06.05.2020 09:02

Spiel meines Lebens


Der „Lange“ aus Lauenstein: Vorstopper, Torwart- & Trainer-Legende

Siegfried Motzners Weg vom Vorstopper zum Keeper – von Lauenstein nach Hameln / „Trainer 'Fatty' Wasner haute mir aus acht Metern Entfernung fünfzehn Bälle um die Ohren
Kreispokal-Sieger 1984 - MTV Lauenstein
Der MTV Lauenstein ist 1984 Kreispokal-Sieger – mit Erfolgsgarant Siegfried Motzner. Hintere Reihe v.l.: Betreuer Fritz de Vries, Trainer Werner Brachmann, Peter Maedchen, Siegfried Motzner, Klaus Schumacher, Carsten Pfeiffer, Joachim Kruppki, Peter Ulbrich, Thorsten Bartels, Spartenleiter Holger Tietz.
Vordere Reihe v.l.: Christian Utke, Michael Kruppki, Lutz Kinast, Oliver Steffan, Ottmar Steffan, Jörg Tietz. Aus dem privaten Archiv von Motzner.
Von Oliver Steffan

Schwierig, schwierig – wenn man beurteilen soll, ob die Erfolge und die Leistungen  als Spieler oder die Leistungen und Erfolge als Trainer höher zu bewerten sind, kommt man bei Siegfried „Siggi“ Motzner aber ganz schön ins Grübeln.

Auf den Punkt gebracht: Da, wo Motzner ist, da war und ist in der Regel oben. Pokalsiege, Meisterschaften und Aufstiege satt feiert der 56-jährige Polizeihauptkommissar in seiner beeindruckenden Laufbahn mit den Lauensteinern, den Preußen, Klein Berkel und natürlich bei seinem „Herzensverein“ in Tündern – Jugend, Senioren egal. Wohl kaum jemand in der heimischen Region verfügt über ein so herausragendes Fußball-Fachwissen, nimmt neue Impulse so sehr wahr und kann ein Spiel und Spieler so lesen, wie der „Lange“. Es verwundert auch nicht, dass der Hamelner seit langen Jahren auch Trainer-Lehrwart im NFV-Kreis Hameln-Pyrmont ist.


A-Jugend MTV Lauenstein 1977 mit dem 14-jährigen Siegfried Motzner erstmals im Tor ...
A-Jugend MTV Lauenstein 1977 mit dem 14-jährigen Siegfried Motzner erstmals im Tor... Obere Reihe v.l.: Betreuer Dieter Kutz, Carsten Getzschmann, Peter Ulbrich, Lutz Kinast, Ottmar Steffan, Jörg Tietz, Uwe Lenz, Trainer Holger Tietz, Dieter Klünder. Untere Reihe v.l.: Thomas Hahn, Andreas de Vries, Heinz Gertz (geb. Ludwig), Siegfried Motzner, Thomas Schröter, Michael Mehrmann. Aus dem privaten Archiv von Motzner.
Bei den Knaben des MTV Lauenstein startet der blonde Hüne mit dem Fußballspielen im Feld, und zwar als Vorstopper. Über die Kreisauswahl schafft „Siggi“ den Sprung in die Bezirksauswahl, ist in der D-Jugend deren Kapitän und bleibt dem Ostkreis-Club trotz erster Verlockungen anderer Vereine treu. Zwei Aufstiege feiert der damals gerade zum Bundesgrenzschutz gestoßene Defensiv-Spezialist in den beiden Spielzeiten in der A-Jugend der neu gegründeten JSG Lauenstein/Salzhemmendorf. Noch im ersten Herrenjahr versieht Motzner seinen Job als treffsicherer Feldspieler beim MTV Lauenstein, bevor zur Saison 1982/83 mal wieder der Notstand im Lauensteiner Gehäuse ausgebrochen ist, kein Torhüter weit und breit den wichtigen Job im Kasten erledigen wird. Als sich der 45-jährige ehemalige Klasse-Keeper Walter „Murry“ Ellmer bereit erklärt einzuspringen, unterbreitet der 19-Jährige Motzner seinem gleichaltrigen Spielertrainer Uwe Kaller den Vorschlag, das Tor in dieser Saison zu hüten und gibt ihm gleich auch noch die Kapitänsbinde. Bereits in der Jugend steht er ein Jahr zwischen Pfosten, ist langgewachsen und hat ein gutes Auge – das sollte doch helfen. Von nun an gibt der 19-jährige Torhüter und Kapitän Siegfried Motzner seinem 20 Jahre älteren Libero Klaus Schumacher die Anweisungen…

