27.05.2020 08:37

Spiel meines Lebens - Teil 4


Manager-Legende Karnau: Erst H.O., jetzt Preußen - auf in die 3. Liga!

Das kasachische Experiment misslingt / Karnau sieht positiv in die lokale Fußball-Zukunft: „Potential gibt es im Weserbergland genug...“
Von Oliver Steffan

Im Mai 1988 klopft der TuS noch einmal ans Tor zur Oberliga. Gegen die Bundesliga-Profis von Borussia Mönchengladbach erreichen die TuS-Kicker kurz vor Saisonschluss in einem Freundschaftsspiel ein viel beachtetes und respektables 2:2. Als Tabellendritter erreichen die Nolte-Schützlinge nach einem 2:1-Arbeitssieg daheim gegen den SV Eintracht Nordhorn die Aufstiegsrunde zur dritten Liga – so scheint es. Der Einspruch der Hamelner Preußen bezüglich eines nicht spielberechtigten Einbecker Spielers in der Partie der 07er gegen Einbeck macht zwei Tage später alle Hoffnungen auf eine Rückkehr in Liga drei zunichte – Aufstiegschance dahin. Ein Jahr darauf steigt der TuS völlig überraschend und absolut unnötig aus der Verbandsliga ab…

„Dieser Abstieg war sowas von unnötig. Wir hatten eine ordentliche Mannschaft, es war in der Spielzeit 1988/89 einfach nur der Wurm drin. Zudem gab es einige Ungereimtheiten. So fuhr die Truppe mitten im Abstiegskampf auf Mannschaftsfahrt. Viele nahmen die Sache auf die leichte Schulter, irgendwie sollte es wohl gehen, glaubte ein jeder“, trauert der langjährige Manager dem 89er-Abstieg noch heute hinterher. In der Saison 1989/90 stürmt der TuS zur Herbstmeisterschaft in der Landesliga, verkrückt die Rückserie jedoch komplett. Als der TuS dann immer weniger Chancen hat, wieder an alte Zeiten anzuknüpfen, beendet Arno Karnau nach der Saison 1990/91, Trainer Uwe Cording führt die Oldendorfer auf Rang vier in der Landesliga, sein Engagement beim TuS. Im Oktober 1991 wird Karnau aufgrund seiner langjährigen Verdienste für den TuS zum Ehrenmitglied ernannt.

Die Verantwortlichen bei den Hamelner Preußen wissen natürlich genauestens, welch „goldenes Händchen“ der langjährige TuS-Manager schon seit ewigen Zeiten bewiesen hat, schätzen seine Arbeit und unterbreiten dem inzwischen 59-Jährigen im Frühjahr 1992 ein verlockendes Angebot. Fairerweise unterrichtet er, bevor in Hameln zusagt, seine alten Vorstandkollegen beim TuS von seinem Vorhaben, bei den Preußen als Manager zu arbeiten. „Die Anfrage kam damals zwar überraschend, aber als Präsident Strüver seine Vorstellungen auf den Tisch legte, stimmte ich sofort zu. Meine Kompetenzen waren klar umrissen und so kann ich arbeiten“, erzählt der neue starke Mann in Hameln, sodass sich die Ehrenmänner schnell einig werden.

Preußen Hameln 07 - Saison 1992 1993
Preußen Hameln 1992/93. Vordere Reihe v.li.: Ralf Scheler, Thorsten Lorenz, Matthias Hanses, Christoph Hanses, Ludwig Castaldo, Kai Oswald, Anthony Brown, Stefan Eidinger. Mittlere Reihe v.li.: Betreuer Charly Schaper, Manager Arno Karnau, Betreuer Klaus Pusch, Jens Bönning, Dirk Schumachers, Thomas Stöck, Ansgar Stelzer, Ralf Fehrmann, Enrico Borghese, Tobias Kießlich, Trainer Uwe Cording, Co-Trainer Klaus Kipke. Vordere Reihe v.li.: Betreuer Jens Schmidt, Bernd Dierßen, Matthias Jahn, Siegfried Motzner, Uwe Quindt, Marks Wysocki, Physiotherapeut Thomas Schmittler.
Karnau, dann ab dem 1. April 1992 im Amt, hilft, die sich in höchster Abstiegsnot befindlichen 07er noch vor dem Abstieg zu retten. Vor der Saison 1992/93 gelingen dem gewieften Fußball-Experten in Absprache mit Trainer Cording und Präsident Karl Strüver wichtige Neuverpflichtungen. Wildert der Oldendorfer über Jahre bevorzugt im Revier der Preußen, so bedient sich Karnau als Preußen-Manager jetzt beim TuS und reißt die Defensiv-Achse der Grün-Weißen auseinander, indem er mit Torhüter Uwe Quindt, den Manndeckern Jens Bönning und Enrico Borghese sowie Mannschaftsführer Ralf Fehrmann vier Eckpfeiler des Nachbarn verpflichtet. Zudem stoßen mit Knipser Ludwig „Locke“ Castaldo vom FC Stadthagen, den blutjungen Tobias Kießlich (Hannover 96 A-Jugend) und Markus Wysocki, FC Stern Misburg, dem ehemaligen 96-Stürmer, jetzt ASC Nienburg, Stefan Eidinger und vom Zweitligisten SV Meppen, Christoph Hanses, weitere Granaten dazu.

