23.01.2024 10:36
Interview
Ein Hamelner bei den Frankfurter „Adlern“
Im Interview schildert B1-Kapitän Mathis Müller seine Eindrücke aus dem Praktikum im NLZ bei Eintracht Frankfurt
Mathis Müller gehört zu den Leistungsträgern bei der B1 des JFV Hameln.
Achja, die Praktikumszeit. Für den einen oder anderen sicherlich nicht mehr als eine Notwendigkeit in der Schullaufbahn, für Mathis Müller aber wahrscheinlich eine Chance, um die ihn viele andere Fußball-Enthusiasten beneiden werden. Denn der ehrenamtlich engagierte und auch selbst hochveranlagte Kapitän und Kicker der Landesliga B-Junioren des JFV Hameln befindet sich momentan im Nachwuchsleistungszentrum (kurz NLZ) vom Bundesligist Eintracht Frankfurt für ein dreiwöchiges Schulpraktikum. Im Interview schildert der 16-jährige Innenverteidiger seine Eindrücke von der Struktur beim „Eintracht-Nachwuchs“, welche Erfahrungen er aus seiner Praktikums-Zeit mitnehmen kann und vieles mehr.
Mathis, Du absolvierst ein Praktikum, um das Dich viele fußballbegeisterte Schülerinnen und Schüler sicherlich beneiden: Du bist im NLZ von Eintracht Frankfurt unterwegs. Wie bist Du an diesen sicherlich begehrten Praktikumsplatz gekommen?
„Bevor ich anfange, muss ich einmal sagen, was es für ein Privileg ist, bei solch einem großen Verein sein dreiwöchiges Schülerpraktikum zu verbringen - Danke! Mein Ziel bei der Praktikumssuche war es von vornherein, mir etwas zu suchen, bei dem ich zu 100 Prozent hinter stehe und bei dem ich mir vorstellen könnte, so etwas auch nach der Schule zu machen. Ich habe recht früh angefangen, ich glaube im März 2023, mich umzuhören. Soweit ich mich erinnern kann, hat mein Vater mich auf die Idee gebracht, Frau Thiele, eine Lehrerin, die über ihren Freund Kontakte zu den Adlerträgern hat, von meiner Schule zu fragen, ob es nicht irgendwie machbar wäre, bei der Eintracht das Praktikum zu machen. Dank Annabell Thiele und ihrem Freund Niklas Lanwehr entstand der Kontakt zu Steffen Haas, früher Profispieler beim Karlsruher SC und nun Leiter der Abteilung Sporttechnologie bei Frankfurt. Nach den ersten Gesprächen mit ihm habe ich mich schon sehr wohl gefühlt und gemerkt, was ihm der Club bedeutet. Nach einigen weiteren Telefonaten und WhatsApp-Nachrichten stand dann Mitte Mai mein Praktikumsplatz fest. Es hat mich offengesagt schon gewundert und natürlich auch außerordentlich gefreut, bei einem europaweit bekannten Verein mein Praktikum machen zu dürfen.“
In welchem Beruf absolvierst Du Dein Praktikum bei der Eintracht?
„Ich würde sagen, es ist eine gute Mischung von allem. Einerseits bin ich bei Trainern dabei, die sich um die sportliche Entwicklung der Spieler kümmern und darf sie auf dem Platz begleiten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch eine Reihe von Pädagogen, die sich um die Spieler kümmern oder auch Projekte zusammen mit den Trainern und Mannschaften entwickeln. Diese wirken sich mental auf die Spieler aus, um besser mit Druck umgehen zu können oder das Teamgefühl zu stärken - auch ein sehr wichtiger Beruf in einem so mental belastbaren Sport. Man merkt aber auf jeden Fall ein gutes und familiäres Arbeitsumfeld im NLZ. Alle harmonieren wie eine große Mannschaft zusammen.“
In welche Bereiche hast Du bereits „hineinschnuppern“ dürfen – und was möchtest Du unbedingt noch sehen?
