17.06.2020 14:53

Spiel meines Lebens - Teil 2


Kreisliga-Aufstieg & Kreispokal-Sensation: Engel & Co. starten neue Ära

Spieler gehen, Spieler kommen und nur ganz wenige bleiben – bis heute / Engel: „Für mich stand eigentlich nie zur Debatte, dass ich Grohnde verlassen könnte"

Robert Engel gräbt den Grohnder Rasen um.
Als Robert Engel in die B-Jugend der Preußen aufrückt, wird die Mannschaft langsam auseinandergerissen, einige wechseln in höhere Klassen, andere einfach den Verein oder sie hören auf. Engel hingegen bleibt bis in die A-Jugend hinein bei den 07ern, bis die Rufe seiner Heimat immer lauter werden. „Ich wollte zurück zu meinem Verein, zumal es in Hameln nicht mehr so gut gepasst hat“, so Engel. Gesagt, getan – Engel wechselt im Winter der Saison 2006/07 zurück zum TSV, darf aber noch nicht spielen. „Ich war ja erst 17.“ Also muss der topausbildete Mittelfeldspieler in den sauren Apfel beißen und darf ein halbes Jahr lang nur bei den Herren, die 2007 in die Leistungsklasse aufsteigen, mittrainieren. Seinen Mitspielern wird bereits da deutlich: Sie haben ein Juwel in ihren Reihen – ein Spieler, der sportlich für viel höhere Aufgaben gemacht ist, sich gedanklich aber voll seinem Heimatdorf und -verein verschrieben hat...

In seiner ersten Herrensaison fügt sich Engel nahtlos in die Mannschaft ein, erreicht mit seinem TSV als Aufsteiger prompt den vierten Rang in der Leistungsklasse. Und dann ist die Zeit reif für eine der größten – vielleicht DIE größte – Spielzeiten der Vereinsgeschichte. In der Saison 2008/09 steht Trainer Klaus Wellhausen, von dem sie in Grohnde bis heute noch schwärmen, ein Kader zur Verfügung, der reif für die Kreisliga ist – und für eine Riesensensation


Eines seiner heiß geliebten Derbys: Robert Engel (li.) macht Jagd auf Emmerthals damaligen Kapitän Murat Bendes.
Unter den „Silberrücken“ Frank Scheel, André Tomkowiak und Marco Herr hat sich eine junge, talentierte und vor allem hungrige Mannschaft zusammengefunden: Niels Conrad hütet das Tor, Enver Dragusha sorgt in der Offensive für die Höhepunkte, Christopher Thomas knipst eiskalt, Patrick Kursch zieht die Fäden im Mittelfeld, Manndecker Jan Beye steht wie ein Fels in der Brandung, Jan-Philipp Schreiber verfügt über viel Qualität im Angriff, Sven Mathewes ist der unermüdliche Antreiber, Alexander sowie Peter Blech machen hinten dich, Georg Voge ist selten da, aber wichtig für die Stimmung und Engel ist der Mann für alles – Grohnde steht die stärkste Mannschaft seit Jahrzehnten zur Verfügung. Und das bekommt der Fußballkreis Hameln-Pyrmont gnadenlos zu spüren. Engel & Co. marschieren in beeindruckender Manier durch die Leistungsklasse, lediglich die SSG Marienau kann einigermaßen mit der Wellhausen-Elf schritthalten. „Marienau war in diesem Jahr unser größter Konkurrent“, weiß Engel, der das direkte Duell mit der SSG dank eines 3:1-Auswärtssieges und eines 2:2 zu Hause für sich entscheidet. Letztlich steigen Meister Grohnde (56 Punkte) und Marienau (55 Punkte) auf, der TSV kehrt ins Kreisoberhaus zurück und darf den Aufstieg ausgiebig feiern. Doch gelingt die wahre Sensation andernorts.

Manuel Feyer SC Boerry Robert Engel TSV Grohnde AWesA
Robert Engel (li.) zieht ab.
Denn neben der Meisterschaft feiert Grohnde den wohl größten Erfolg der Vereinsgeschichte: den ersten und bis heute Kreispokal-Sieg. Und das als ein „Underdog“ aus der Leistungsklasse. „In der ersten Runde haben wir locker mit 13:0 gegen die Pyrmonter Bergdörfer gewonnen und hatten ab der zweiten Runde nur noch Kreisligisten auf dem Programm“, erinnert sich Engel, der mit seinen Mannschaftskameraden stets in der Rolle des Außenseiters spielt. In der zweiten Runde schlägt Grohnde den TSV Nettelrede mit 2:1, dann muss die SG Flegessen mit 1:4 dran glauben. „Ich kann mich noch erinnern, dass gegen Flegessen unser Spartenleiter Rolf Conrad im Tor stand, der zu diesem Zeitpunkt um die 50 gewesen sein muss. Ich werde nie vergessen, wie er einen gefährlichen Schuss unten aus dem Eck gefischt hat. So eine Parade hat ihm keiner zugetraut, alle haben große Augen gemacht“, lacht Engel, in Erinnerungen schwelgend.

