17.04.2020 14:38

Meldung


„Spiel meines Lebens“: Eine Naturgewalt – Roddy Quartey

Quartey spricht über die Kuriositäten seiner Laufbahn / Teil eins von zwei
„El Tren“ Roddy Quartey.
„El Tren“ Roddy Quartey. Foto: Henrich Vollmer.
Von Oliver Steffan

„Ist das eigentlich dein Sohn, der montags immer im Sportteil der Dewezet zu sehen ist, Ebenizer?“, fragt ein Freund von Roddy Quarteys Vater diesen im Frühjahr 1978. „Nein, nein, das kann nicht sein, mein Sohn darf kein Fußball spielen, das lasse ich nicht zu!“, antwortet der Gynäkologe Ebenizer Quartey und hat dann auf einmal eine Frage an seinen Sohn, als er am Abend nach Hause kommt …

„Meinem Vater war Fußball einfach zu gefährlich. Unsere Familie lebte bis ich 15 Jahre alt war in Berlin. Mein Cousin, Emanuel Bauer, spielte damals bei Borussia Mönchengladbach in der Jugend und empfahl mich, weil er wusste, dass ich ordentlich kicken konnte, dem Jugendleiter der 'Fohlen'. Die Borussen machten mir, ohne mich haben spielen sehen, ein Angebot, aber ich lehnte ab, weil mein Vater mir niemals erlaubt hätte, allein an den Niederrhein zu ziehen.

Siebzehnjährig fing ich dann, nachdem wir nach Hameln gezogen sind, ohne Wissen meines Vaters beim TB Hilligsfeld an, im Verein zu spielen. Als A-Jugendlicher schaffte ich den Sprung in die Erste Herren, die in der höchsten Kreis-Staffel, der damaligen 1. Kreisklasse, angesiedelt war – die Kreisliga wurde erst eineinhalb Jahr später eingeführt.

Roddy Quartey in der Saison 1979/80 im Trikot des TBH
Roddy Quartey in der Saison 1979/80 im Trikot des TBH. Aus dem privaten Archiv von Quartey.
Damals gab es neben dem Sportplatz in Hilligsfeld noch die Beeke, die, wenn es geregnet hat, so dermaßen gestunken hat, dass ich von dem üblen Gestank Bauchschmerzen bekam“, erzählt der Modell-Athlet Roddy Quartey lachend. „Mit den alten Hilligsfelder Kämpen 'Alger' Kallenbach, Günther Neumann, Stefan Bajdiuk, Wolfgang Gehrke, Lothar Bohl, dem unfassbar geschmeidigen Avelino im Tor habe ich als junger Dachs mit dem TBH dann so manch packende Schlammschlacht geschlagen.“

„Norbert Jäkel, der damalige Trainer des Bezirksligisten MTV Coppenbrügge hat mich dann 1980 an den Ith geholt. Wir hatten eine prima Mannschaft beisammen und waren auf dem Sprung in die Bezirksoberliga. Wir waren sehr ausgeglichen besetzt, hatten eine gute Mischung aus erfahrenen schon höherklassig aktiven Kickern wie Jürgen Mietzner, 'Kalle' Malitzki, Bernd Orlea, 'Kemmi' Kemkowski im Tor, den Burschen im besten Fußball-Alter, den Rosenau-Brüdern Siegmund und Johann, Bernd Baenisch, Burkhard Hanke und den 'Heißkisten' Michael Berger, Andy Pfitzner und natürlich mir“, und wieder dieses Lachen...

Roddy Quartey im Preußen-Trikot 1985
Roddy Quartey im Preußen-Trikot 1985. Aus dem privaten Archiv von Quartey.
Das, was Roddy, der in der Regel im Defensivbereich, in Abwehr und Mittelfeld, eingesetzt wird, seinerzeit auszeichnet, ist seine unglaubliche Präsenz auf dem Feld. Ein Kerl wie ein Baum, geschmeidig, technisch stark, mit einem sensationellen Stellungsspiel, wenn nötig einer auf den Punkt genauen präzisen Grätsche und einer atemberaubenden Dynamik, wenn er aus der Tiefe des Raumes nach vorn prescht.

„Zur Saison 1983/84 klopfte Preußens Manager 'Schorse' Scholten an und machte mir ein Angebot, dass ich nicht ablehnen konnte,“ er lacht wieder mit dem breiten „Quartey-Smile“: „Youngster Andy Kriks kam ebenfalls als Neuzugang dazu und wir schafften sofort den Sprung ins Liga-Team. Wir holten 1985 dann den Bezirkspokal-Sieg und im Jahr darauf stiegen wir in die Verbandsliga auf.

Preußen Hameln in der Saison 1986/87
Preußen Hameln in der Saison 1986/87. Foto: Rolf-Henning Schnell.
Wir hatten damals eine außergewöhnlich gut besetzte Truppe. 'Siggi' Motzner, ein Riese im Tor, 'Tommy' Kellermann, der die Abwehr fantastisch dirigierte, unser Manndecker Marc Bowen, ein farbiger Engländer, war eine absolute Bank, der abgezockte Dirk  'Schu' Schumachers, der blutjunge 'Ralle' Scheler, die Routiniers Pit Kriks, 'Andi' Loges, exzellente Mittelfeldspieler, Stephen 'Potch' Lehany, Roland Giehr, Isi Bildik, großartige Stürmer, und noch andere Granaten – ich war stolz darauf, Teil der  Mannschaft zu sein.