„Anfangs wurde ich gefragt, wo ich denn gerne einmal reinschauen würde. Meine Idee daraufhin war: Ich würde gerne Sachen sehen, in die ich bisher keinen Einblick hatte und worunter ich mir noch nicht viel vorstellen konnte. Dabei ist mir als erstes Scouting, Analyse und Social-Media-Arbeit in den Kopf gekommen. Am ersten Tag bin ich mit Philipp Hochgesand, der wie Steffen ebenfalls in der Sporttechnologie aber auch im Scouting tätig ist, durch das NLZ gelaufen und er hat mich allen Beteiligten einmal vorgestellt. Außerdem hat er mir das Proficamp grob gezeigt, wir haben eine Stadiontour gemacht und am Ende ist er mit mir noch durch Frankfurt gefahren und hat mir die schönsten Orte gezeigt. Unter anderem eine besondere Pizzeria in Frankfurt, in der ich seitdem häufiger war. Sie ist deshalb so besonders, weil es von außen ein kleiner, unscheinbarer Ort ist und von innen eine ganz besondere Stimmung hat und natürlich gibt es auch Pizza (lacht). Das hat mir abgesehen vom Fußball gezeigt, wie schön Frankfurt sein kann. In der ersten Woche, die sozusagen am Dienstag begann, durfte ich dann unter anderem bei der U19, U15, U12 und U9 mitlaufen und habe dort schon eine sehr große Professionalität gesehen. Die Teams sind teilweise mit einem Staff von fünf bis neun Trainern, Atlethiktrainern, Physios, Analysten, Teammangern und Zeugwärten ausgestattet. In erster Linie wahnsinnig beeindruckend und nachvollziehbar. Da habe ich mich ehrlich gesagt aber auch gefragt, ob das noch gut ist, wenn die Spieler in solch einem jungen Alter schon so professionell arbeiten können. Vielleicht verlieren sie dadurch die Wertschätzung und ihr Ziel, in den Lizenzspielbereich zu kommen. Bei manchen mag das stimmen, aber alle, die ich kennenlernen durfte, waren außerordentlich nett und hilfsbereit, wenn ich Fragen stellte oder zum Beispiel mit einem UEFA Pro-Lizenz-Inhaber über Fußballtaktiken philosophierte - völlig absurd. Weiter ging es dann in der zweiten Woche mit Analyse. Ich durfte mir angucken, wie Profi-Analysten arbeiten, und auch selbst das eine oder andere Spiel analysieren. Dennoch ein hochsensibles Thema im Profibereich, da es um so viele spielentscheidende Infos geht. Dabei hat mich sehr beeindruckt, mit was für einer Sorgfalt die Analysten, in Gegneranalysen oder Spieleranalysen, ihre Arbeit machen. Am vergangenen Freitag durfte ich mit auf einen Scoutingauftrag und an dem darauffolgenden Wochenende bin ich mit auf ein U17-Turnier in Wiesbaden gefahren. In der letzten Woche bekam ich ein paar Einblicke in die Lizenzspielabteilung, wo Steffen und Philipp unter anderem auch arbeiten. Auch wenn das NLZ schon wahnsinnig professionell aufgestellt ist, ist der Proficampus nochmal eine ganz andere Nummer und hat natürlich auch seinen eigenen Charme. Letztendlich habe ich eigentlich alles gesehen, was ich wollte und wovon ich früher immer nur geträumt habe - dafür bin ich Steffen und Philipp extrem dankbar, dass sie mir so etwas ermöglicht haben.“
Du bist trotz Deiner jungen Jahre bereits ehrenamtlich beim JFV Hameln sehr engagiert, unter anderem auch als Cheftrainer. Was nimmst Du aus Deinem Praktikum mit, um es möglicherweise auch beim JFV umzusetzen?
„Puh, da gibt es einiges, was ich gerne mitnehmen und umsetzen möchte. Ein Beispiel wäre die Social-Media-Arbeit, die ich zum Teil schon im JFV machen darf und noch etwas professioneller gestalten möchte. Außerdem würde ich gerne Dennis Schmidt, der U9-Trainer im NLZ und auch ein hervorragender Pädagoge, erwähnen. Er hat mir beispielsweise gezeigt, wie wichtig es ist, dass nicht nur der Inhalt stimmen muss. Man muss ihn auch altersgerecht vermitteln können, denn ohne den richtigen pädagogischen Ansatz können die Kinder den Spaß am Fußball verlieren. Dann würde selbst der beste Inhalt auch nichts mehr bewirken. Außerdem ist mir auch aufgefallen, dass die kleinen Dinge, wie Trainingsplanung oder Pünktlichkeit, schon viel Professionalität hervorrufen können. Ich denke, nach dem Praktikum werde ich viele Sachen anders machen und versuchen, den JFV – zumindest so gut es geht – auf ein weiteres, noch besseres Level zu bringen. Ich habe viele neue Ideen, die ich gerne weitergeben und umsetzen möchte.“
Welche Highlights sind Dir bisher begegnet, an die Du Dich sicherlich noch lange erinnern wirst?
„Eigentlich sind die drei Wochen ein einziges Highlight. Viel Spaß hat mir zum Beispiel die Leistungsdiagnostik mit der U19 gemacht oder mit Duarte Saloio, dem U15-Cheftrainer, über Trainingsplanung und einen 2-2- oder 2-1-1-Aufbau in der Halle zu debattieren. Es gab aber auch Highlights abseits des Fußballs, wie ein Spiel der Skyliners (Basketball) oder das Runterkommen in der Pizzeria mit dem Inhaber Nabil, einem waschechten Italiener. Aber wenn ich drei Highlights nennen würde, die ich nicht mehr vergessen werde, wäre das wohl der Scouting-Auftrag vergangenen Freitag mit Profiscout Sebastian Frank, der 6:1-Sieg der U19 über Viktoria Köln in der neuen DFB-Campus Halle oder der Abschluss, der noch ansteht: das Mainderby Frankfurt gegen Mainz, bei dem ich Steffen und Philipp bei ihrem typischen Arbeitsablauf begleiten darf.“
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