13.05.2020 09:18

Spiel meines Lebens - Teil 4


Motzners letztes Meisterstück: Oberliga-Sensation mit Tündern

„Siggi“ Motzner hält Preußen als Spieler bis zuletzt die Treue – doch als Trainer ist Tündern seine große Fußball-Liebe...

Die Sektdusche zum Oberliga-Aufstieg – Siegfried Motzner gelingt in 2018/19 mit seinen Tünderanern die Sensation.
Von Oliver Steffan

Preußen Hamelns direkter Abstieg aus der 3. Liga 1993/94 ist nicht das Ende der Welt – und so gehört Motzner als mittlerweile erfahrener „alter Recke“ auch in der Verbandsliga zu den großen Säulen im Team. „In der Verbandsliga gab es in jener Zeit immer heiße Duelle mit den Kanten von der Küste, wie Germania Leers Wolfgang Blanke, Wilhelmshavens Stefan Lang, TuS Esens' Ralf Backhaus oder dem wuseligen Auricher Steffen Baumgart. Später dann in der Niedersachsen-Liga waren die Duelle mit Damla Gencs Frank Hartmann vom Feinsten und immer wieder spannend“, hat Motzner damals auch „Lieblingsspieler“, so auch den „lockigen Fränkie“.

Preußen Hameln 07 im Sommer 1997 - Siggi Motzner, der letzte der einstigen Helden ...
Preußen Hameln 07 im Sommer 1997 - „Siggi“ Motzner, der letzte der einstigen Helden... Aus dem privaten Archiv von Motzner.
Frank Hartmann, zuvor ab 1980 als Profi bei Hannover 96 am Ball und mit Bayern München 1986 Deutscher Meister, spielt auf seine alten Tage beim aufstrebenden türkischen Club aus der Landeshauptstadt und weiß, abgebrüht ohne Ende, wie er die Gegner mürbe machen kann: „Bei jedem Luftkampf bekam ich, von der ersten Minute an, ein Knie ins Kreuz oder seinen Ellenbogen an den Hinterkopf – ich habe mir nicht anmerken lassen. Einmal bin ich dann, aus Versehen, mit angezogenen Knien in Richtung seines Brustkorbs unterwegs gewesen, da lag er wie ein Maikäfer auf dem Rücken und rang nach Luft. In der verbliebenen Spielzeit hatte ich dann bei den Ecken und Flanken urplötzlich meine Ruhe“,  schildert „Siggi“ eine Situation aus der Saison 1996/97 mit einem Augenzwinkern und hebt entschuldigend die Arme.

Als letzter Verbliebener der glorreichen Hamelner Aufstiegsmannschaft hält Motzner seinen Preußen bis 1998 die Treue, assistiert dann Trainer Peter Koptula von der Bank aus.

In der Alten Herren bei der SG Hameln 74 lässt Siegfried seine Karriere Ende der 90er Jahre ausklingen, doch die Knochen tun nach langen, für den Körper belastenden, Jahren mehr und mehr weh, die Meckereien auf dem Feld und das niedrige Niveau rauben ihm die Nerven und die Lust. So geht es nahtlos weiter mit der Trainer-Tätigkeit im Nachwuchsbereich. Gern erinnert sich „Siggi“ an die ersten Jahre seiner Trainer-Laufbahn zurück. Bei der SG Hameln 74 coacht er die A-Jugend, u.a. mit den hoffnungsvollen Nachwuchs-Kickern Timo Schnorfeil und Matthias Koch. „Mit einem kleinen Kader, teilweise sind wir mit nur elf Akteuren zu den Spielen gefahren, haben wir uns im Bezirk behaupten können.“

Bei der A-Jugend der Tünderaner kann der Neu-Coach jedoch im Jahr darauf aus dem Vollen schöpfen und ist in der Landesliga zurück: „Wir haben ohne große taktische Zwänge nach vorn gespielt – das war der Fußball, wie ich ihn mir vorstelle, offensiv, mit Tempo, unerschrocken!“, schwärmt Motzner noch immer von den Anfängen seiner Trainer-Tätigkeit.