JSG Lauenstein Salzhemmendorf Meister 1981 Bezirksklasse
Die JSG Lauenstein-Salzhemmendorf wird 1981 Meister in der Bezirksklasse. Obere Reihe v.l.: Christian Utke, Siegfried “Siggi“ Motzner, Thorsten Bartels, Trainer Holger “Putte“ Tietz, Axel “Ukku“ Lehnhoff, Matthias “Major“ Knoke, Thomas “Tobi“ Ulbrich, Carsten “Carlo“ Schmidt, Karsten “Kaschi“ Fitzner, Uwe Kaller, Betreuer Willi Schmidt. Untere Reihe v.l.: Betreuer Andreas “Appel“ Hahn, Matthias “Matze“ Klahr, Lutz Kinast, Thorsten “Torte“ Warm, Roman de Vries, liegend davor: Thomas Hahn. Aus dem privaten Archiv von Motzner.
In den nächsten beiden Jahren schrappen die bedauernswerten MTV-er zweimal knapp am Aufstieg vorbei, holen jedoch 1983 durch einen 3:1-Erfolg nach Verlängerung über den SC Börry und 1984 nach einem 3:0-Sieg gegen den TuS Rohden jeweils zumindest den Kreispokal.

In den Bezirkspokal-Spielen im Spätsommer 1983 wächst der geschmeidige Torsteher dann über sich hinaus, rettet die nun von Werner Brachmann trainierte Elf nahezu im Alleingang und weckt das Interesse höherklassiger Vereine im Kreis und Bezirk. Die Lauensteiner brauchen in den spannenden Cup-Partien keine Angst zu haben, wenn es kurz vor Schluss oder auch in der Verlängerung noch unentschieden steht. Die Kameraden wissen genau, beim Elfmeterschießen bringt uns der „Lange“ doch eh in die nächste Runde – und so soll es sein. Nach einem Erfolg über den Bezirksklassen-Vertreter BW Schwalbe Tündern in Runde 1, müssen die Bezirksligisten Eintracht Afferde in Runde 2 und der SC Asel in Runde 3 im „Ith-Stadion“ in Lauenstein nach Elfmeterschießen die Waffen strecken – „Siggi“ Motzner ist in beiden Partien der Matchwinner mit jeweils zwei gehaltenen Strafstößen. Erst das 0:1 im Bezirkspokal-Achtelfinale gegen den Bezirksoberligisten SV Borussia 06 Hildesheim stoppt die Siegesserie der „blau-roten Jungs vom Ith“.

Auch den Verantwortlichen der 07er Preußen bleiben die Leistungen des jungen Mannes nicht verborgen. So reisen Georg „Schorse“ Scholten, Manager der Hamelner Preußen, und Achim Deutschmann im Frühjahr 1984 nach Lauenstein und teilen dem hochtalentierten Nachwuchs-Hüter mit, dass die Preußen gedenken, ihn bei einem Probe-Training auf Herz und Nieren prüfen zu wollen. Der zu dieser Zeit noch 20-Jährige willigt ein, das Training machen zu wollen.

Nach ein paar Extra-Schichten mit „dem alten Hasen“ Walter Ellmer, fährt „Siggi“ nach Hameln: „Trainer 'Fatty' Wasner haute mir aus acht Metern Entfernung fünfzehn Bälle um die Ohren, dann stand ich bei einem Trainingsspiel zwischen den Pfosten und bin wieder nach Hause gefahren. Das wiederholte sich ein zweites Mal und Wasner sprach bei beiden Einheiten nicht ein einziges Wort mit mir. Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Tage später kam Manager Scholten noch einmal vorbei, legte mir einen Vertrag vor und ich unterschrieb - fertig“, schildert Motzner die damaligen Erlebnisse kopfschüttelnd.

Unmittelbar vor den Probetrainings-Einheiten bei den Hamelnern erscheint Manager „Menne“ Piel vom Bezirksligisten MTV Coppenbrügge mit einem verlockenden Angebot – allerdings für den Vorstopper Siegfried Motzner. „Es war schon witzig, ich musste mich damals entscheiden, ob ich zu den Hamelnern in die Landesliga wechsle, als Torwart, oder in die Bezirksliga nach Coppenbrügge, als Vorstopper“, berichtet „Siggi“ schmunzelnd.

