05.06.2020 08:10

Spiel meines Lebens - Teil 3


Meyers Rückkehr „nach Hause“ & die Geburt des „Kaisertrainers“

Meyer wird zweimal Kreismeister, kratzt am Kreispokal / „Wir waren einfach eine Einheit“
„Obwohl einige Jahre vergangen waren, waren der Verein, die Mannschaft und ich immer noch auf einer Wellenlänge. Und mit Markus Bredereck hat nach wie vor mein bester Kumpel dort gespielt. Es hat einfach unheimlich viel Spaß gemacht“, so Stephan Meyer, der für seinen Wechsel auch einen persönlichen „Abstieg“ in die 1. Kreisklasse, Staffel 2 in Kauf nimmt. Bitter: Diesmal ist Meyers Ära in Thal zwar erneut vom Erfolg gezeichnet, wird aber nicht von Erfolg gekrönt. Zweimal werden die Rot-Weißen Vizemeister, 2008/09 hinter der SpVgg. Bad Pyrmont II , 2009/10 hinter dem damals aufstrebenden TuS Hessisch Oldendorf, schaffen nicht den Sprung in die Leistungsklasse.

Dann denkt sich Meyer: Es gibt ja nicht nur Thal, sondern auch noch seinen MTSV Aerzen. Der Verein, bei dem er – abgesehen von einem Jahr in der Jugend – seine komplette Zeit als aktiver Fußballer verbracht hat. „Es war mein absoluter Traum, bei meinem Heimatverein Trainer zu werden“, sagt Meyer. Dafür nimmt er sogar eine Handlung in Kauf, die er davor und danach nie wieder vollzieht: Er bewirbt sich. „Ich habe dem damaligen wie heutigen Spartenleiter Karsten Hoppe gesagt: 'Wenn du einen Trainer suchst – ich habe Bock.' Gott sei Dank hat die Vereinsführung sich für mich entschieden.“ Das denkt sich nicht nur Meyer, sondern ganz sicher auch der MTSV. Denn unter Meyer setzt der Verein aus dem Herzen des Hummetals zu einem Höhenflug an, der bis heute anhält.

MTSV Aerzen Aufstieg Kreisliga
Der MTSV Aerzen steigt 2010/11 in die Kreisliga auf. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
In der Saison 2010/11 ist es schließlich so weit: „Stephan der Große“, wie er bei seinem heutigen Verein, der TSG Emmerthal, genannt wird, kehrt ins Stadion am Veilchenberg zurück. Nicht als Gegner, sondern als Trainer seines geliebten Heimatvereins. Für die Verantwortlichen schließt sich ein Kreis. Es sind nicht mehr die mittlerweile betagten Herren aus den 80er und 90er Jahren am Ball, sondern ihre Söhne. „Es war eine richtig geile Zeit. Ich bin in diesem Verein aufgewachsen, habe dort Freunde fürs Leben gefunden und plötzlich bin Trainer von ihren Kindern“, schwärmt Meyer. Patrick, Niclas und Dustin Hoppe, André von Conradi, Christian Böhm, Marcel Spatz, Marlon Reckmeyer – um nur einige zu nennen – spielen in Meyers Ära für den MTSV.

Doch fühlt sich Meyer nicht nur menschlich zu Hause, sportlich mausert sich Aerzen innerhalb kürzester Zeit zu einer festen Größe im Hameln-Pyrmonter Fußball, ist drauf und dran an die großen Zeiten vergangener Tage anzuknüpfen. Unter Meyer wird Aerzen in der Saison 2010/11 auf Anhieb unangefochtener Meister in der Leistungsklasse, feiert die Rückkehr in die Kreisliga. Mit elf Punkten Vorsprung auf den „ärgsten“ Verfolger SC Börry schließt die Meyer-Elf die Saison ab.