Old-Stars 2002 - Benefiz-Turnier gegen Rassismus im Weserbergland-Stadion
Old-Stars 2002 - Benefiz-Turnier gegen Rassismus im Weserbergland-Stadion. Hintere Reihe v.l.: Axel Hahn, Uwe Holste, Andy Kriks, Olli Steffan, Rolli Schünemann, Jens Bönning, Dirk Schumachers. Mittlere Reihe v.l.: Roland Giehr, Andy Pfitzner, Christoph Hanses, Trainer Axel Marahrens, Thomas Fenske. Untere Reihe v.l.: Milan Rukavina, Stephen Sword, Dirk Brockmann, Siggi Motzner, Andy Loges, Matthias Hanses, Bernd Dierßen Aus dem privaten Archiv von Motzner.
Immer wieder streift der „Lange“ bei diversen Spielen oder Freundschaftsspielen die Handschuhe auch selbst noch über. So auch bei einem “Benefiz-Turnier gegen Rassismus“ im August 2002, als ein Team „Alt-Internationaler“ im Hamelner Weserbergland-Stadion für einen guten Zweck kickt.

Nach zwei erfolgreichen Jahren mit den A-Junioren der „Schwalben“ formt der Fußball-Fachmann als Coach der Reserve der Tünderaner in der Saison 2004/05 eine tolle Truppe, die die Gegner wöchentlich gnadenlos auseinandernimmt: „Wir waren völlig von den Socken, dass die Jungs so dominant agierten. Eigentlich sollten die Burschen, die aus der Jugend in die Herren aufrückten, langsam an das Tempo und die Härte der Herren gewöhnt werden. Es ging aber richtig los und die Mischung machte es! Matthias 'Jimmy' Günzel war 39-jährig der Kopf des Teams und Vorbild durch und durch, Urim Ferati war unheimlich wichtig, hat etliche Buden gemacht und dann waren da die 'jungen Wilden' um Tim Piontek, Matthias Günzel II und Johann Pfeifer, die aus der Jugend aufrückten und den zumeist überforderten Gegenspielern in der Kreisliga nur die Hacken zeigten, abgingen wie die Raketen und völlig verdient in die Bezirksklasse aufstiegen“, so der Wahl-Hamelner stolz.

Veteranen-Treff ... Ostkreis-Auswahl gegen den Rest des Kreises im Jahr 2009
Veteranen-Treff: Ostkreis-Auswahl gegen den Rest des Kreises im Jahr 2009. Obere Reihe v.l.: Olli Steffan, Klaus Schumacher, Dirk Schumacher, Carsten Schwetje, Otto Thiele, Dirk Zehener, Armin Bollmann, Kalle Sürig, Siggi Motzner, Wolfram Gödeke, Trainer Frank Lorenz. Untere Reihe v.l.: Uwe Kirsch, Frank Riehl, Harry Krieter, Achim Held, Carsten Granzow, Karsten Fitzner.
Interessant ist nebenbei die Tatsache, dass Motzner, obwohl 13 Jahre als Spieler mit und bei den Preußen eng mit dem Verein verbunden, nie als Trainer dort wirkte. Auch in den wieder erfolgreichen 07-Jahren Mitte der '00er gibt es keinen Preußen-Coach Siegfried Motzner: „Irgendwie hat es nie gepasst mit uns mit einer Verpflichtung als Coach – und irgendwann war es zu spät, als die Insolvenz eintrat“, kommentiert „Siggi“ eine mögliche Aufgabe bei den Preußen.

Der „Lange“ übernimmt 2007 die Erste in Tündern und führt diese selbstredend auch zur Meisterschaft, steigt aus der Bezirksliga in die Bezirksoberliga, die heutige Landesliga, auf.

25 Jahre nach der Aufstiegs-Saison 1984/85 der Blau-Weißen aus Salzhemmendorf tritt „Siggi“ mit Kameraden im Juni 2009 in einem „Veteranen-Spiel“ einer Ostkreis-Auswahl im „Saale-Stadion“ gegen den „Rest des Kreises“ an und bringt die Stürmer der „Kreisauswahl“ mit seinen Paraden beim 3:3 noch einmal zur Verzweiflung.

TSV Klein Berkel 2009 2010 Kreismeister
Der TSV Klein Berkel wird 2009/10 unter Motzner Kreismeister und Pokalsieger.
Für viele Experten völlig überraschend, heuert „Siggi“ dann 2008 wieder in der Kreisliga, und zwar beim TSV Klein Berkel, an und – man muss es eigentlich nicht erwähnen, auch hier steht die nächste Meisterschaft und der Aufstieg in die Bezirksliga an. Nebenbei gibt es beim Kreispokal-Endspiel in Emmerthal noch ein 4:1 n.E. gegen den SV Lachem und somit das Double für den TSV zum Abschied des Erfolgstrainers im Sommer 2010. In der Chronik „40 Jahre Kreisliga Hameln-Pyrmont“ kommentiert Motzner den Erfolg: „Wir hatten gar nicht mal so die Ausnahmespieler, waren allerdings sehr ausgeglichen besetzt und in der Breite gut aufgestellt. Marco Blana, Agostino de Sapia, Lars Melzer und Marlon Reckemeyer waren die Säulen des Teams, Jan 'The Boss' Koss hat die Mannschaft geführt. Das und der harte Kern haben uns so stark gemacht!“

Wieder zurück bei BW Tündern, zur Saison 2010/11, erfüllt Motzner den vom Vorstand formulierten Auftrag, die gerade in die Bezirksliga abgestiegenen Blau-Weißen wieder in die Landesliga zu führen, sofort.

