22.03.2020 11:43

Meldung


„Spiel unseres Lebens“: TuS-Buben stürzen Preußens Star-Ensemble!

Die Rivalität zwischen TuS Hessisch Oldendorf & Preußen Hameln in den 80ern / Zwei damals „junge Wilde“ mittendrin
Dirk Brockmann Rolf Schuenemann Fussball TuS Hessisch Oldendorf
Zwei lokale Fußballlegenden als „Grünschnäbel“ des TuS Hessisch Oldendorf: Dirk Brockmann und Rolf Schünemann. Quelle: TuS-Vereinsheft.
Von Oliver Steffan

Historische Einordnung

Die Rivalität zwischen den Hamelner Preußen und dem TuS Hessisch Oldendorf ist in den 80ern des vergangenen Jahrtausends eine besondere und jederzeit greifbar. Hier der edle Traditions-Club, der schon in den 50er und 60er Jahren beachtliche Erfolge feiert und spätestens mit dem Aufstieg in die  dritthöchste deutsche Spielklasse, die Amateuroberliga, im Sommer 1974 zu den führenden Fußballvereinen Norddeutschlands aufschließt. Etliche honorige Geschäftsleute unterstützen die 07er, es gehört zum guten Ton, im Preußen-Förderverein mitzumischen. Als 1977 die Aufstiegsrunde zur Zweiten Bundesliga erreicht wird, Tausende säumen das große Rund des Weserbergland-Stadions beim 1:0-Erfolg gegen den SVA Gütersloh, träumen viele Fußballfreunde schon vom ganz großen Sport in der heimischen Region. Vier Jahre später ist die große Euphorie verflogen, nach dem Abstieg in die Verbandsliga im Jahr 1981 folgen magerere Jahre für die Preußen.

Auf der anderen Seite erfolgt der kometenhafte Aufstieg des Underdogs, des TuS Hessisch Oldendorf, der nach dem Abstieg in die 2. Kreisklasse im Jahr 1969 am Boden liegt und zittern muss, dass der Spielbetrieb aufrecht erhalten werden kann. Doch dann nimmt Unternehmer Siegfried Gottwald das Heft ganz fest in seine Hand. Der Wesermöbel-Chef sorgt als Mäzen und Präsident in Personalunion für den märchenhaften Aufstieg des Dorf-Clubs, als in Hoffenheim noch mit Konservendosen gekickt wird. Die Verpflichtung erfahrener höherklassiger Akteure aus dem Schaumburger und Hamelner Fußballraum, die dem Werben des Selfmade-Millionärs nur zu gern nachgeben, zeitigt schon rasch erstaunliche Erfolge. Jährlich werden die jeweiligen Spielklassen als Aufsteiger mit Rekordzahlen verlassen. 1982 hat der rührige Fußballverrückte dann sein Ziel erreicht: Der TuS pflügt auch durch die Aufstiegsrunde zur Amateur-Oberliga und steigt nach einem 4:1-Erfolg im letzten Spiel beim zuvor Erstplatzierten, dem SC Urania Hamburg, triumphal in die dritte Liga auf.

Und dann kommt es zum großen Derby...

Die Protagonisten

TuS Hessisch Oldendorf 1987 Mannschaftsfoto Fussball
Die Mannschaft des TuS Hessisch Oldendorf aus dem Jahr 1987. Quelle: TuS-Vereinsheft.
Für Dirk Brockmann und Rolf Schünemann heißt es fünf Jahre später vor der Begegnung mit ihren Kameraden vom TuS, gegen ihre Jugendliebe aus Hameln am 06. September 1987 noch einmal ganz tief Luft zu holen.

Mit der 07-A-Jugend schaffen die beiden Youngsters 1984 den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. „Rolli“ Schünemann bombt die von Uwe Filla trainierten Preußen-Junioren mit 40 Hütten aus der Landesliga in die höchste deutsche Jugendklasse, der Verbands-Jugend-Liga. Hinten sichern Dirk Brockmann, „Ralle“ Scheler, Ralf Zöllner und Co. vor dem reaktionsschnellen Keeper Marius Marczik ab, im Mittelfeld treiben Thorsten Lorenz, „Andy“ Scheler und Thomas Fenske unermüdlich das Spiel nach vorn. Im Angriff sorgen Schünemann, Holger Elsner und Thomas Ludwig für die Tore.