Der MTSV Aerzen in der Saison 2011/12
Der MTSV Aerzen in der Saison 2011/12. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
Und in der Kreisliga ist noch längst nicht Feierabend. Als Aufsteiger spielt die hochtalentierte Mannschaft auf Anhieb ganz oben mit – Erinnerungen an Kerstings legendären Durchmarsch in die Bezirksebene werden wach. Doch hat die SG Hameln 74, die „Übermannschaft“, besetzt mit zahlreichen höherklassigen Fußballern, schließlich die Nase vorne und auch die TSG Emmerthal spielt die stärkste Saison der 2000er Jahre. Aerzen landet schließlich auf Platz drei, setzt als Liganeuling aber eine Duftmarke, die wirklich jeder etablierte Kreisligist vernommen hat.

MTSV Aerzen Bezirksliga-Aufstieg
Rote Perücken müssen sein: Aerzen steigt 2012/13 in die Bezirksliga auf. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
Und dann ist die Kreisliga reif. Im Sommer 2012, vor der Saison 2012/13, wird die ohnehin schon starke Mannschaft, besetzt mit Könnern wie Patrick Hoppe, Marcel Spatz, Andrej Weirich, Sebastian Specht, Dennis Koch, Benno Reuke und Marlon Reckemeyer, noch weiter ergänzt: Agostino di Sapia, André Preuss, Marius Pieper, Florian Specht und Dennis Deppmeyer kommen. Im Winter stoßen noch Torben Göldner und Dominic Meyer dazu. Meyer übt sich in der Öffentlichkeit zwar im „dortmund'schen“ Understatement, insgeheim weiß er aber: Mit dieser Truppe ist der große Wurf möglich. Und dieser gelingt. Nach einem packenden Meisterrennen mit dem TSV Bisperode – der MTSV sammelt 78 Zähler, verliert nur zweimal, Bisperode hat vier Punkte weniger – knallen in Aerzen die Sektkorken, der MTSV ist Bezirksligist. Drei Jahre unter Meyer, zwei Aufstiege. Gleichzeitig wird „Kaisertrainer“ Meyer geboren, Kreismeister als Spieler und als Trainer werden nur ganz wenige.

Holger Ahlisch Trauertisch
Der MTSV Aerzen gedenkt seinem verstorbenen Betreuer Holger Ahlisch. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
In der Chronik „40 Jahre Kreisliga Hameln-Pyrmont“ sagt Meyer: „Wir waren einfach eine Einheit.“ Überschattet wird die große Meistersause jedoch von einem Trauerfall. „Traurig war der 3:1-Sieg zu Hause gegen Latferde. In dieser Woche ist unser damaliger Betreuer Holger Ahlisch verstorben. Im nächsten Spiel gegen Marienau haben wir einen Trauertisch gedeckt. Den Aufstieg haben wir Holger geschenkt. Neben Karsten Hoppe und Günther Opitz war Holger für mich eine der wichtigsten Personen in Aerzen. Leider konnten wir aufgrund unserer Abschlussfahrt nicht an seiner Beerdigung teilnehmen.“

André von Conradi Stephan Meyer Patrick Hoppe Aufstiegsfeier
Von links: André von Conradi, Stephan Meyer und Patrick Hoppe bei der Meisterfeier. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
In seiner vierten Saison (2013/14) schließt Meyer seine Aufgabe in Aerzen schließlich ab. In der Bezirksliga hält der MTSV knapp die Klasse – es ist das gleichzeitige Ende von Meyers Trainertätigkeit bei seinem Heimatverein. Bereits in der Winterpause erklärt Meyer am 14. Januar 2014: „Wir haben viel an der Mannschaft gearbeitet, auch an den Strukturen. Jetzt muss frischer Wind rein, damit sich mein Verein in der Bezirksliga etabliert. Die Grundvoraussetzungen sind geschaffen. Bei Karsten Hoppe möchte ich mich unheimlich bedanken, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, die erste Herren meines Vereins zu trainieren. Damit hat er mir einen Lebenstraum erfüllt!“

