17.07.2020 08:08

Spiel meines Lebens - Teil 3


Hauschild: Fast Zweitliga-Aufstieg, „Feuerwehrmann“ & Beckenbauer-Elf

Legendäre Drittliga-Schlammschlacht zwischen Hameln & Pyrmont / „Günther Hauschild ist der Mann der Stunde"
Von Oliver Steffan

Preußen Hamelns Kader in der Amateur-Oberliga 1974/75
Preußen Hamelns Kader in der Amateur-Oberliga 1974/75. Obere Reihe v.l.: Trainer Rolf Paetz, Vorsitzender Heinz Mensing, Günther Hauschild, Bernd Schoster, Friedrich-Wilhelm Sievers, Wolfgang Heinrichsen, Rainer Ehlerding, Peter Rühmkorb, Wolfgang Thiele, Ligabetreuer Fritz Oehme, Peter Glaubitz. Untere Reihe v.l.: Norbert Irtel, Gerd Nowak, Werner Strobel, Michael Stautz, Jürgen Sikora, Karl Dohme, Volker Schröder, „Leo“ Förster. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
Auch in der Amateur-Oberliga kann Günther „Paule“ Hauschild seine Qualitäten unter Beweis stellen, spielt gegen hochklassige Gegner wie den VfL Wolfsburg, VfL Oldenburg, Holstein Kiel, SV Meppen, Arminia Hannover oder Bremerhaven 93.

Mit großer Spannung erwarten die Zuschauer das Derby am 08. Dezember 1974 in der dritten Liga zwischen den Pyrmontern und dem Rivalen aus Hameln. Bei absolutem Sauwetter strömen weit über 5.000 Unentwegte ins Stadion an der Südstraße. Unter katastrophalen Platzverhältnissen geben beide Mannschaften alles, doch feiern die Jungs von Pyrmonts Trainer Imre Vincze einen aufgrund der besseren kämpferischen Einstellung  letztlich verdienten 3:2-Erfolg. Nach Rissieks Führungstreffer für die Rot-Weißen gleicht „Goldköpfchen“ Irtel für die 07er aus. Defitowski und Hagen sorgen für eine beruhigende Führung der Pyrmonter, bevor erneut Irtel in der 89. Minute nur noch zum 2:3 verkürzen kann. In einer enttäuschenden Preußen-Elf sticht Hauschild noch hervor: „Günther Hauschild stellte seinen Formanstieg deutlich unter Beweis. Ihm gelangen einige geschickte Pässe und zudem war er ein kämpferisches Vorbild für seine Kameraden“, heißt es in der DeWeZet vom 09. Dezember 1974.

 Abschlusstabelle Amateur-Oberliga 1975
Abschlusstabelle Amateur-Oberliga 1975. Quelle: Dewezet.
„Dass Schiedsrichter Hanschke diese Begegnung angepfiffen hat, war ein Witz. Unter völlig irregulären Bedingungen war dem Zufall Tür und Tor geöffnet. Zudem wurde überhaupt keine Rücksicht auf die Gesundheit der Spieler genommen. Ich wüsste nicht, dass ich je wieder auf einem solchen Platz und unter solchen Bedingungen gespielt hätte“, ist „Paule“ noch heute bedient.

Auch im Rückspiel am 04. Mai 1975 halten sich die Badestädter schadlos, erkämpfen vor 5.000 Zuschauern im Weserbergland-Stadion ein 1:1; die Führung der 07er durch „Bur“ Sievers in der 26. Minute gleicht Pyrmonts „Andi“ Loges nach 55 Minuten aus.

Mit dem drittbesten Angriff (69 Treffer in 34 Spielen, Norbert Irtel mit 16 Toren, Gerd Nowak 11 Tore, Werner Strobel 9 Treffer sind die erfolgreichsten Schützen) und dem drittbesten Zuschauerschnitt (35.390 Zuschauer, im Schnitt 2.082 pro Spiel) schließen die Hamelner als Tabellenfünfter höchst respektvoll die erste Serie in der dritten Liga ab.

Gegen St. Paulis eisenharten Verteidiger Walter Frosch, der später in einem Promi-Spiel mit einer Packung Zigaretten in den Stutzen aufgelaufen ist – „Ich bin schnell eingewechselt worden, da habe ich sie noch dabei gehabt...“, - kreuzt Günther Hauschild seinerzeit auch die Klingen.

Von 1975 bis 1980 mischen die Preußen in der dritten Liga prima mit, kämpfen in Entscheidungsspielen im Jahr 1977 gegen den  SVA Gütersloh sogar um den Aufstieg in die zweite Liga – leider vergebens.

