12.07.2020 08:21

Spiel meines Lebens - Teil 1


„Paule“ Hauschild lehnt 96-Angebot ab: „Spiele lieber Fußball als Handball“

Kaum einer feiert mehr Erfolge in Hameln-Pyrmont / Die regionale Fußball-Legende im Portrait
Von Oliver Steffan

Mit Fug und Recht kann man „Paule“ Hauschild als Straßenfußballer im besten Sinne bezeichnen. Mit großartiger Technik setzt der Mittelfeldspieler bei den in den 60er- und 70er-Jahren dominierenden Clubs im Landkreis Hameln-Pyrmont, den Hamelner Preußen und der Spielvereinigung Bad Pyrmont Akzente, zeichnet sich als treffsicherer Schütze aus, sorgt beim aufstrebenden TuS Hessisch Oldendorf für die nötigen Glanzpunkte, steigt mit den 07ern in die dritte Liga auf und erringt später auch als Trainer beachtliche Erfolge. Wohl kaum ein anderer Fußballer dieser Region dürfte mehr Pokalsiege, Meisterschaften und Aufstiege mit seinen Teams errungen und gefeiert haben als der inzwischen 72-jährige Hamelner.

Preußen Hameln A-Jugend 1963
Die erfolgreiche A-Jugend von Preußen Hameln 07 – Bezirksjugend-Sonderklasse Hannover. Gegner waren u.a. Hannover 96, Arminia Hannover. Die Mannschaft von 1963: Obere Reihe v. l.: Trainer Kühne, Roloff, Bolte, Wenthe, Pinkenburg, Stolpe, König, Drespe, Betreuer Wenthe. Untere Reihe v.l.: Theophil, Hauschild, Kindermann, Röpke, Weber. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
Bei seinen Preußen, noch im alten Bürgergarten, macht der Rechtsfuß elfjährig in der 7er-Knaben die ersten fußballerischen Schritte, durchläuft alle Jugendmannschaften der 07er. Auch damals schon im Junioren-Alter gibt es die ersten Meisterschaften zu feiern, zählen Spiele gegen Arminia Hannover oder Eintracht Braunschweig zu den Highlights in der Punktspiel-Runde. Günthers erstklassige Leistungen werden dann auch honoriert. Nach seiner Berufung in die Kreisauswahl folgen dann Einladungen im B- und A-Jugendalter in die Niedersachsen-Auswahl: „Beim Training der Landes-Auswahl war ich mehrfach dabei, wenn es um die Spiele oder dann auch die Turniere um die deutschen Meisterschaften ging, wurden fast ausschließlich Spieler von 96, Arminia oder Eintracht Braunschweig nominiert“, sieht „Paule“ die Akteure der großen Vereine bevorzugt, „aber es war schon okay so.“

Bereits als Jugendspieler streift „Paule“ 1965 im Alter von 17 Jahren erstmals das Herren-Trikot für seine Preußen in der damaligen Verbandsliga Süd über. Hauschild gilt als größtes Talent im Nachwuchsbereich der heimischen Region und debütiert unter Trainer Siegfried König beim 1:1 der Preußen in der Startaufstellung gegen den HSC Hannover: „Wie das so üblich war, habe ich mich erst mal ganz ruhig verhalten, die Klappe gehalten und mich hinten angestellt, da stand ich mit Spielern auf dem Platz, zu denen ich sonst schüchtern und ehrfürchtig hochgeschaut habe“, erzählt der Mann mit der feinen Technik.