Stephan Meyer MTSV Aerzen Meisterfeier
„Genießt“ die Bierdusche: Stephan Meyer. Aus dem privaten Archiv von Meyer.
Dem Wunsch von Meyer kommen „seine“ Aerzener übrigens nach: Bis heute kickt die Mannschaft in der Bezirksliga. „Wir haben in Aerzen viel gefeiert, viel Spaß gehabt. Vielleicht war das eines unserer Erfolgsgeheimnisse. Die Chemie hat immer gestimmt. Die Krönung war natürlich die Kreismeisterschaft, die roten Perücken haben wir uns vorher auf Mallorca gekauft“, schwelgt Meyer in Erinnerungen. Warum er damals zurücktritt? „Die Spieler wurden immer besser, Aerzen wollte hoch hinaus. Ich wollte Platz für neue Impulse machen. Karsten und ich haben gemerkt, dass etwas Neues her muss.“

Etwas Neues sucht zu dieser Zeit auch Germania Hagen, gerade in der Bezirksliga-Relegation verprügelt worden, in die Kreisliga abgestiegen. Die Vorgabe: die sofortige Rückkehr in die Bezirksliga. Und wer könnte da besser passen als „Meister-Meyer“? „Wahrscheinlich viele“, dachte sich wohl der eine oder andere Hagener Zuschauer, als die Germanen in der Saison 2014/15 die Kupplung nicht nur einmal zu weit kommen lassen, lange nicht ihr Tempo aufnehmen können. Der Auftakt gegen die TSG Emmerthal misslingt völlig - Meyer wechselt zur Pause dreimal aus, im zweiten Durchgang bricht sich Marco Heetel drei Rippen, Hagen verliert zu zehnt 1:3 – und bis zur Winterpause läuft Hagen einem Aufsteiger hinterher. Der MTV Lauenstein, Kreisliga-Neuling, spielt eine unfassbare Hinrunde, führt die Tabelle nach der Hälfte der absolvierten Spiele mit zehn (!) Punkte vor der Meyer-Elf an. Gegenüber AWesA verkündet Meyer, die Meisterschaft längst abgeschrieben zu haben. Wer ihn kennt, weiß jedoch: so ein Quatsch.


Germanen-Coach Stephan Meyer.
Dass Hagen noch längst nicht geschlagen ist, beweist Germania in der Rückrunde, insbesondere nach dem Jahreswechsel. Die Blau-Weißen kommen hellwach aus der Winterpause, starten perfekt ins neue Jahr – und sind nicht mehr zu besiegen. Während Lauenstein das Momentum aufgrund der Wintermonate längst verloren hat, spielen die Hagener endlich ihre Klasse aus. Zwölf Spiele und zwölf Siege später ist die Saison vorbei und Hagen? Ist Meister. „Wir haben jedes Spiel nach dem Jahreswechsel gewonnen. Wir haben durchtrainiert, waren topfit und haben in den ersten Spielen nach der Winterpause optimal in den Rhythmus gefunden. Dieses Selbstvertrauen haben wir mitgenommen und dann lief es wie von selbst. Es war ein geiles Jahr“, schwärmt Meyer, der als Trainer seinen mittlerweile fünften (!) Titel auf Kreisebene feiert.

In der Bezirksliga stößt Hagen jedoch wieder an seine Grenzen. In der Saison 2015/16 belegt die Meyer-Elf den ungeliebten Relegationsplatz, muss in die Entscheidungsspiele gegen den Holzmindener Kreisligisten TSV Pegestorf und Eintracht Afferde gehen. Dort gelingt mit ganz viel Dusel schließlich der Klassenerhalt. Gegen Pegestorf liegt Hagen lange 0:1 zurück, kommt erst in den letzten Minuten durch Yousof Issa zum Ausgleich. Und gegen Afferde liegt der damalige Favorit sogar mit 0:2 zurück, doch Abbas Issa und Marco Unverzagt gelingt noch das 2:2 – mit zwei Remis bleibt Hagen in der Bezirksliga.