Schünemann bleibt den Hamelnern, als er in den Seniorenbereich wechselt, treu, wird jedoch  im Verbandsliga-Aufstiegsjahr der Preußen im Sommer 1986 von der legendären Trainer-Ikone Reinhard „Fatty“ Wasner aussortiert: „Für dich reicht es in der Verbandsliga einfach nicht, Rolf. Wir planen hier ohne dich!“ So wechselt der gebürtige Pyrmonter zur Saison 1986/87 zum TuS, um seinem alten Trainer zu zeigen, dass er die Verbandsliga doch drauf hat…

Für das erste Herren-Jahr hat Dirk Brockmann eine schlaue Idee: Um sich an das Tempo und die härtere Gangart bei den „Großen“ zu gewöhnen, startet der Börry-Bub in der Bezirksklasse bei der TSG Emmerthal. Nach einem Jahr Lehrzeit fädelt „Rudi“ Henze, der Vater seines langjährigen Freundes „Olli“, den Drei-Klassen-Wechsel von der Bezirksklasse in die Verbandsliga ein. Bei den Vertragsverhandlungen im Frühjahr 1987 schlägt „Fuchs“ Henze noch einige in heutigen Zeiten undenkbare Klauseln heraus. Beispielsweise lässt Henze schriftlich festhalten, dass ihm Trainer Nolte, sollten Brockmanns Leistungen in der Saison-Vorbereitung stimmen, in den ersten fünf Punktspielen eine Einsatzgarantie gewährt!

Nach dem Abstieg aus der Amateur-Oberliga 1985 zieht sich TuS-Gönner Gottwald, auch enttäuscht von der mangelnden Unterstützung seitens der Stadt Hessisch Oldendorf, zurück: „Diese Stadt hat keinen Oberligisten verdient!“, lässt er das kicker-Sportmagazin wissen. Da die großzügige Unterstützung des Mäzens deutlich nachlässt, kehren viele „Alt-Internationale“ dem Club den Rücken, nun müssen die jungen hoffnungsvollen Talente der Region die Kohlen aus dem Feuer holen – und sie machen das mit Bravour.

Eine Woche vor dem großen Derby gegen die Preußen muss der TuS am 30. August 1987 beim Verbandsliga-Meister VfL Herzlake, der in der Aufstiegsrunde gescheitert isr, bestehen. Nach dem Warmmachen versammelt sich das Team noch am Mittelkreis. „Ich habe mich einfach auf den Rasen gelegt, ein Teppich sondergleichen, für einen Fußballer das Größte. So etwas hatte ich ich bis dato noch nie erlebt. Ich habe mich an meine ersten Jahre als junger Steppke auf dem holprigen Platz in Börry erinnert und dachte nur – man, was hast du für ein Glück, hier spielen zu dürfen!“, weiß Brockel auch mit einem Abstand von fast 33 Jahren, was er damals fühlte. Mit einem 2:2-Achtungserfolg im Gepäck treten Kapitän Günther „Auge“ Buchholz und seine Kameraden die Rückfahrt nach Oldendorf an.

Das Derby

TuS Hessich Oldendorf 1987 Portraits
Die Spielerportraits des TuS Hessisch Oldendorf aus dem Jahr 1987. Quelle: TuS-Vereinsheft.
Als die Preußen eine Woche drauf, am fünften Spieltag der noch jungen Saison, dem 07. September 1987, ins Waldstadion nach Hessisch Oldendorf reisen, ist der ganze Kreis elektrisiert. 1.600 Zuschauer wollen sich das Kräftemessen des Hamelner Star-Ensembles gegen die inzwischen jungen wilden Oldendorfer nicht entgehen lassen. Beide Teams sind ordentlich in die Saison gestartet und es kommt an jenem September-Tag zu einem echten Spitzenspiel.

07-Trainer Wasner macht den 19-jährigen Schünemann-Bewacher Ralf Scheler bei der Besprechung richtig heiß, die ehemaligen Mannschaftskameraden kennen sich aus dem Eff-Eff. Vor der Begegnung nimmt 07-Kapitän „Andy“ Loges, der mit „Rollis“ Vater noch gemeinsam, zu besseren Pyrmonter Zeiten, in einem Team spielte, den jungen Torjäger in den Arm und fragt den jungen Burschen augenzwinkernd: „Na, 'Rolli', wie viele Tore willst du heute machen?“ „So, zwei, etwa!“, antwortet der Oldendorfer Angreifer selbstbewusst, klopft seinem väterlichen Freund noch auf die Schulter und die Mannschaften betreten das Spielfeld.