Hameln Auswahl Stoke City 1966
Hameln-Auswahl in Stoke, England – April 1966. Hintere Reihe v.l.: Kurt Hauschild, Hagen Dirtz, Kalle Krupski, Peter Kindermann. Stanley Matthews, Offizieller von Stoke, Klaus Theophil, Offizieller von Stoke, Horst Ellebracht, Busfahrer Kollmann, Ratsherr Heinz Mensing. Vordere Reihe v.l.: .: “Bollex“ Bolte, Hansi Kotzian, Günther Hauschild, Rolf-Jürgen Weber, Heinz-Rainer Ehlerding, Jürgen Klapper, Günther König. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
„Der Höhepunkt in meiner Zeit als junger Spieler war jedoch unsere England-Tour mit einer Hamelner Auswahl im April 1966. Wir spielten gegen Stoke City, den englischen Traditionsverein, und trafen sogar einen der besten Fußballer aller Zeiten: Stan Matthews, der allein für Stoke weit über 300 Punktspiele bestritt.“ Als erster Fußballer erhält der Rechtsaußen 1956 die Auszeichnung als „Europas Fußballer des Jahres“. Als „lebende Legende“ gefeiert, dauert seine aktive Karriere 35 Jahre lang, ehe er im Alter von 50 Jahren 1965 sein letztes Pflichtspiel bestreitet. „Mein alter Herr, der die Fahrt organisiert hat und der 07-Vorsitzende Heinz Mensing begleiteten unsere Tour, nahmen offizielle Einladungen mit den Stadt-Oberen wahr und vertraten überdies die Stadt Hameln in England. Wir durften sogar gegen die Stoke-Profis im Stadion antreten, das war großartig. Die Pampe, wie man sich das in Deutschland so vorstellt, stand gefühlt einen halben Meter auf dem Platz. Das hat uns aber nichts ausgemacht, wir haben uns unbändig gefreut, auf 'heiligem englischen Rasen' spielen zu dürfen. Mein Vater Kurt und 07-Boss Heinz Mensing organisierten die Fahrt im Rahmen der Städtepartnerschaft. Wir sind mit einem Kleinbus, einem alten Borgward für drei Tage rüber, es war ein echtes Abenteuer. Und wie es sich gehört, hat der Motor auf der Rückfahrt in Belgien schlappgemacht und wir haben den Kleinbus bei strömendem Regen auf der Autobahn kilometerweit geschoben, bis wir zu einer Raststätte kamen, wo der Motor dann notdürftig geflickt wurde und wir weiterfahren konnten“, hat Günther die Geschehnisse rund um die Fahrt auf die Insel noch immer präsent.

Die Hameln-Auswahl auf England-Tour
Die Hameln-Auswahl auf England-Tour.
Nach dem gelungenen Start bei den Senioren in Hameln verschlägt es den Mittelfeldspieler zur Saison 1967/68, als ein attraktives Angebot ins Haus flattert, zum Liga-Konkurrenten, der Spielvereinigung Bad Pyrmont: „Martin Beyer, der Boss in Bad Pyrmont, hat dafür gesorgt, dass wir eine gute Truppe beisammen hatten. Gerd Brandau im Tor, 'Rolli' Schünemann, 'Macker' Weber, 'Kalle' Dohme, wir waren stark besetzt. Wenn wir mit den Jungs nach Erfolgen abends loszogen, dann machten Gerd Brandau und Ewald 'Pusi' Lassak, der nicht nur ein ordentlicher Kicker, sondern auch ein hervorragender Boxer war, den Weg frei. Egal, wo wir hinkamen und wie voll es war, ein Tisch wurde uns immer zugewiesen“, berichtet „Paule“ lachend.

„In Pyrmont bekam ich auch meinen Spitznamen. Wir spielten zu Beginn des Trainings das berühmte 'Gammeleck' und Reinhard Hentrich, der stets einen Spruch drauf hatte, meinte, als es um die Mitte ging, nur: 'Paule geht rein'. Klar war, dass er mich meinte, ich ging automatisch rein und hatte meinen Namen weg.“

Stoke City Hameln-Auswahl 1966 Aufstellungen
Die Aufstellungen von Stoke City und der Hameln-Auswahl im Jahr 1996.
Ein Jahr kickt der 20-Jährige in der Kurstadt, dann heißt es für ihn wieder nach Hameln zurückzukehren. „Paules“ starke Leistungen sprechen sich herum und so verwundert es nicht, dass sich auch überregional erfolgreiche Vereine für ihn interessieren: „Eine besondere Ehre war für mich die Einladung von Hannover 96 im Sommer 1969 zum Probetraining durch den damaligen Trainer Zlatko 'Tschick' Čajkovski, der 1962 mit dem 1. FC Köln Deutscher Meister und 1967 mit den Bayern  Europapokalsieger wurde. Als die 96-Amateure beim Punktspiel in Hameln gegen uns spielten, fiel ich dem Amateur-Trainer auf und Čajkovski ließ ausrichten, dass er mich in Hannover genauer unter die Lupe nehmen wollte. Ich durfte mit Jupp Heynckes, Josip Skoblar, Zvezdan 'Zick-Zack' Cebinak, Rainer Zobel, Hans Siemensmeyer, Rainer Stiller, den ich von der Niedersachsen-Auswahl kannte, und vielen anderen Assen in einer Mannschaft trainieren. Rainer Stiller habe ich Jahre später dann erneut getroffen, als wir in Barsinghausen unsere A-Lizenz machten. Das Training bei den 'Roten' war eine einzige Farce, die Jungs haben mich überhaupt nicht ernst genommen, ich wurde nicht angespielt, durfte drei Einwürfe machen. Die etablierten Spieler wollten natürlich nicht, dass ein Fremder gut aussah, es ging ja schließlich auch um ihren eigenen Platz, wenn ein Neuer hinzugekommen wäre. Nach dem vierten Einwurf, den ich ausführen durfte, bin ich dann in die Kabine gegangen. Kurz bevor ich nach Hause fahren wollte, erhielt ich noch einen Umschlag mit ordentlichen Spesen und das Angebot als Vertragsamateur zu unterschreiben, ich lehnte jedoch mit den Worten 'Ich möchte weiter Fußball spielen, Handball liegt mir nicht so', ab. “

