10.05.2020 08:54

Spiel meines Lebens


Sensation in der 3. Liga: Preußen triumphiert beim VfL Osnabrück - Motzner überragt

Motzner wird von Osnabrücker Fans mit Geldmünzen beworfen / Fast Deutscher Polizei-Meister
Preußen Hameln 1993 1994
Preußen Hamelns Drittliga-Kader in der Saison 1993/94. Aus dem privaten Archiv von Motzner.
Von Oliver Steffan

Preußen steigt nach grandiosen Aufstiegsrunden-Auftritten sensationell in die dritte Liga auf und „Siggi“ bekennt: „In der Saison 1993/94 war ich fit wie Schmidt, wie nie zuvor und auch nie mehr danach. Mit 30 Jahren war ich im allerbesten Torwart-Alter, hatte genügend Erfahrungen gesammelt, den nötigen Eigenantrieb, war noch spritzig und sprungkräftig genug, um richtig mitzumischen, richtig heiß auf das Abenteuer Amateur-Oberliga. Hinzu kam, dass ich in der folgenden Saison natürlich Woche für Woche mal so richtig gefordert wurde, weil wir gegen teilweise überragende Gegner anzutreten hatten und ständig in die Defensive gedrängt wurden. Dass ich auf die alten Tage diese Erfahrung machen konnte, war super. Eintracht Braunschweig, VfL Osnabrück, Holstein Kiel, VfB Lübeck, VfB Oldenburg, Kickers Emden – so hießen unsere Gegner, erstklassige Adressen in Norddeutschland. Das war schon eine riesige Geschichte. Der Höhepunkt war ganz klar unser 3:2-Erfolg in Osnabrück an der 'Bremer Brücke'“, schwärmt der Turm der Preußen-Deckung noch über ein Vierteljahrhundert später.

„Wir sind echt über uns hinausgewachsen und ich habe, mit Verlaub, auch wirklich klasse gehalten und den 'Lila-Weißen' den Zahn gezogen. Die Osnabrücker Zuschauer hinter meinem Tor haben mich 90 Minuten mit Geldstücken, Feuerzeugen und kleinen Batterien beworfen und zugepflastert, um mich abzulenken. Osnabrücks Mittelstürmer Ralf Balzis wurde dann bei einer Ecke von einem Zwei-Mark-Stück unterm Auge getroffen, hat eine Platzwunde davongetragen, wurde getackert, hat dann aber weitergespielt. Die Fans haben ihren eigenen Spieler erwischt“, erzählt Motzner kopfschüttelnd. „Ich habe die Kohle, die nach mir geworfen wurde, nach und nach eingesammelt und hinter den Pfosten gelegt. Nach dem Schlusspfiff, ich war bei einem Freistoß für uns gut 20 Meter vor unserem Tor, rissen wir jubelnd die Arme hoch: 3:2-Sieg an der 'Bremer Brücke' – ein unglaubliches Gefühl. Ich überlegte kurz: 'Holst du dir jetzt noch die Münzen vom Pfosten, es müssen so um die 30 DM gewesen sein, oder gehst du gleich in die Kabine?' Als ich gesehen habe, wie irre die Fans auf der Tribüne waren, was sie für Bambule gemacht haben und wie sauer sie waren, habe ich mich dann gleich auf den Weg gemacht, um zum Duschen zu gelangen“, weiß der „Lange“ noch genau, wie es in Osnabrück abging.

Übrigens bestreiten die beiden erstplatzierten Teams der Amateur-Oberliga Nord im Sommer 1994 die Spiele in der Aufstiegsrunde, um in die Zweite Bundesliga aufzusteigen. Kickers Emden, Eintracht Braunschweig und der VfL Osnabrück belegen am Saisonende mit jeweils 41:19 Punkten die ersten drei Plätze, Osnabrück hatte das schlechteste Torverhältnis der Dreien, ein Punkt gegen die Preußen daheim hätte für die Relegation gereicht...

Die Saison 1993/94 ist für die Preußen insgesamt eine tolle Geschichte, allerdings ist „Siggi“ auch traurig und enttäuscht über den sofortigen Abstieg: „Wir waren durchaus Oberliga-tauglich. Der größte Fehler in jener Saison war, dass auf den einen oder anderen Aufstiegsspieler nicht mehr gesetzt und dann auf die fünf Kasachen gebaut wurde. Wir hatten den Kontakt zu den mitgefährdeten Teams nie ganz abreißen lassen und ich bin mir sicher, dass wir mit dem Kollektiv, das uns ausgezeichnet hat, dem Teamgeist, mit dem wir den Aufstieg geschafft haben, was hätten bewegen und die Amateur-Oberliga hätten halten können“, hadert Motzner mit dem, was damals passiert.

„Zudem wurde in Hameln über Jahre versäumt, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen. Die Trainer und auch das Management schlugen häufig den falschen Weg ein, das Geld wurde viel zu oft in auswärtige Spieler gesteckt, anstatt sich richtig mit den eigenen jungen Burschen zu beschäftigen. Meine Maxime als Trainer lautete später: Sind zwei Spieler gleich stark, dann spielt der jüngere, denn der wird dir auf Sicht mehr Freude bereiten“, gibt „Siggi“ noch Einblicke in sein späteres Handeln als Coach – doch dazu mehr im vierten und letzten Teil.