TSV Klein Berkel 2009 2010 Feier
Double-Jubel mit dem TSV Klein Berkel.
Jahr um Jahr können sich die Tünderaner fortan darüber freuen, dass ihr Trainer ohne große Kohle-Geschichten und mit akribischer Arbeit immer wieder eine schlagkräftige Mannschaft zusammenstellt, dem Nachwuchs eine Chance gibt und das kleine Dorf an der Weser zu einer erstklassigen Adresse im niedersächsischen Fußball macht.


Emotional: Siegfried Motzner und sein Spielmacher Jannik Hilker umarmen sich nach der Landesliga-Meisterschaft.
Eine volle Dekade coacht der unbeirrbare, manchmal auch sperrige, Erfolgstrainer „seine“ Tünderaner insgesamt. Das letzte Spiel der Saison 2018/19 hat es dann in sich. Vor der Serie gibt es eine ganze Reihe an Favoriten, die Windmühlen-Kicker zählen ganz sicher nicht dazu. Doch BW Tündern spielt in der Landesliga Hannover eine fantastische Runde und hat am 01. Juni 2019 daheim gegen Iraklis Hannover alle Trümpfe in der Hand, um mit einem Sieg in die Oberliga aufzusteigen. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf und die gut 600 Zuschauer, die an jenem Samstag im Juni in der Kampfbahn zugegen sind – dank einer kommentierten AWesA Live-Übertragung schauen zusätzlich mehrere hundert Zuschauer im Internet zu –, werden diesen Tag sicherlich nie vergessen. In einem absoluten Fußball-Krimi, Tündern liegt zwischenzeitlich in der 60. Minute mit 1:2 zurück und scheint am Boden, reißen Torjäger Robin Tegtmeyer, Kapitän Lukas Kramer und Co. das Ruder herum, besiegen die hannoverschen Griechen und schaffen durch einen 5:2-Erfolg tatsächlich das noch kaum für möglich gehaltene Fußball-Wunder: Tündern holt die Meisterschaft, feiert, feiert, feiert – und Trainer Motzner macht sein vielleicht wertvollstes und am wenigsten erwartetes Meisterstück!


Aufsteiger!
Bezahlen die Blau-Weißen in der Oberliga-Saison 2019/20 nach bombastischem Start, der FC Hagen/Uthlede wird im Weserbergland-Stadion mit 4:0 verdroschen, noch reichlich Lehrgeld, mausert sich der Verein mit dem geringsten Etat aller Oberliga-Clubs nach und nach zu einem unangenehmen und ernstzunehmenden Gegner, sackt Punkte ein, startet im Kalenderjahr 2020 wie die Feuerwehr und wird erst von der COVID-19-Pandemie gestoppt – Ausgang, Stand heute, ungewiss.

Eines ist jedoch klar und bleibt: Wo ein Motzner, da Erfolg, ob als Spieler oder auf der Trainer-Kommandobrücke…


Zu Teil 1:

Kreispokal-Sieger 1984 - MTV Lauenstein
 
06.05.2020

Der „Lange“ aus Lauenstein: Vorstopper, Torwart- & Trainer-Legende

Siegfried Motzners Weg vom Vorstopper zum Keeper – von Lauenstein nach Hameln / „Trainer 'Fatty' Wasner haute mir aus acht Metern Entfernung fünfzehn Bälle um die Ohren

Zu Teil 2:

Preußen Hameln Saison 1986 1987
 
08.05.2020

Vom Torhüter zum Torjäger: Motzner rettet Preußen in der 90. Minute

Der Alleskönner zwischen den Pfosten gehört zu den Erfolgsgaranten der Hamelner Preußen in den 80ern & 90ern / „Motzner in Heyne-Manier“

Zu Teil 3:

Preußen Hameln 1993 1994
 
10.05.2020

Sensation in der 3. Liga: Preußen triumphiert beim VfL Osnabrück - Motzner überragt

Motzner wird von Osnabrücker Fans mit Geldmünzen beworfen / Fast Deutscher Polizei-Meister
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