Eine „Zittersaison“ wie im Jahr davor wollen die Hamelner unter allen Umständen vermeiden. Doch es kommt ganz anders. Preußen nistet sich von Saisonbeginn an oben ein und belegt zum Schluss Rang zwei, der für die Relegation in Richtung Amateur-Oberliga reicht. In der dritten Aufstiegsrunde, die er im Mai/Juni 1993 mit der Mannschaft bestreiten wird, schafft Arno Karnau zum dritten Mal den Triumph. Nach den Erfolgen mit dem TuS 1978, Aufstieg in Liga vier, und 1982, Aufstieg in Liga drei, geht es auch mit den Preußen im Sommer 1993 zurück in die Amateur-Oberliga, der dritthöchsten Klasse in Deutschland.

Arno Kranau im Jahr 1993
Arno Kranau im Jahr 1993. Foto: Rolf-Henning Schnell.
Nach schwachem Start in die Saison 1993/94 stehen Trainer Uwe Cording und Manager Arno Karnau unter Druck. Irgendetwas muss passieren beim Hamelner Drittligisten. Die kasachischen Profis vom FC Alma Ata sollen es richten: Mit Klimow, Masudow, Koscherberganov, Ogaj und Pasko stoßen fünf Kicker aus dem Osten in der Saison hinzu, es soll aber dennoch nicht klappen.

Nach dem Drittliga-Abstieg verpflichtet Karnau mit Trainer Holm Mauritz „seinen“ Keeper aus besten Oldendorfer Tagen. Doch auch Mauritz kann das drohende Unglück nicht verhindern. Wie schon in den Jahren 1980 und 1981 muss der Hamelner Traditionsverein auch 1994 und 1995 zwei Abstiege aus der dritten in die vierte und von der vierten in die fünfte Liga hinnehmen. Am letzten Spieltag der Saison 1994/95 versucht Mauritz alles, sollen zwei alte Recken, der 33-jährige Kai Taylor und der bereits 40-jährige Roland Giehr, die Kastanien aus dem Feuer holen – vergeblich. Mauritz gibt auch in der Saison 1995/96 sein Bestes, doch als die Preußen in Not geraten und der dritte Abstieg in Folge droht, muss Manager Karnau handeln und installiert zuerst Michael Krüger und nach dessen Abgang den Coach der Reserve, Frank Illge, als neuen Mann.
Manager Karnau reist weiterhin im Schaumburger Land umher, um neue Spieler zu rekrutieren, kann u.a. Roland Blaume, Nico Felix, Mario Schünemann, Andy Paker, den aus Hannover nach Deckbergen zugezogenen Denis Reinhardt und „Tom“ Müller vom HSC Hannover gewinnen. Aus dem Hamelner Raum stoßen der Ex-Preuße Hendrik Hauschild von BW Tündern zurückkehrend, Georg Raeder, Jens Kästel, Lutz Klingen, Mario Reinhold, Frank Jürgens, „Kalle“ Kruse, Igor Zilic, Torsten Steinert, Dursun Yilmaz oder auch Sören Koss in jenen Jahren zu den Preußen.

Frank Illge schafft den Klassenerhalt, muss aber dann im März 1998 nach einer Niederlagen-Serie seinen Stuhl räumen, Altmeister Norbert Irtel schafft mit den Hamelnern dann noch die Rettung.