Anschließend gelingen den Grohndern drei Leistungen, die in die Vereinsgeschichte eingehen: Zunächst besiegen Engel & Co. den starken Kreisligisten TSV Bisperode völlig überraschend, kommen nach dem frühen Rückstand durch Dominik Fecho (3.) fulminant zurück und drehen das Spiel dank der Treffer von Frank Scheel (11.) und Enver Dragusha (39.). Endstand: 2:1.

Das „Final Four“ findet schließlich in Nettelrede statt. Der Halbfinalgegner: TB Hilligsfeld, natürlich Kreisligist. Doch das Team von Trainer Andreas Scheler ist an diesem Tag kein Gegner für Grohnde. Jan Schreiber (2), Patrick Kursch (2), André Tomkowiak und Enver Dragusha schießen den TBH regelrecht ab, siegen letztlich 6:0 und der Grohnder Anhang feiert seine Helden ohne Ende.

Grohnde Kreispokal Sieg 2009
Grohnde ist Kreispokalsieger 2009. Obere Reihe v.li.: Alexander Weyer, Patrick Kursch, Robert Engel, Georg Voge, Alexander Blech, Sven Mathewes, Frank Scheel, Marco Herr, Rolf Conrad. Mittlere Reihe v.li.: Arthur Fischer, Christopher Thomas, Jan-Philipp Schreiber, Jan Beye, Niko Kazinaki. Untere Reihe v.li.: Enver Dragusha, Niels Conrad, André Tomkowiak, Klaus Wellhausen. Foto: Aus dem privaten Archiv von Engel.
Dann ist es so weit: Vor 600 Zuschauern steigt das Finale zwischen Grohnde und Salzhemmendorf. Die blau-weißen Ostkreisler schlagen im Halbfinale völlig überraschen den großen Favoriten Germania Hagen – es ist ein Endspiel, auf dessen Teilnehmer im Vorfeld höchstens im Scherz getippt wird. Das gesamte Dorf befindet sich an diesem 31. Mai im Ausnahmezustand, mit zwei Bussen reisen die Grohnder Fans an, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Trainer Wellhausen, der mit diesem „Final Four“ überhaupt nicht rechnet, unterbricht gleich zweimal seinen Ostsee-Urlaub, um bei diesen wichtigen Spielen dabei zu sein. Und er sieht, wie seine Mannschaft ihm seine bedingungslose Unterstützung dankt. Nach einem torlosen ersten Durchgang überrennt Grohnde die „Solter“. Enver Dragusha legt dank eines lupenreinen Hattricks das 3:0 vor, Patrick Kursch macht schließlich den 4:1-Sieg perfekt und dann heißt es trotz eines Sonntags: feiern. Feiern ohne Ende, sich hochleben lassen, ein Dorf feiert den ersten Kreispokal-Sieg der Vereinsgeschichte.

Für Führungsspieler Engel, kaum 20 Jahre alt, ist es wahrscheinlich das Spiel des Lebens. Nicht, weil er an diesem Tag der entscheidende Mann ist, sondern weil Engel für eine neue Grohnder Generation steht, eine neue Grohnder Qualität und die bedingungslose Treue dem Heimatverein gegenüber. Mit Engel beginnt eine neue Ära. Spieler gehen, Spieler kommen und nur ganz wenige bleiben – bis heute. Engel ist einer von ihnen. Und er ist stets einer der besten Spieler auf Kreisebene, kann problemlos auch höher spielen. Doch diese Frage stellt sich für ihn nicht. „Für mich stand eigentlich nie zur Debatte, dass ich Grohnde verlassen könnte. Ich lebe mit einer Familie hier, ich bin hier groß geworden und ich spiele hier mit meinen Freunden Fußball und bin immer für diesen Verein da. Deshalb haben mich auch Angebote aus höheren Ligen nie gereizt, auch wenn das eine oder andere sicherlich interessant war. Aber ich bin wirklich nie ins Grübeln gekommen. Der TSV Grohnde ist mein Verein. Hier gehöre ich hin“, sagt Engel rückblickend – es klingt wie eine überschwängliche Liebeserklärung, doch diesen Worten lässt er über ein Jahrzehnt lang Taten folgen.