Der ISC Weserbergland.
Der ISC Weserbergland. Oben von links: Teamchef Thielke, Ehlerding, Mietzner, Schmidt, Schoster, Ovcharovich, Kotzian, Hauschild, Thiele. Unten von links: Makosch, Schlüter, Beyer, Klenner, Loges, Orlea, Sikora. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
„Wir spielten mit den Hamelnern damals auch gegen den aufstrebenden TSV Havelse, mit dem blutjungen Frank Pagelsdorf im Mittelfeld und Spielertrainer Hans Siemensmeyer, der die 96er als Kapitän in der Bundesliga jahrelang anführte und drei Nationalspiele absolvierte. Hans war auf dem Spielfeld ein verdammt harter Hund, gnadenlos, machte keine Gefangenen. Er hatte mich dann in einer Tour behakt, mehrfach erwischt und rannte in der zweite Hälfte an der  Seitenlinie hinter mir her, um mich umzuhauen. Ich passte den richtigen Moment ab und als er mich niederstreckte, bin ich ihm beim Sturz mit den Stollen einmal quer durchs Gesicht. Er blutete wie ein abgestochenes Schwein und schrie den Schiri an, dass er mich vom Platz stellen müsste. Der Mann in schwarz entgegnete nur kurz: 'Du hast doch mit der Scheiße angefangen!', da wurde er noch wilder. Nach Spielschluss bollerte Siemensmeyer an unsere Kabinentür, außer sich vor Wut bölkte er: 'Lasst mich rein, den pack ich mir.' Wir sind dann schnell durch einen Seitenausgang raus und nach Hause gefahren“, ist „Paule“ noch heute froh, dass ihm in Hannover damals nichts passiert.

ISC Weserbergland und die Franz Beckenbauer-Elf
ISC Weserbergland und die Franz Beckenbauer-Elf treffen aufeinander. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
„Außerhalb des Feldes und privat ist Hans eine Seele von Mensch, ein ganz feiner Kerl, den wir Jahre später auch im Hamelner 'Preußen-Freundeskreis' begrüßen durften. Der kann Geschichten erzählen“, ist Günther froh, dass der ehemalige Bundesliga-Star ihn beim Treffen nach langen Jahren nicht wiedererkennt.

Die Familie, die lange Zeit zurückstecken muss, steht dann ab 1977 im Vordergrund und so lässt der bald schon zweifache Familienvater Ende der 70er Jahre als Spielertrainer in der Reserve der Hamelner seine Karriere ausklingen.

Einmarsch im Spiel der Spiele gegen die Franz Beckenbauer-Traditionsmannschaft 1984
Einmarsch im Spiel der Spiele gegen die Franz Beckenbauer-Traditionsmannschaft 1984. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
Der inzwischen beim BHW arbeitende „Paule“ Hauschild verstärkt ab Anfang der 80er Jahre die Alten Herren und dann die Alt-Liga der Preußen, schnürt für die Prominenten-Elf langjähriger Klasse-Kicker der Region, den „ISC Weserbergland“, Mitte der 80er die Schuhe und erlebt, zumindest von den Namen und Erfolgen der Gegner, am 31. Mai 1984 das „Spiel seines Lebens“.

Franz Beckenbauers Autogramme auch in Hameln heißbegehrt
Franz Beckenbauers Autogramme auch in Hameln heißbegehrt... Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
„Solche Veranstaltungen haben damals die Massen noch echt begeistert. Über 6.000 Zuschauer waren gegen die 'Franz Beckenbauer-Auswahl', ein Team mit etlichen ehemaligen Nationalspielern, und sogar einigen Weltmeistern, im Stadion“, weiß der damals 36-Jährige zu berichten. „Wir hatten schon riesigen Respekt, haben uns aber achtbar aus der Affäre gezogen. Beckenbauer hat immer wieder die Abseitsfalle aufgebaut, in die wir häufig getappt sind.“ Nach dem Gewinn des Meistertitels mit dem HSV 1982, kehrt die „Lichtgestalt“ des deutschen Fußballs noch für eine Saison zum FC Cosmos New York zurück, bevor er 1983 seine Karriere beendet, aber noch immer voll im Saft steht.

