31.05.2020 11:33

Spiel meines Lebens - Teil 1


„Meister-Meyer“: Fußball in Hameln-Pyrmont ohne Stephan Meyer? Undenkbar!

Meyer ist einer der ganze wenigen lokalen „Kaisertrainer" / Er ist so beliebt wie berüchtigt
MTSV Aerzen 1987/88
MTSV Aerzens Meistermannschaft 1987/88: O.v.li.: Trainer Wilhelm Kersting, Uwe Filla, Heiko Reckemeyer, Andreas Böhm, Ingo Wallat, Karsten Hoppe, Dirk Hönerbach, Harald Moch, Olaf Ossenkopp, Holger von Conradi, Kult-Betreuer Günther Opitz, Manager Helmut Dreier. U.v.li.: Detlef Stoll, Lutz Reckemeyer, Achim von Conradi, Roman Rischmüller, Detlef Gaulke, Jörg Pröhl, Stephan Meyer.
Hameln-Pyrmonts Fußball ohne Stephan Meyer? Unvorstellbar. Er ist so beliebt wie berüchtigt, bestückt mit einer klaren Meinung, geht keinem verbalen Scharmützel aus dem Weg – aber auch keinem Späßchen. Seit den frühen 80er Jahren bereichert Meyer den lokalen Fußball, erst als Spieler, dann als Trainer, feiert unzählige Erfolge. So gehört er zu den ganz wenigen „Kaisertrainern“ des Landkreises – Kreismeister als Spieler und als Trainer. „Ein einziges Spiel des Lebens“, sagt er, „kann ich gar nicht haben. Dazu waren es einfach zu viele Momente, zu viele Eindrücke. Gerade die Zeiten, als ich noch Spieler war, habe ich gar nicht mehr so präsent im Kopf.“

Stephan Meyer Aerzen Andreas Jürgens Reher
Rehers Andreas Jürgens (li.) und Aerzens Stephan Meyer im Zweikampf.
Sein Weg als aktiver Spieler ist untrennbar mit seinem Heimatverein verbunden: dem MTSV Aerzen. „Ich habe in Aerzen meine komplette Jugend verbracht. In der A-Jugend habe ich ein Jahr bei Preußen Hameln in der Niedersachsenliga gespielt, wollte meine Grenzen ausloten. Ich habe in diesem Jahr aber gemerkt, dass es für Aufgaben in dieser Höhe nicht reicht“, erzählt Meyer, der vor allem seine nicht allzu üppig ausgefallene Körpergröße als den entscheidenden Faktor ausmacht: „Ich war zu klein. Mein Konkurrent im Sturm war Ingo Müller, schon zu A-Jugend-Zeiten knapp zwei Meter groß und ein doppelt so breites Kreuz. Diese Zeit habe ich als 'nicht bestanden' abgehakt. Ich kann mich zum Beispiel noch an eine Situation erinnern, als unser damaliger Trainer Frank Nowak in einem Spiel gegen Herford im Weserberglandstadion zu mir in der 3. Minute gesagt hat: 'Stephan, mach dich warm.' In der 85. Minute meinte er dann: 'Kannst aufhören.' Wenn ich das heute mit einem Spieler machen würde, würde er mir nachts auflauern (lacht).“ Eine kleine Genugtuung gibt es aber für Meyer, der lachend zum Besten gibt: „Ich bin immerhin stolz, dass Manfred Lentge (heute Herrenkoordinator bei BW Tündern, Anm.d.Red.) bei den Waldläufen das eine oder andere Mal der Erste war, der gebrochen hat und nicht ich.“

Also zurück nach Aerzen und von dort in die Herren – 1983 geht’s für den 18-jährigen „Bub“ Meyer zu den Großen, noch allerdings in der Kreisklasse. „Ohnehin sind die ersten beiden Jahre nicht unbedingt nennenswert. So richtig konnte ich erst ab der Saison 1985/86 Fuß fassen“, erklärt Meyer. Beim Kreisliga-Aufstieg in der Saison 1983/84 unter Trainer Rudi Brandt gibt es (noch) andere Protagonisten, beim direkten Wiederabstieg 1984/85 ebenfalls.