Siegfried Motzner Polizei Auswahl
Niedersachsens Polizei-Auswahl – Deutscher Vize-Meister 1994. Stehend v.l.: Trainer Hermann Eiting, Peter Menkhaus, Thomas Lüken, Heinrich Kruse, Holger Schwabe, Michael Schiprowski, Jürgen Kaushold. Davor v.l.: Harry Blome, Frank Meißner, Siggi Motzner, Andreas Hampel, Bernd Kroll. Foto aus dem privaten Archiv von Motzner.
Selbstredend steht Motzner auch bei der Niedersachsen-Auswahl der Polizei zwischen den Pfosten. Mit der Auswahl gelingt dem Hauptkommissar bei der Endrunde der 14. Deutschen Polizei-Meisterschaft vom 27. bis 29. September 1994 die Vize-Meisterschaft.
„Mit Frank Meißner, unserem Kapitän vom VfV Hildesheim und seinem Team-Kameraden Michael Schiprowski, Ricklingens Harry Blome, Holger Schwabe von BW Lohne oder Thomas Lüken von den Sportfreunden Lotte, hatten wir eine bärenstarke Truppe am Start – durch die Bank Dritt- und Viertliga-Kicker, die in ihren Vereinen zu den absoluten Führungsspielern zählten. Die Einsätze in der Niedersachsen-Polizei-Auswahl waren stets etwas ganz Besonderes. Wir hatten eine prima Kameradschaft, klasse Jungs!“, denkt Motzner mit ein bisschen Wehmut an die deutschlandweiten Einsätze bei den Meisterschafts-Endrunden in den 80er und 90er Jahren zurück.

Polizei Extrablatt
Aus dem Polizei Extrablatt 12/1994. Autor: Karl Nowakowski.
Im „Polizei-Extrablatt“ 12/94 ist nachzulesen: „Im Halbfinale der Deutschen Polizei-Meisterschaften 1994 setzte sich die Niedersachsen-Auswahl nach einem Tor von Peter Menkhaus mit 1:0 gegen das Saarland durch, musste aber zwei Rote Karten für Harry Blome und Heinrich Kruse hinnehmen, die somit im Finale fehlten. Das Saarland nutzte die Überzahl in den Schlussminuten zu wütenden Angriffen, scheiterte aber immer wieder am überragenden Niedersachsen-Auswahl-Schlussmann Siegfried Motzner. Im Finale gegen die Auswahl aus Baden-Württemberg, die den Titelverteidiger Nordrhein-Westfalen im zweiten Halbfinale mit 5:4 n.E. besiegte, ging es bei beiden Teams verhalten los. Hatten die Niedersachsen kurz vor der Pause zwei Riesenchancen, als Bernd Kroll frei vor Württembergs Keeper auftauchte und scheiterte und Menkhaus einen Latten-Treffer anbrachte, so waren die Süddeutschen in Halbzeit zwei überlegen. Zwischen der 55. und 58, Minute hatte Torhüter 'Siggi' Motzner Schwerstarbeit zu verrichten, um mit drei tollen Paraden den Rückstand zu vermeiden. Nach der regulären Spielzeit stand es weiterhin 0:0, so musste das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen. Baden-Württemberg konnte alle Strafstöße verwandeln, Holger Schwabe scheiterte mit seinem Versuch. Nach einem Spiel zweier gleichwertiger Mannschaften hieß der neue Deutsche Polizei-Meister Baden-Württemberg.“

„Das war, wenn ich mich richtig erinnere, das einzige Elfmeterschießen, das ich in meiner Karriere verloren habe. Allerdings konnte ich gegen die Schüsse der Kollegen aus Baden-Württemberg auch echt nichts machen – haben halt Nerven aus Stahl, die Kollegen…“, hat Motzner lachend eine Erklärung für den futsch gegangenen deutschen Meistertitel 1994.

Im vierten und letzten Teil lest Ihr: Motzner prägt das Weserbergland nicht nur als Spieler – sondern auch als Trainer. Mit dem Oberliga-Aufstieg als Krönung...

Zu Teil 1:

Kreispokal-Sieger 1984 - MTV Lauenstein
 
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Der „Lange“ aus Lauenstein: Vorstopper, Torwart- & Trainer-Legende

Siegfried Motzners Weg vom Vorstopper zum Keeper – von Lauenstein nach Hameln / „Trainer 'Fatty' Wasner haute mir aus acht Metern Entfernung fünfzehn Bälle um die Ohren

Zu Teil 2:

Preußen Hameln Saison 1986 1987
 
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Vom Torhüter zum Torjäger: Motzner rettet Preußen in der 90. Minute

Der Alleskönner zwischen den Pfosten gehört zu den Erfolgsgaranten der Hamelner Preußen in den 80ern & 90ern / „Motzner in Heyne-Manier“
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