Richtig die Hölle los – über 6.000 Zuschauer im Weserbergland-Stadion 1984
Richtig die Hölle los – über 6.000 Zuschauer im Weserbergland-Stadion 1984. Aus dem privaten Archiv von Hauschild.
„Zu den Schiedsrichtern hatte ich in meiner gesamten Fußballerzeit ein stets gutes Verhältnis. Das war durchaus zum Vorteil meiner Mannschaften. Man sieht sich ja im Leben immer mindestens zweimal“, weiß „Paule“ aus bester eigener Erfahrung zu berichten. „Wenn du einen Unparteiischen mal richtig blöde anmachst, dann ist doch klar, dass der dich auch Jahre später noch wiedererkennt und auch entsprechend pfeift. Nur bei einem Punktspiel in Coppenbrügge bin ich als Trainer ein einziges Mal mit einem 'Schwarzkittel' richtig aneinandergeraten. Der Herr hatte mich aber von Beginn an auf dem Kieker und hat es darauf angelegt, mich des Feldes zu verweisen – hat er dann auch geschafft. Mit August-Wilhelm Winsmann aus Heinsen hatte ich hingegen stets ein ausgezeichnetes Verhältnis. Ich habe mich immer gefreut, wenn er die Einladung zum 'Freundeskreis' angenommen hat. Häufig hat er in seiner Funktion als NFV-Vize-Präsident wichtige Neuerungen rund um den Fußball in Niedersachsen preisgegeben. Auf Kreisebene war der 'Lange', Carsten Hanke, mein Lieblingsschiedsrichter – unheimlich souverän, mit einer Riesen-Ausstrahlung und dem nötigen Gespür für die Situation. Leider weilt er nicht mehr unter uns“, gibt „Paule“ Einblicke in sein Verhältnis zur pfeifenden Zunft.

Klar ist, dass sich ein langjährig höherklassiger Kicker nach Ende der Laufbahn nicht gänzlich vom erfolgsorientierten Fußballsport verabschiedet. So ist es nur folgerichtig, dass „Paule“ 1986 zuerst die B- und dann 1989 die A-Lizenz erwirbt, obgleich er schon Jahre zuvor ins Trainergeschäft einsteigt.

Von 1983 bis 1986 trainiert Günther Hauschild BW Tündern in der Bezirksklasse Hannover und bereitet alles soweit vor, dass Frank Nowak ein Jahr später den großen Erfolg schafft und mit dem Windmühlendorf aufsteigt. Ab der Saison 1986/87 ist „Paule“ erneut für die 07-Reserve zuständig, nunmehr ausschließlich von der Trainerbank: „Der Aufstieg im Sommer 1988 war absolut verdient. Wir hatten eine Klasse-Mannschaft am Start, einen festen Stamm erstklassiger Kicker und immer wieder auch Verstärkungen aus dem Liga-Kader“, schwärmt der ehemalige Preußen-Coach von seiner Meister-Riege. Mit 48:12 Punkten und 99:37 Toren weisen die Mannen um Kapitän Michael Berger am Ende fünf Punkte Vorsprung auf den Vize-Meister, den TSV Barsinghausen, auf.

Preußen Hameln 07 II Meister der Bezirksklasse 1988
Preußen Hameln 07 II Meister der Bezirksklasse 1988. Obere Reihe v.l.: Betreuer Gisbert Ratsch, Betreuer Dieter Saake, Dirk Aschmuteit, Michael Berger, Thomas Pernath, Roddy Quartey, Ralf Kadagies, Frank Herzog, Anthony Brown, Günther Hauschild. Untere Reihe v.l.: Thomas Fenske, Frank Steinbrück, Kai Grunwald, Özcan Karakas, Markus Troche, Andi Scheler, Bernd Wode. Aus dem privaten Archiv von Hauschild. 
Auch für die Spielzeit 1988/89 gibt der erfolgreiche Coach den Hamelnern seine Zusage, als Übungsleiter zu fungieren, wird den Vertrag jedoch nicht komplett erfüllen. Nach der verkorksten Aufstiegsrunde in die Amateur-Oberliga starten die Hamelner unter Trainer Günther Blume im Sommer 1988 schwach in die neue Verbandsliga-Saison. Das Verhältnis zwischen dem Coach der Ersten, Günther Blume, und dem Trainer der Zweiten, Günther Hauschild, ist nicht das beste. Nach dem Winter, die Preußen stehen im Tabellenkeller, erklärt Blume nach einer 0:4-Klatsche gegen Eintracht Nordhorn Anfang März 1989 seinen Rücktritt und schmeißt die Brocken hin.

