24.03.2020 09:02

Meldung


„Spiel meines Lebens“: Litys wilde Bundesliga-Reise

Biancy Lity spricht über ihre ereignisreiche Laufbahn / „Ich möchte diese verrückten Jahre niemals missen“
Biancy Lity SV Meppen Fussball Zweite Bundesliga
Bianca Lity im Dress des SV Meppen. Foto: privat.
Sie gehört zu den besten Spielerinnen in der Geschichte des Hameln-Pyrmonter Frauenfußballs: Biancy Lity. Der heutige Trainerin der Oberliga-Frauen des SV Hastenbeck lernte das fußballerisch Einmaleins in Hameln-Pyrmont, genauer gesagt beim SSV Königsförde, BW Tündern und besagten Hastenbeckerinnen. Beim SVH sammelte sie zudem erste Erfahrungen im Frauenbereich, kickte Regionalliga-Nord und in der Jugend-Nationalmannschaft. Dort empfahl sie sich für höhere Aufgaben und wechselte 2006 zum FFC Heike Rheine, wo sie in der 1. und 2. Bundesliga spielte. Nach dem Abstieg mit Rheine, schloss sich Lity zur Saison 2008/09 dem Erstligisten Essen-Schönebeck an und noch zur Rückrunde ging es zum Ligakonkurrenten und Aufsteiger Herforder SV. Danach folgte ein Wechsel in die 2. Liga zu Victoria Gersten, ehe ihr Weg zum SV Meppen führte. Nach einer Schwangerschaftspause gelang ihr noch einmal das Comeback und Lity machte in der Saison 2013/14 noch 22 Zweiligaspiele. Im Anschluss folgte zugunsten der eigenen Familie der Rücktritt von der „großen Bühne“ - doch bald sollte sich noch einmal die Schuhe für Hastenbeck schnüren und dem Verein zum Oberliga-Aufstieg verhelfen. Im Folgenden spricht die Lity über ihre ereignisreiche Laufbahn.

Biancy Lity SV Meppen Fussball Zweite Bundesliga
Volle Kraft voraus: Biancy Lity treibt den Ball im Trikot des SV Meppen nach vorne. Foto: privat.
„Ein einziges Spiel des Lebens kann ich gar nicht hervorheben. Die gesamte Reise war für mich ein einziges Highlight. Mein erstes Bundesliga-Spiel werde ich zum Beispiel nie vergessen. 2006 sind wir mit Heike Rheine am ersten Spieltag auf den FFC Brauweiler Pulheim (heute: 1. FC Köln, Anm.d.Red.) getroffen und ich stand in der Startaufstellung. Ich war unglaublich aufgeregt und habe in der ersten Halbzeit nur Mist zusammengespielt (lacht). Meine Trainerin Nicole Werner meinte in der Pause: 'Jetzt bist du 45 Minuten in der Bundesliga dabei gewesen und jetzt darfst du auch mal anfangen Fußball zu spielen.' Danach lief es ein bisschen besser, als die Aufregung verflogen war. Am Ende haben wir 6:2 gewonnen.

Direkt am nächsten Spieltag stand dann das Spiel gegen den 1. FFC Frankfurt an. Zu dieser Zeit war der FFC das Maß aller Dinge im Frauenfußball und hatte mit Spielerinnen wie Birgit Prinz absolute Weltklasse im Kader. Über 2.000 Zuschauer waren in Frankfurt im Stadion. Wir haben gefightet ohne Ende und ich habe gegen die Topspielerin Kerstin Garefrekes gespielt. Sie hat in diesem Spiel kein Tor geschossen und wir haben sensationell ein 0:0 errungen. Damit hatte im Vorfeld niemand gerechnet.


