09.04.2020 12:41

Meldung


„Spiel meines Lebens“: „Chris“ Hanses – Deutscher Meister mit Werder-Amateuren

SV Werder Bremen, SV Meppen und SpVgg Preußen Hameln 07 – fußballerisch hat Christoph Hanses so viel erreicht wie kein Zweiter in dieser Region
SV Werder Bremen Meisterfoto 1985 mit Unterschrifen
Das Werder-Meisterfoto 1985 mit Unterschriften. Aus dem privaten Archiv von Hanses.
Von Oliver Steffan

„Was wäre gewesen, wenn...“, diese Frage stellt sich ein jeder im Leben immer wieder aufs Neue. So natürlich auch Christoph Hanses, den sein Körper in wichtigen sportlichen Momenten häufig im Stich gelassen hat. Trotz dessen hat der mittlerweile 55-jährige ehemalige Offensiv-Spieler des SV Werder Bremen, des SV Meppen und der SpVgg Preußen Hameln 07 fußballerisch so viel erreicht wie kein Zweiter in dieser Region – er steht auf der größten Bühne, die der Vereinsfußball weltweit zu bieten hat: Europapokal der Landesmeister – die heutige Champions League...

Hanses' Weg nach Bremen

Amateur-Meister 1985 Christoph Hanses
Amateur-Meister 1985 Christoph Hanses. Aus dem privaten Archiv von Hanses.
Mit 17 Jahren kickt das große Talent des TSV Dörverden noch bei seinem Heimatverein im Bezirk. „Hast du als Jugendlicher in der Umgebung von Bremen damals häufig Tore gemacht oder besonderen Leistungen in der Zeitung gestanden, dann meldete sich automatisch Rolf Behrens, der 2013 verstorbene Manager des Nachwuchs- und Amateurbereichs von Werder bei dir“, verrät Christoph Hanses, wie es ihn nach Bremen verschlägt. „So lief das Scouting-System in jenen Jahren. Heute natürlich undenkbar, da gibt es keinen gut spielenden Zehnjährigen, der nicht schon frühzeitig angesprochen wird. Wir hatten dann ein Freundschaftsspiel gegen die zweite A-Jugend von Werder. Wir haben 1:2 verloren und ich habe das Tor gemacht. Ich wurde beobachtet, wusste aber nichts davon. Mein Vater wollte nicht, dass ich nervös werde und hatte den Anruf von Rolf Behrens verschwiegen. Schlau von meinem Vater“, grinst „Chris“ Hanses: „Mein Bruder Matthias und ich standen dann wohl ganz oben auf dem Zettel und wurden zum Probetraining bei den Grün-Weißen eingeladen. 'Matze' sagte gleich ab, weil er sich bei der Bundeswehr verpflichtet hatte. Ich wurde zum Probetraining eingeladen und verpflichtet. Und: Wenn du bei einem Dorfverein spielst und Werder ruft, dann fragst du nicht groß und unterschreibst“, ist Christoph, der um zwei Jahre jüngere der Hanses-Brüder, damals natürlich stolz auf das Angebot, bei den Amateuren des SVW im Herrenbereich beginnen zu können.

Zeitgleich absolviert der blonde 1,79 große Stürmer nach dem Abitur (auf „fürsorgliches Drängen“ des Vereins, damit man nicht mit leeren Händen dasteht, wenn das Abenteuer Fußball kein gutes Ende nehmen sollte) eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Jahre später verschlägt es nach der Absage im Sommer 1982 dann übrigens auch noch „Matze“ Hanses für eine Saison zu den Werder-Amateuren.

