfassung im TV und ließen noch einmal gemeinsam dieses Highlight Revue passieren. Ich merkte, wie die Anspannung, die Aufregung, das Gefühlschaos im Spielverlauf von mir abfielen. Ich war platt, total K.O., so tief und fest hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen.

Am Sonntag fühlte sich alles so unreal an. War ich gestern tatsächlich bei einem EM-Spiel? Hat Deutschland wirklich gewonnen? Ich schaute mir meine Fotos und Videos an, bekam hierbei Gänsehaut. Mittags ging es zurück ins Weserbergland.
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