Schlechtes Timing beweisen die 07-Verantwortlichen bei ihren Entscheidungen hinsichtlich der weiteren Trainer-Verpflichtungen. Nachdem Günther Blume seinen Vertrag aufkündigt, präsentiert der Vorstand bereits am nächsten Tag den neuen Trainer, der allerdings erst zur neuen Saison ab Juli 1989 zur Verfügung steht. Franz Genschick, der ehemalige Profi und langjährige Spieler-Trainer und später Trainer des VfV Hildesheim sucht nach neuneinhalb Jahren in der Dom-Stadt nach einer neuen sportlichen Herausforderung und erfüllt dort seinen Vertrag bis Saisonende. Interims-Coach Günther Hauschild, der Erfolgs-Trainer der Zweitvertretung der Preußen, rückt in den Verbandsliga-Team auf und startet die „Mission Klassenerhalt“ mit zwei Siegen.

Trainer Günther Hauschild (re.): Zwei Spiele, vier Punkte – mehr geht nicht zum Start
Trainer Günther Hauschild (re.): Zwei Spiele, vier Punkte – mehr geht nicht zum Start... Foto: Heinrich Vollmer.
Gegen BW Lohne besorgt „Andi“ Scheler am 19. März 1989 in der 63. Minute die erlösende 1:0-Führung. Als Lohnes Torjäger Frank Schlarmann per Freistoß sechs Minuten später ausgleicht, scheinen die Felle der Hamelner davonzuschwimmen, doch ein Kracher von „Andy“ Kriks in der 75. Minute bedeutet das 2:1-Endergebnis und gleichzeitig einen guten Start für den neuen Coach Hauschild. Eine Woche später treten Kapitän Schumachers und seine Kameraden im Eilenriede-Stadion gegen die Reserve von Hannover 96 an. Wieder werden die Preußen, nach torloser erster Hälfte, nach dem Wechsel wach. Nach Roland Giehrs Treffer zum 1:0 in der 46. Minute erhöht „Pit“ Kriks per Strafstoß in der 56. Minute. Bürger kann für die „Roten“ nur zum 1:2 verkürzen.

Im Verein und dem kritischen Umfeld mehren sich schon die Stimmen, ob man nicht hätte auf Hauschild als Cheftrainer der Ersten bauen sollen. Aber: Der Prophet gilt ja bekanntlich nichts im eigenen Land...

Günther Hauschild: Mit den Preußen auf dem richtigen Weg
Günther Hauschild: Mit den Preußen auf dem richtigen Weg... Foto: Heinrich Vollmer
Sportjournalist Eberhard Gräf kommentiert die Lage bei den Preußen Mitte März 1989: „Günther Hauschild ist der Mann der Stunde. Er, der bislang immer im zweiten Glied gestanden hat, erweist sich plötzlich als Glücksgriff. Doch er scheint auch davon zu profitieren, dass der Rücktritt von Günther Blume einige Spieler zum Nachdenken gezwungen hat. Obwohl von den Namen fast die gleiche Formation, scheint doch eine andere Mannschaft auf dem Platz zu stehen. Nur so werden die Preußen den Abstieg verhindern können.“

Schlussendlich gelingt „Paule“ der Klassenerhalt tatsächlich und er rückt im Sommer 1989 wieder zurück ins zweite Glied, übernimmt erneut die Reserve in der Bezirksliga.

Freundschaftsspiel

31. Mai 1984, Weserbergland-Stadion Hameln

ISC Weserbergland - Franz Beckenbauer-Auswahl 2:4 (1:1).

ISC Weserbergland: Sikora - Makosch - Klenner - Loges - Orlea - Kotzian - Mietzner - Ovcharovic - Beyer - Hauschild - Schoster - Schlüter - Schmidt - Ehlerding - Thiele
Franz Beckenbauer-Auswahl: Böhs - Weber - Kremers - Schulz - Beckenbauer - Köppel - Grabowski - Netzer - Hölzenbein - Held - Herzog - Wosab - Cullmann - Emmerich
Tore: 0:1 Hölzenbein (28.), 1:1 Thiele (31.), 1:2 Beckenbauer (48.), 2:2 Loges (78.), 2:3 Netzer (68.) 2:4 Herzog (77.)
Zuschauer: gut 6.000
Schiedsrichter: Schulenburg (Laatzen)
6 / 76

Autor des Artikels

Team AWesA
Team AWesA
Das Team AWesA stellt Euch die aktuellsten Sportnachrichten aus Hameln-Pyrmont kostenlos zur Verfügung. Bei Fragen und Anregungen kannst Du uns gern kontaktieren. Schickt ihr uns Infos, bereiten wir diese zu vollwertigen Artikeln auf.
Telefon: 05155 / 2819-320
info@awesa.de

Webdesign & CMS by cybox