Rehhagel zu Hanses: „Kleiner, du springst ja hoch wie ein Hering"

SV Werder Bremen Christoph Hanses 1985
Der SV Werder Bremen beim Einlaufen 1985. Aus dem privaten Archiv von Hanses.
„Es war eine komplett andere Welt – bei uns auf dem Dorf in der A-Jugend mussten wir einige Leute morgens vor dem Spiel noch aus dem Bett holen, um mit elf Leuten auflaufen zu können, spielten gegen den Abstieg im Bezirk und plötzlich gehst du auf den Trainingsplatz und Rudi Völler kommt mit seinem Sportwagen auf den Parkplatz gefahren. Taktisch hatte ich natürlich noch gar nichts drauf, zudem gab es noch weitere Schwächen – trotzdem bin ich dann später Profi geworden“; wundert sich der Rechtsfuß lachend auch heute noch, zumindest ein ganz bisschen: „Das Kopfballspiel war definitiv nicht meins. Otto Rehhagel hat sogar mal extra eine Trainingseinheit mit der gesamten Truppe unterbrochen, um mir zu sagen: 'Kleiner, du springst ja hoch wie ein Hering – Jonny zeig ihm mal, wie das geht!' War das peinlich! Und im Defensivverhalten hatte ich auch so meine Probleme. Dafür hatte ich aber auch mit hohem Tempo ein sehr gutes Timing bei der Ballführung, konnte dabei schlagartig die Richtung wechseln, war sehr schnell und dann halt einfach sehr schwer zu stoppen, da wurden mir meine Schwächen verziehen“; schmunzelt der Wahl-Fischbecker heute.

Christoph Hanses in Action
Christoph Hanses in Action. Aus dem privaten Archiv von Hanses.
„Mit Frank Ordenewitz, Dirk Lellek, Gunnar Sauer, und dem Weltmeister von 1990, Günter Hermann, später dann mit Dieter Eilts, dem Europameister von 1996, hatten wir eine wirklich tolle Truppe. Im ersten Jahr schoss ich in der Vorbereitung Buden ohne Ende. Als es dann um die Punktspiele ging, habe ich den Sprung aus dem Bezirk der A-Jugend in die 3. Liga Herren erst so richtig zu spüren bekommen und eine Menge Lehrgeld bezahlt. Plötzlich war ich auf der Ersatzbank und sollte da auch lange Zeit bleiben. Keine schöne, aber lehrreiche Zeit…“, erzählt Hanses.

„Zum Ende der Saison hat Kalli Kamp nach einem Jahr wieder das Traineramt übernommen. Dabei kam es zu einem Testspiel von den Amateuren gegen die Profi-Mannschaft. Ich bin die letzten 20 Minuten eingewechselt worden. Danach wollte Rehhagel unbedingt wissen, wer 'der kleine Blonde' ist. Ich habe Jonny Otten – er gehörte nicht zu den langsameren Spielern in der Bundesliga – auf dem Flügel mehrmals locker überlaufen – mich wundert noch heute, dass er mich da nicht mal weggeknickt hat –, Rigobert Gruber ein paar Mal verarscht und Frank Neubarth im Mittelfeld kurz abgelaufen und vom Ball getrennt“, fährt „Chris“ Hansens grinsend fort.

„Von da an hatte ich bei Rehhagel einen Stein im Brett"

Werder Bremen Deutscher Meister 1985
Karikatur: Otto Rehhagel blickt neidisch auf die Leistungen der Amateure. Aus dem privaten Archiv von Hanses.
„Bei der Platzeinweihung auf dem Lande, Werder spielte damals gegen andere Profi-Teams im Umkreis, durfte ich dann gegen Arminia Bielefeld erstmals bei den Profis ran. Rehhagel sagte in der zweiten Hälfte nach einem Tor gegen uns: 'Geh du jetzt mal rein, Kleiner!' Uwe Reinders tippte den Anstoß zu mir und ich nahm den Ball, spielte alle aus, bin an Torwart Kneib vorbeigegangen, doch der konnte mich mit seinen 1,96m dann noch in letzter Sekunde am Torerfolg hindern. Rehhagel war hinterher total begeistert von der Aktion, aber Reinders hat mich gleich auf dem Platz angemacht: 'Bei uns Profis macht man solche Dinger rein!' Das war ne Ansage…“