Manager Karnau macht Schluss
Manager Karnau macht Schluss. Foto: Rolf-Henning Schnell.
Und auch bei den Preußen gelingt es Karnau einen hochattraktiven Freundschaftsspiel-Gegner zu engagieren. Am 22. Mai 1998 tritt der Hamburger SV im Weserbergland-Stadion gegen eine hoch motivierte 07-Elf an. Beim 10:1-Erfolg des Bundesligisten vor 2.500 Zuschauern zeigt HSV-Jungstar Hassan Salihamidzic sein ganzes Können. Hendrik Hauschild erzielt das Hamelner Ehrentor. Zur Spielzeit 1998/99 kommt mit dem ehemaligen Zweitliga-Profi Peter Koptula ein neuer Trainer, ein hoch kompetenter und angesehener Fachmann der niedersächsischen Fußballszene, der seine Fähigkeiten vor allem beim Viertligisten VfR Osterode unter Beweis gestellt hat. Sportlich befindet sich die Koptula-Elf jedoch spätestens seit Herbst 1998 auf Talfahrt, finanziell sieht es bei den Hamelnern alles andere als rosig aus und so sieht Karnau keine Perspektiven mehr, bei den Preußen etwas zu bewegen. Vier Wochen nach dem überraschenden Rücktritt von Präsident Karl Strüver erklärt Arno Karnau am 24. März 1999 seinen Rücktritt vom Manager-Posten: „Bei allem Verständnis für das Konzept, den Verein zu entschulden, sind die sportlichen Belange zu sehr in den Hintergrund getreten“, erklärt Karnau seinen Entschluss, die Brocken hinzuwerfen. „In den letzten Jahren bei den Preußen war die Zahl derer, die kamen und gingen beträchtlich. Wir hatten praktisch alle zwei Jahre eine neue Mannschaft. Von der 93er-Aufstiegstruppe war fünf Jahre später Kai Oswald beispielsweise der letzte verbliebene Akteur“, nennt Arno Karnau einen weiteren Grund für die sportliche Stagnation in den endenden 90er Jahren.

Arno Karnau wird 80
Arno Karnau wird 80 Jahre alt.
Nach insgesamt knapp 30 Jahren als „Macher“ bei den unter seiner Ägide von der 2. Kreisklasse bis in die 3. Liga stoßenden Hessisch Oldendorfern und den Hamelner Preußen, Hunderten von Vertragsgesprächen mit Spielern und Trainern, zig Tausenden von zurückgelegten Kilometern für seine Vereine genießt die Manager-Legende seither den fußballerischen Ruhestand. „Der Unterschied zwischen meiner Zeit beim TuS und den Preußen-Jahren ist ganz einfach: Wir haben in Oldendorf bei Null begonnen, mussten die ganzen Strukturen aufbauen – das waren echte 'Gründerjahre'. In Hameln gab es diese Strukturen bereits, ein Stadion, das fünfstellige Besucherzahlen zugelassen hätte, einen Vorstand, bei dem die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt war – bei 07 konnte ich mich voll und ganz auf mein Kerngeschäft konzentrieren, wurden mir viele andere Arbeiten abgenommen. Zu Präsident Karl Strüver hatte und habe ich ein enges Verhältnis und auch als ich bei den Hamelnern meine Tätigkeit beendet habe, sind meine Frau und ich mit der Familie Strüver befreundet geblieben – bis heute“, hat Arno Karnau auch heute noch durchaus positive Erinnerungen an seinen letzten großen Verein. Rüstig und weiterhin mit messerscharfem Verstand blättert der 86-Jährige von Zeit zu Zeit in den Mappen und Ordnern der erfolgreichen Zeiten, hat so manche Geschichte zu erzählen und eine durchaus positive Zukunftsperspektive und eine zuversichtliche Prognose: „Sollten die heimischen Vereine alle an einem Strang ziehen, die Führung kluge Entscheidungen treffen, so wäre hier auch auf Sicht höherklassiger Fußball möglich. Denn Potential gibt es im Weserbergland genug...“

Noch immer aktiv und das Fußballgeschehen im Blick - Arno Karnau im Mai 2020
Noch immer aktiv und das Fußballgeschehen im Blick - Arno Karnau im Mai 2020.


Zu Teil 1:

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