Coach 'Fatty' Wasner, der leider schon 2014 verstarb, war der speziellste Trainer in meiner Karriere. In der Saison-Vorbereitung war es bei ihm üblich, dass er ständig 40 Stadion-Runden laufen ließ – die ganz alte Schule“, Roddy lacht, „20 links rum, 20 rechts rum. Nach 35 Runden sagte ich zum Coach: 'Trainer, mir platzen gleich die Oberschenkel!' Er meinte nur trocken: 'Lauf weiter, sonst platzt mir gleich was ganz anderes!'“

Die Grätsche sitzt - Roddy Quartey langt zu.
Die Grätsche sitzt - Roddy Quartey langt zu. Foto: Rolf-Henning Schnell.
Sein Lieblingsspruch am Freitag, wenn alle Spieler fit waren, lautete: „Ich habe alle 24 Spieler am Wochenende an Bord, heute dürft ihr mit Stollenschuhen trainieren ...!“
Rudi Debus, unser Linksaußen, kam zum Treffpunkt mal fünf Minuten zu spät, betrat die Kabine und Wasner bekam in der engen 07-Kabine die Türklinke ins Kreuz. Der nur 1,65m große Alleinherscher drehte sich um und guckte irritiert, worauf Rudi nur trocken meinte: „Tschuldigung, Trainer, Türklinke auf den Kopf gekriegt?“ Wir mussten aufpassen, dass wir vor Lachen nicht von den Bänken fielen, Rudi bekam das Trikot mit der Nummer 12…

Mit Bernd Thiele kam dann zur Saison 1986/87 ein langjährige Bundesliga-Profi von Schalke 04 und Kapitän von Hannover 96 zu uns. Beim ersten Training traute ich meinen Augen nicht, als er beim Umziehen plötzlich mit einem breiten Bauch-Korsett vor mir stand. Ich fragte ihn nur: 'Bernd, was hast du denn da an?' Er nahm den 'Bauch-weg-Gürtel' ab und sagte nur: 'Jetzt weißt du warum, ohne Korsett laufe ich nicht mehr auf, das kann ich keinem zumuten!' und grinste mich an.

Roddy Quartey für Preußen gegen TuS H.O.
Gratulation von Giehr (2. v.li.) für die Hamelner Scheler, Bildik, Berger (verdeckt), Andreas Kriks und Quarty (v.li.). Foto: Heinrich Vollmer.
Vor dem Spiel gegen Atlas Delmenhorst, die in jener Serie 1987/88 im Abstiegskampf steckten, kamen zwei Verantwortliche des Bremer Vorstadtclubs in unsere Kabine und sprachen Rudi Debus an, und wollten, dass wir das Spiel verlieren. Sie hatten einen Umschlag mit Geldscheinen dabei. Rudi nickte das Geschäft ab, nahm das Geld, verteilte die Kohle und sagte nur grinsend: 'Dann hauen wir sie eben weg und haben nachher die doppelte Prämie!' Wir gewannen, die Delmenhorster guckten blöd, stiegen am Ende der Serie aber doch nicht ab.

Roddy Quartey Regenschirm
Ralf Scheler und Quartey schützen sich vor der Sonne, rechts daneben ist Afferdes Keeper Sword. Foto: Rolf-Henning Schnell.
Das Spiel meines Lebens habe ich dann ein Jahr später, wieder gegen Delmenhorst, gemacht. Es hat alles geklappt, das war eine Partie, als ob ich im Rausch war – und das, obwohl ich im Gegensatz zu einigen anderen Kameraden die damals kurzfristig in Mode gekommenen Captagon-Pillen, mit den Wirkstoffen Amphetamin und Methamphetamin, nie geschluckt habe. Einen Kopfball habe ich nach einer Ecke kurz nach dem Anpfiff genau in den Winkel befördert, die Zweikämpfe geholt, bin marschiert und dann glückte mir in der zweiten Halbzeit auch noch ein weiteres Tor beim 6:0-Sieg. So geht es manchmal…“

Nach einer größeren Verletzung kickt „El Tren“, um Spielpraxis zu erlangen, kurzfristig in der Zweiten der Hamelner und führt diese im Sommer 1989 zum Aufstieg in die Bezirksliga – dabei erzielt er das Tor seines Lebens. Dazu morgen mehr...

49 / 76

Autor des Artikels

Team AWesA
Team AWesA
Das Team AWesA stellt Euch die aktuellsten Sportnachrichten aus Hameln-Pyrmont kostenlos zur Verfügung. Bei Fragen und Anregungen kannst Du uns gern kontaktieren. Schickt ihr uns Infos, bereiten wir diese zu vollwertigen Artikeln auf.
Telefon: 05155 / 2819-320
info@awesa.de

Webdesign & CMS by cybox