Im dritten Jahr ist schließlich Schluss für Meyer. Aus den ersten sieben Partien holt Hagen nur fünf Punkte, der bittere Abstiegskampf schwebt von Saisonbeginn an über der Germania. „Der Verein wollte ein ruhigeres Jahr als in der letzten Saison erleben. Bereits im September hat man mir mitgeteilt, dass mein bisheriger Co-Trainer Eldar Zahirovic übernimmt“, erinnert sich Meyer, der eine Schaffenspause einlegt – die erste seit vielen, vielen Jahren – und Ende Dezember 2016 schließlich bei der TSG Emmerthal für die Saison 2017/18 zusagt. Doch lautet seine Aufgabe bei den Grün-Weißen nicht, die Meisterschaft zu holen, sondern die junge Generation bei der TSG zu integrieren.


Stephan Meyer als Trainer der TSG Emmerthal.
Und wieder hat er Erfolg: Zwar spielt Emmerthal nicht ganz oben mit, unter Meyer reifen dafür viele ganz junge Spieler, teilweise noch nicht einmal in ihren 20ern, und untermauern ihre Herrentauglichkeit. Der Lohn: In der Saison 2018/19 zieht Emmerthal ins Kreispokal-Finale ein. Sensationell besiegt die TSG die „Übermannschaft“ Germania Hagen, wieder in die Kreisliga abgestiegen und mit einer für diese Spielklasse viel (viel, viel...) zu starken Mannschaft, im Elfmeterschießen. Meyer: „Das war mein größter Erfolg mit Emmerthal. Nicht das Finale, sondern dieses Halbfinale. Es gab in dieser Saison keine Mannschaft, die Hagen gewachsen war und wir haben sie besiegt. Mein Verteidiger Yannick Garbsch hat das Spiel seines Lebens gegen einen gewissen Herrn Florian Büchler gemacht, einer der besten Stürmer der Kreisliga-Geschichte, ehemaliger Regionalligaspieler. Dass Büchler dann auch noch den entscheidenden Elfmeter verschossen hat, schreibe ich Yannick zu. Nach dem Spiel kam Florian zu mir und meinte: 'Ich dachte beim Schuss, gleich kommt Yannick Garbsch von der Seite angesprintet'.“ Im Finale unterliegt Emmerthal schließlich dem TSV Bisperode, ebenfalls im Elfmeterschießen. „Ich habe gedacht, ich hole wenigstens einmal im Leben den Kreispokal. Aber wir haben es verbockt“, lacht Meyer, ergänzt aber anschließend mit ernster Miene: „Überhaupt so weit zu kommen, war von dieser blutjungen Mannschaft eine große Leistung – gerade mit diesem Verletzungspech, was uns heimgesucht hat.“

Etwas Gutes hat der verpasste Kreispokal-Sieg für Meyer ja: Wenn er ihn dann doch noch holt, fügt er seiner verrückten Fußball-Reise ein viertes Kaptiel in der Serie „Stephan Meyer - Spiel meines Lebens“ hinzu...

Zu Teil 1

MTSV Aerzen 1987/88
 
31.05.2020

„Meister-Meyer“: Fußball in Hameln-Pyrmont ohne Stephan Meyer? Undenkbar!

Meyer ist einer der ganze wenigen lokalen „Kaisertrainer" / Er ist so beliebt wie berüchtigt


Zu Teil 2

RW Thal Kreisliga Aufstieg 1999
 
03.06.2020

Meyers „Spiel des Lebens“: Historischer Kreisliga-Aufstieg mit Thal!

Im Jahr 1999 gelingt Meyer, Bredereck & Co. die Sensation / Auch mit Groß Berkel gelingt Meyer ein Aufstieg
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