Vier Klassen überspringt der ehrgeizige 21-Jährige bei seinem Wechsel aus dem Ostkreis nach Hameln und greift natürlich voll an. In der Saisonvorbereitung schleift Hamelns Torwarttrainer und A-Lizenz-Inhaber Axel Marahrens die drei unter Vertrag stehenden Keeper nach allen Regeln der Kunst: „Die Sandkuhle war unser zweites Zuhause. Wir trainierten über sechs Wochen beinahe täglich und Axel hat uns total gefordert, das war nahezu mörderisch. Aber wir waren natürlich topfit“, erinnert sich Motzner an seine erste und dann gleich knallharte Vorbereitung bei den Preußen.

Schlussendlich setzt sich der Lauensteiner gegen seine Kontrahenten um den Posten im Tor, Sascha Bartholdy und Stephen Sword, durch und geht als Stammkeeper in die Saison 1984/85. Der „Lange“ macht das Triple voll – nach den Kreispokal-Erfolgen mit den Lauensteinern 1983 und 1984, gewinnt er 1985 mit den Hamelnern in Bad Münder durch einen 4:2-Sieg gegen den TSV Stelingen auch noch den Bezirkspokal.

Preußen Hameln 1985/86
Preußen Hameln 07 in der Saison 1985/86. Hintere Reihe v.l.: Präsident Karl Strüver, Spielobmann Georg Scholten, Wolfgang Thriene, Rudi Debus, Andy Kriks, Roddy Quartey, Kai Taylor, Peter Burkhardt, Physiotherapeut Karsten Wegener, Manager Wilfried Meerhaut, Masseur Mehmet Trainer Reinhard Wasner. Mittlere Reihe v.l.: Dirk Schumachers, Mark Bowen, Alfred Zimmer, Andreas Loges, Thomas Kellermann, Pit Kriks, Volker Schreiber. Vordere Reihe v.l.: Betreuer Rainer Woltemate, Ismail Bildik, Siggi Motzner, Sascha Bartholdy, Stephen Lehany. Aus dem privaten Archiv von Motzner.
„Mein allererstes Spiel für die Preußen absolvierte ich in der Saison 1984/85 in Nienburg, im altehrwürdigen Mußriede-Stadion. Ich habe mich gleich in die Torschützenliste eingetragen, denn nach einer Ecke sprang mir der Ball vom Pfosten zurückprallend gegen den Rücken und von da aus zum 1:0 für den ASC ins Tor“, berichtet Motzner lachend, „wir waren uns aber zu 100 Prozent sicher, das Spiel noch zu drehen – und so kam es auch. Wir machten Druck ohne Ende, glichen aus und dann gelang Roddy Quartey auch tatsächlich noch der Treffer zum 2:1-Sieg. Nienburg hatte mit Muschiol und Lukas Harmsen zwei brandgefährliche Angreifer, die wir an dem Tag aber prima ausschalten konnten, das war entscheidend. Der grandiose Start beflügelte uns und so segelten wir auf der Erfolgswelle weiter“, sieht „Siggi“ den Auftaktsieg als Schlüssel für den großen Coup am Ende der Saison. Und so heißt es: Keine Saison ohne Titel für den 1,91 Meter großen Keeper – er steigt im Sommer 1986 mit den Preußen, nach vierjähriger Abstinenz, aus der Landesliga wieder in die viertklassige Verbandsliga auf. Das Team um Kapitän „Andi“ Loges, „Tommy“ Kellermann, den Kriks-Brüdern „Pit“ sowie „Andy“, Dirk Schumachers und Co. wird auch in Liga 4 in den nächsten Jahren eine ausgezeichnete Rolle spielen. „Unser Trainer 'Fatty' Wasner war ein total abgezockter, ausgeschlafener und mit allen Wassern gewaschener Ex-Profi – alte Schule und sehr autoritär, aber auch erfolgreich“, spricht der „Lange“ auch heute noch respektvoll über seinen Ex-Coach.

Freitag lest Ihr: Torjäger oder Torhüter? Motzners legendärer „Last Minute“-Ausgleich im Weserbergland-Stadion.

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Team AWesA
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