„Aber von da an hatte ich bei Rehhagel einen Stein im Brett. Er hat mich in den ersten beiden Jahren auch nicht, wie sonst bei ihm üblich, gesiezt. Er hat immer 'Kleiner' zu mir gesagt und mich geduzt.“

„Mit 'Kalli' Kamp coachte uns bei den Amateuren zudem ein hervorragender Trainer. Er hat mir immer wieder deutlich gemacht, was aus mir hätte werden können, wenn mein Körper es zugelassen, ich nicht so schwere Verletzungen gehabt hätte: 'Wie du mit dem Arsch gewackelt und deine Gegenspieler wie Slalomstangen hast stehen lassen...' Das erzählt er noch heute. Er war früher für mich ein  'väterlicher' Trainer, hat sich sehr um mich gekümmert. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir noch immer ein freundschaftliches Verhältnis zueinander haben. 1985 wurden wir dann Deutscher Amateur-Meister. Eine richtig geile Sache.“

Im „Weser-Kurier“ heißt es: „Glückwunsch, Werder! Souveränes 3:0 im Amateur-Finale, (...) Der Jubel wollte kein Ende nehmen. Eine dicke grün-weiße Spieler-Traube lag auf dem regendurchtränkten Rasen. Dauerregen und ein tiefer Rasen sorgten dafür, dass es kein hochklassiges Finale wurde. Mit dem SV Werder wurde schließlich die dynamischere und technisch stärkere Mannschaft verdient Deutscher Amateur-Meister. Nach 1966 holten damit zum zweiten Mal die Werder-Amateure diesen Titel. Vor drei Jahren unterlagen die Bremer im Finale Mainz 05.“

Hanses erinnert sich mit Blick auf das Finale: „Aber wieder mal hat sich mein Körper gemeldet: Im Halbfinalrückspiel gegen Mainz 05 – wir hatten das Hinspiel in Mainz bereits 5:0 gewonnen, ein Tor hatte ich selbst gemacht – lag ich zuhause auf dem Sofa und konnte mich nicht bewegen: schwere Entzündung im Leistenbereich. Ich wollte im Endspiel natürlich unbedingt spielen. 'Kalli' wollte es natürlich auch. Ich habe zwar gespielt, musste aber unter Schmerzen vorzeitig raus. Das war aber beim Schlusspfiff vergessen, ein richtig geiler Moment! Im Weserstadion Deutscher Meister zu werden, das ist einfach Hammer!“

Morgen lest Ihr: Hanses steht der Weltauswahl des AC Milan im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister gegenüber...

SV Werder Bremen (Amateure) - DSC Wanne-Eickel  3:0


SV Werder Bremen (Amateure): Kröger - Lellek - Sauer - Noruschat - Klobke - Hanses (57. Wick) - Dressler - Gentzsch - Eilts - Herrmann (89. Wacha)
Trainer: Karl-Heinz Kamp

DSC Wanne-Eickel: Biermann - Wielert - Ptok - Timmler (78. Pietsch) - Wieczorek - Oesteroth - Fiolka - Lücke - Mikolajczak (62. Stimm) - Rothe – Regenbogen.
Trainer: Günter Luttrop

Tore: 1:0 Lellek (26. Min.), 2:0 Ordenewitz (74. Min FE), 3:0 Sauer (90. Min.)
Schiedsrichter: Wolf-Rüdiger Umbach (Rottorf)

Datum: Samstag, 22.06.1985, 15.30 Uhr
Stadion: Weserstadion Bremen
Zuschauer: 3.400
Gelbe Karten: Dressler, Ordenewitz - Mikolajczak, Timmler
Zeitstrafen: Klobke (66.), Dressler (67.) - Lücke (70.), Rothe (88.)

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