Mit dem ersten gewonnenen Zweikampf gegen seinen Gegenspieler Stephen  „Potch“ Lehany merkt der Jüngste im Team, Dirk Brockmann, gerade 19 Jahre geworden: „Hier geht was! Die Zuschauer auf den Rängen standen dichtgedrängt, raunten und applaudierten nach meinem ersten Tackling – das ging runter wie Öl!“
Der TuS startet wie die Feuerwehr und schnürt die Hamelner von Beginn an in die eigene Hälfte ein. Bereits nach 17 Minuten bringt „Rolli“ Schünemann die Grün-Weißen in Führung. Nach einer Ecke von Reinhard „Gento“ Loges rutscht das Leder zum zweiten Pfosten durch, der blonde Stürmer braucht nur noch den Fuß hinzuhalten und schiebt zur Führung der Gastgeber ein. Preußen ist geschockt, sammelt sich, doch nach einem fantastischen Haberland-Solo über das halbe Spielfeld, erzielt Rolf Schünemann in der 27. Spielminute, nachdem Wolfgang Schultze im Hamelner Gehäuse den Haberland-Schuss mit größter Mühe abwehren kann, per Nachschuss die 2:0-Führung – und kommt damit seinem Vorhaben, das er gegenüber Loges äußert, nach. Wasner ist an der Seitenlinie kurz vorm Explodieren, die Zuschauer reiben sich die Augen, die favorisierten Preußen liegen zur Pause mit 0:2 zurück. Die TuS-Deckung um die kampfstarken Manndecker Buchholz und Brockmann, den sicheren Libero Rinne und den fehlerlosen Uwe Quindt zwischen den Pfosten steht wie eine Eins, im Mittelfeld laufen Ralf Fehrmann, „Toto“ Lorenz, Rainer Beißner, „Gento“ Loges und der überragende Frank Haberland den Preußen den Rang ab und vorn wirbeln der bewegliche Bernd Junk und der treffsichere „Rolli“ Schünemann. Während die Hamelner im Aufbau versuchen, den Ball umständlich kreiseln zu lassen, bringen die überfallartig und mit wenigen Spielzügen eingeleiteten Angriffsversuche der Oldendorfer stets Gefahr für das Schultze-Tor.

TuS Hessich Oldendorf 1987 Portraits
Die Spielerportraits des TuS Hessisch Oldendorf aus dem Jahr 1987. Quelle: TuS-Vereinsheft.
Wasner reagiert, wechselt zur zweiten Halbzeit mit Ismail Bildik einen dritten Stürmer ein und geht volles Risiko – mit Erfolg. Lehany, der britische Soldat der „28“, der sich ein wenig zurückfallen lässt, stellt für die Hamelner in der 52. Minute mit seinem Treffer zum 1:2 den Anschluss her und Loges erzielt zehn Minuten später per Strafstoß sogar den Ausgleich – doch am Ende jubeln die Oldendorfer. Frank Haberland ist es vorbehalten, in der 74. Minute die Entscheidung herbeizuführen.

Jubelnd liegen sich die Oldendorfer nach dem Schlusspfiff in den Armen.
Der konsternierte Hamelner Coach Wasner kündigt bereits unmittelbar nach Spielschluss eine härtere Gangart an: „Das wird personelle Konsequenzen haben!“
Oldendorfs Trainer Werner Nolte scheint mit seinem Team auf dem richtigen Weg zu sein und freut sich: „Wir hatten heute keinen einzigen Schwachpunkt!“ Dirk Brockmann ergänzt: „Wir sind in diesem Spiel förmlich über uns hinausgewachsen, haben eine bärenstarke Partie geboten, wurden nach der Begegnung mit 'Standing Ovations' in die Kabine begleitet und sind mit Rang zwei belohnt worden. Das hat uns für die gesamte Saison gepusht. Für 'Rolli' hat mich das besonders gefreut, 'Fatty' Wasner war echt bedient!“

Brockmann und Co. genehmigen sich bei der Feier nach dem Spiel den einen oder anderen „Hintenhoch“ zum Bier und verbringen – TuS-typisch – einen geselligen Abend nach dem großartigen Erfolg über die Preußen. Und: für die Verbandsliga reicht es für Schünemann dann ja doch...

Mannschaftsaufstellungen:


TuS Hessisch Oldendorf:
Quindt  -  Rinne  -  Brockmann  -  Buchholz (56. Min. Plazanic)  -  Lorenz  -  Haberland  -  Beißner  -  Fehrmann  -  Loges, R  -  Schünemann  -  Junk (64. Min. Günzel)
Preußen Hameln 07:
Schultze  -  Rogoznica  -  Scheler, R.  -  Schumachers  -  Kriks, A. (76. Min. Lücke)  -  Bicknell  -  Lübke  -  Loges, A.  -  Taylor (46. Min. Bildik)  -  Lehany  -  Giehr

Hier geht's zu Teil 2:

TuS Hessisch Oldendorf 1987 Mannschaftsfoto Fussball
 
22.03.2020

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