Der Hamelner Jung bleibt den 07ern treu und spielt eine starke Saison. Am Ende der Serie 1969/70 holen die Hamelner Preußen die Meisterschaft in der Verbandsliga Süd  und nehmen an der Aufstiegsrunde zur Landesliga teil. Trainiert werden die 07er von Werner Müller, dem Kapitän der Meistermannschaft von Hannover 96 im Jahr 1954. Die Aufstiegsrunde zur Landesliga im Mai/Juni 1970 verläuft dann jedoch anders als von den Hamelnern erhofft und geplant. Nach vier von sechs Spielen und einem klassischen Fehlstart haben die Preußen bei 2:6 Punkten schon keine Chance mehr auf den Aufstieg. Unbeschwert spielen die Mannen um Kapitän „Kalle“ Dohme in den abschließenden beiden Spielen, Hauschild absolviert alle sechs Begegnungen, groß auf. Mit zwei Siegen, einem 3:0-Erfolg bei Roland Delmenhorst und einem 4:1-Sieg über Kickers Emden, Günther Hauschild trifft in beiden Partien, schließen die Müller-Schützlinge als Tabellendritter mit 6:6 Zählern hinter den Sportfreunden Salzgitter (9:3 Punkte) und Kickers Emden (7:5 Punkt), die beide aufsteigen, als Dritter vor Roland Delmenhorst die Aufstiegsrunde ab.

„In Emden wurden wir verpfiffen. Das war aber durchaus üblich, wenn man Richtung Küste unterwegs war, ob in Emden, später in Esens, Aurich, Wilhelmshaven – da konnten wir selten etwas mitnehmen, die Schiedsrichter entschieden wie sie wollten. Harald Bengsch, unser Keeper in Hameln, hat in Esens Jahre später einen indirekten Freistoß ins Tor rollen lassen, da er direkt verwandelt wurde. Der Schiri gab das Tor, der Linienrichter hatte angeblich nichts gesehen, wir hätten um ein Haar das Spielfeld verlassen“, ist „Paule“ noch heute erbost über die Ungerechtigkeiten, wenn Fahrten gen Norden anstehen.

Willi Röpke schreibt in der DeWeZet vom 15. Juni 1970: „Hauschild krönte seine starke Leistung an diesem Tag in der 83. Minute durch einen 30 Meter-Flachschuss zum 4:1. Schade, schade, denn dieser Erfolg bewirkt leider nichts mehr. Nur die Hälfte dieser spielerischen Konzentration, nur die Hälfte dieses Schwungs im Heimspiel gegen Salzgitter und die Abschlusstabelle dieser Aufstiegsrunde würde sicher ganz anders aussehen…“

Mittwoch lest Ihr: Hauschild und seine Preußen schaffen vor 4.000 Zuschauern Drittliga-Aufstieg

Aufstiegsrundenspiel in die Landesliga

Datum: 14. Juni 1970

Preußen Hameln 07 – Kicker Emden 4:1 (0:0)
Preußen Hameln: Deilke - Kahl - Theophil - Kotzian - Schoster – Ehlerding - Iwan (59. Orlea) - Reinhold - Dohme – Hauschild - Schelenz
Tore: 0:1 Spannhoff (47.), 1:1 Dohme (63.), 2:1 Ehlerding (72.), 3:1 Dohme (78.), 4:1 Hauschild (83.).
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter: Henzel (Braunschweig).
8 / 76

Autor des Artikels

Team AWesA
Team AWesA
Das Team AWesA stellt Euch die aktuellsten Sportnachrichten aus Hameln-Pyrmont kostenlos zur Verfügung. Bei Fragen und Anregungen kannst Du uns gern kontaktieren. Schickt ihr uns Infos, bereiten wir diese zu vollwertigen Artikeln auf.
Telefon: 05155 / 2819-320
info@awesa.de

Webdesign & CMS by cybox