Die Rückkehr ins Kreisoberhaus gelingt den Hummetalern schließlich unter Trainer Wilhelm Kersting in der Saison 1986/87 – und was in der darauffolgenden Spielzeit passiert, überrascht die gesamte heimische Fußballgemeinde. Erfrischend angriffslustig, attraktiv, erfolgreich – so präsentiert sich der MTSV unter Kersting, bestückt mit zahlreichen Klasse-Kickern. Darunter: Keeper Roman Rischmüller, die starken Innenverteidiger Heiko Reckemeyer und Uwe Fille, der vielseitig einsetzbare Dirk Hönerbach, die gefährlichen Brüder Achim und Holger von Conradi, Spielmacher Lutz Reckemeyer, Abräumer Karsten Hoppe, der kreative Olad Ossenkopp, Torjäger Ingo Wallat, Alleskönner Andreas Böhm – und der umtriebige Stephan Meyer. Gerade einmal 16 Spieler zählt der Kader von Kersting, aus heutiger Sicht unvorstellbar. Unvorstellbar sind auch die Rahmenbedingungen: Trikots bekommen die Spieler vom Verein, Hosen und Stutzen sind selbst zu kaufen. „Zum Vergleich: In dieser Saison in Emmerthal habe ich in der Hinserie schon 23 Spieler eingesetzt. Das waren einfach andere Zeiten. Vielleicht waren wir weniger verletzungsanfällig, vielleicht hatten wir eine andere Einstellung zum Fußball, vielleicht war es auch das 'Heilwasser' in der 'Sumpfblume', das uns am Abend davor für das Spiel fit gemacht hat“, lacht Meyer.

Aerzen eilt von Sieg zu Sieg, mausert sich zu einem ernsthaften Titelkandidaten, der sogar dem großen Favoriten aus Bad Pyrmont die Stirn bieten kann. Am sechsten Spieltag gibt es das Aufeinandertreffen zwischen „David und Goliath“, hunderte Zuschauer strömen in das Aerzener Stadion am Veilchenberg, um sich das Spektakel zwischen dem MTSV und den Kurstädtern anzuschauen – und werden Zeuge einer Riesenüberraschung. Aerzen spielt, Bad Pyrmont schaut überrascht zu, bekommt laut Aerzens Pressesprecher Günter Opitz „keinen Fuß auf den Boden“. Bereits nach 24 Minuten führen die eiskalten Aerzener 3:0. Die Torschützen: Ingo Wallat, Stephan Meyer und Lutz Reckemeyer. Meyer erinnert sich an den wichtigen wie für ihn kuriosen Treffer: „Ich habe eines meiner wenigen Kopfballtore erzielt. Die Flanke kam eigentlich viel zu tief, ist vorher noch vom Boden wieder hoch geprallt und ich habe den Ball mit einem Flugkopfball versenkt. Für einen Spieler meiner Größe hatte die Flanke genau die richtige Höhe (lacht). Das ist einer der wenigen Momente in meiner Laufbahn als aktiver Fußballer, die mir bis heute präsent sind. Vielleicht war das als Spieler mein Spiel des Lebens.“

Es folgt noch ein Derbysieg gegen Reher vor 500 Zuschauern (2:0, Tore: Stefan Scholz, Ingo Wallat), Aerzen marschiert in der Kreisliga vorweg, kassiert in der gesamten Saison nur zwei Niederlagen. Selbst im Rückspiel gegen die Spielvereinigung am 21. Februar 1988 ist Aerzen zu gut, siegt dank Andreas Böhm, Elfmeterschütze Roman Rischmüller und Holger von Conradi 3:1. Am Ende steht die Meisterschaft, 51:9 Punkte und 95:32 Tore sind die Bilanz gegenüber Pyrmont, die mit 46:14 Punkten sowie 108:38 Toren den Kürzeren ziehen.

„In der Bezirksklasse war der Wind dann wesentlich rauer. Wir haben einmal die Klasse gehalten, sind im zweiten Jahr dann aber wieder in die Kreisliga abgestiegen. Wie heißt es so schön: zu gut für die Kreisliga, aber nicht gut genug für die Bezirksklasse“, meint Meyer, der mit Aerzen ab der Saison 1990/91 wieder in der Kreisliga mitmischt, jedoch nicht mehr ganz oben anklopft.

MTSV Aerzen 1994/95
MTSV Aerzen 1994/95. O.v.li.: Trainer Horst Häder, Günter Opitz, Fr. Thielmann, Andreas Schmidt, Willi Gurgel, Frank Danull, Karsten Hoppe, Martin Schmidt, Andreas Böhm, Holger von Conradi, Manager Helmut Dreier, Klaus Thielmann. U.v.li.: Jörg Pröhl, Achim von Conradi, Dave Yates, Jörn Waczynski, Stefan Scholz, Detlef Stoll, Stephan Meyer, Norman Bryant.
Und bald gesellt sich auch noch das Verletzungspech hinzu. Diagnose: Kreuzbandriss. „Mit 27 war das Knie kaputt. Danach habe ich es noch einmal versucht, aber es ging nicht mehr. Ich war dann Spielertrainer bei Aerzen II, weil sie keinen anderen gefunden haben. Mit Teilzeiteinsätzen war es noch möglich, ein wenig Fußball zu spielen“, so Meyer. Dass sich die Entscheidung, Trainer zu werden, als goldrichtig herausstellen wird, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht...

Am Mittwoch lest Ihr: Meister-Meyer – mit Thal in die Kreisliga, mit Aerzen und Hagen in die Bezirksliga.

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