Bianca Lity im Hastenbecker Dress.
Kurios war auch das Spiel bei Bayern München in dieser Saison. Das Spiel hat am Mittwoch, den 29. November 2006 stattgefunden. Man darf nicht vergessen, dass Bundesliga-Spielerinnen zu dieser Zeit lange keine Profis waren. Ich konnte diese ganzen Strapazen nur mitmachen, weil ich zu diesem Zeitpunkt studiert habe. Ich bin also an besagtem Mittwoch um 5 Uhr morgens aufgestanden und mit meinem Auto zum Kamener Autobahnkreuz gefahren, wo ich in den Mannschaftsbus gestiegen bin. Von da aus sind wir dann bis nach München gefahren, haben um 19 Uhr gespielt und dann auch noch mit 1:2 verloren. Ich kann mich noch erinnern, dass Günther Wörle, der damalige Trainer von Bayern München, mich sehr gelobt hat. Trotzdem war ich natürlich fertig mit den Nerven. Das muss man sich vorstellen: eine 24-stündige Reise für zwei Stunden Fußball und dann fährst du auch noch ohne Punkte nach Hause. Die Mädels haben in den Gängen des Busses geschlafen. In Kamen bin ich noch in mein Auto gestiegen und dann Hause gefahren. Um 7 Uhr am Donnerstag stand an der Haustür mein Vater, der gerade zur Arbeit wollte (lacht). Ich kann mir bis heute nicht erklären, wir wir das durchgemacht haben.

Leider sind wir am Ende der Saison abgestiegen. Gegen die Großen haben wir meist gut mitgehalten, die direkten Duelle gingen aber zu oft verloren. So ist es bekanntlich meistens bei den Absteigern: In den entscheidenden Momentan haben uns die Knie geschlottert.

Besonders stolz bin ich darauf, dass ich nach meiner ersten Babypause noch eine Saison lang in der zweiten Bundesliga für den SV Meppen gespielt habe. Das war ein großer Traum von mir und ich bin meiner Familie bis heute dankbar, dass sie mich so sehr dabei unterstützt hat, diesen Traum zu verwirklichen.


Heute gibt Lity sie ihre Erfahrungen an die jüngere Generation als Trainerin weiter.
Beendet habe ich meine Bundesliga-Laufbahn schließlich aufgrund meiner Familie. Der Aufwand war einfach viel zu groß, ich wollte mich voll auf meine Familie konzentrieren. Als ich meinem Mann Hendrik dann so langsam auf die Nerven gegangen bin, hat er mich dazu animiert, doch wieder Fußball zu spielen (lacht). Also habe ich im Sommer 2014 die Vorbereitung beim SV Hastenbeck unter Trainer Jens Günther mitgemacht. Eigentlich wollte ich mich nur fit halten. Am Ende hatte ich aber wieder so viel Spaß am Fußball, dass ich ihm zum Ende der Vorbereitung eine Nussschokolade und meinen Spielerpass geschenkt habe.

Letztlich war Bundesliga-Frauenfußball zu dieser Zeit ein riesiger Aufwand mit ganz wenig Ertrag. Finanziell gesehen, war es mit einem Minijob neben dem Studium vergleichbar. Als kleines Mädchen bist du natürlich ein bisschen naiver und denkst, dass alles so ähnlich wie bei den Männern abläuft. Die Realität war eine ganz andere. Frauenfußball war auf diesem Niveau nur machbar für eine Spielerin, wenn sie die entsprechenden Freiheiten im Privatleben hatte. Zu dieser Zeit habe ich meine Familie kaum gesehen, war nur unterwegs. Für eine Trainingseinheit bin ich bis zu acht Stunden gefahren und das mehrmals die Woche. Man muss schon positiv verrückt sein, um sich das alles anzutun (lacht).

Was mir bis heute fehlt, sind die Freundschaften, die entstanden sind. Auf meinem Weg habe ich viele tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich nach wie vor Kontakt pflege. Leider können wir uns nicht mehr so häufig sehen. Mittlerweile haben viele eine Familie gegründet und wohnen überall verteilt. Immerhin spielt mit Britta Kappel eine ehemalige Mitspielerin von mir in Hastenbeck, das freut mich sehr. Dass ich meine Laufbahn beendet habe, habe ich nie bereut. Sonst hätte ich keine Familie gründen können und das war mir viel wichtiger. Ich möchte diese verrückten Jahre trotzdem niemals missen. Diese Erinnerungen kann dir keiner mehr nehmen und ich kann meine Erfahrungen nun als Trainerin an die nächsten Generationen weitergeben.“ 

Biancy Lity Abschied Bundesliga Frauen Fussball
Dieses Trikot schenkte Hendrik Lity seiner Frau Bianca zum Ende ihrer Bundesliga-Karriere...
Biancy Lity Abschied Bundesliga Frauen Fussball
...auf der Rückseite sind all ihre fußballerischen Stationen abgebildet.

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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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