Volles Risiko: Robert Engel grätscht Emmerthals Daniel Magaschütz den Ball ab.
Trotz aller Aufstiegs- und Pokaleuphorie wird im Kreisoberhaus schnell klar: Hier weht ein ganz anderer Wind. Trainer Wellhausen tritt überraschend und sehr zur Trauer der Mannschaft zurück, sein Nachfolger Dirk Heyder schafft mit Grohnde 2009/10 den Klassenerhalt, droht aber 2010/11 mehr denn je abzusteigen. Im Winter übernimmt schließlich ein für Engel bekanntes Gesicht die Position des Übungsleiters: Sein Mentor alter Tage, Uwe Filla. Unter Filla lernt Engel in der Jugend das Einmaleins des Fußballs. Der als absoluter Fußball-Fachmann anerkannte neue Grohnder Trainer stabilisiert den TSV in der Kreisliga, sein verlängert Arm auf dem Feld ist – natürlich – Robert Engel. Nach der Saison 2012/13 sieht Filla seine Aufgabe erfüllt, Grohnde belegt einen starken siebten Rang und gilt mittlerweile als etablierter Kreisligist.

Aus diesen Jahren behält Engel insbesondere die Derbys gegen den Gemeinde-Konkurrenten TSG Emmerthal in Erinnerung: „Emmerthal hat zwar in diesen Spielen häufiger gegen uns gewonnen, aber die Stimmung, die vielen Zuschauer und die vielen Emotionen waren einfach etwas Besonderes. Das waren meist tolle Spiele, auch wenn ich nach den Spielen meist nicht besonders gut drauf war (lacht).“

Im Sommer 2013 wird es Zeit für frischen Wind: Oliver Bock übernimmt Grohnde...

Sonntag lest Ihr: Grohnde kratzt am Kreisliga-Thron, steigt Jahre später freiwillig ab & Engel wird mit 26 Jahren Spartenleiter...

Grohndes Weg zum Kreispokal-Triumph 2008/09


Finale
TSV Grohnde – BW Salzhemmendorf 4:1 (0:0).
Tore:
1:0 Enver Dragusha (49.), 2:0 Dragusha (68.), 3:0 Dragusha (71.), 3:1 Oliver Hofer (73.), 4:1 Patrick Kursch (90.).

Halbfinale
TSV Grohnde – TB Hilligsfeld 6:0 (1:0).
Tore:
1:0 Jan Schreiber (15.), 2:0 Schreiber (60.), 3:0 Patrick Kursch (72.), 4:0 André Tomkowiak (78.), 5:0 Enver Dragusha (86.), 6:0 Kursch (90.).

Viertelfinale
TSV Grohnde – TSV Bisperode 2:1 (2:1).
Tore:
 0:1 Dominik Fecho (3.), 1:1 Frank Scheel (11.), 2:1 Enver Dragusha (39.).

Achtelfinale
TSV Grohnde – SG Flegessen 4:1 (3:1).
Tore:
 1:0 Enver Dragusha (1.), 1:1 Torben Sielaff (25.), 2:1 Patrick Kursch (43./Strafstoß), 3:1 Kursch (49./Strafstoß), 4:1 Dragusha (90.).
Besonderes: Rot für Grohndes Kerim Bendes nach einer Tätlichkeit (88.).

2. Runde
TSV Grohnde – TSV Nettelrede 2:1 (2:0).
Tore: 
1:0 Enver Dragusha (10.), 2:0 Christopher Thomas (12.), 2:1 Dominik Stargardt (81.).
Besonderes: Gelb-Rot für Grohndes Nico Kazinaki (90.).

1. Runde
SG Bergdörfer – TSV Grohnde 0:13 (0:6).
Tore: 
0:1 Christopher Thomas (12.), 0:2 Thomas (18.), 0:3 Thomas (28.), 0:4 Patrick Kursch (35.), 0:5 Frank Scheel (38.), 0:6 Kerem Bendes (41.), 0:7 André Tomkowiak (47.), 0:8 Peter Blech (62.), 0:9 Bendes (71.), 0:10 Bendes (80.), 0:11 Blech (83.), 0:12 Bendes (87.), 0:13 Kipp (88.)

Zu Teil 1

Robert Engel TSV Grohnde AWesA
 
14.06.2020

Seit über zehn Jahren das Herz der Grohnder: Robert Engel

Uwe Filla formt den Grohnder zu dem Spieler, der er heute ist / „Habe Fußball unter Uwe als Trainer als ganz neuen Sport kennengelernt“

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