23.09.2010 09:10

Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“ – Das Berlin-Tagebuch


Am Morgen geht´s um die Plätze – und abends zum Tanz

Mittwoch, 22.09.2010, vierter Tag / Siegerehrung und Players Night
Torjubel
Jubel nach dem Erfolg über Bremen im letzten Spiel.

Das Aufstehen fällt den Jungs durchaus schwer und schwerer. 06.15 Uhr müssen wir heute hoch, um 07.15 Uhr wird gefrühstückt und um 08.00 Uhr marschieren wir ein letztes Mal die gut 20 Minuten ins ca. drei Kilometer entfernte Sportforum, der Heimstätte des Abonnementmeister der DDR in den achtziger Jahren und Stasi-Clubs BFC Dynamo Berlin.

Nachtrag zu gestern: Kurios war, und die einzige glatte Sechs im zwischenmenschlichen Bereich in den ganzen Tagen, dass die Bayern-Spieler uns Salzhemmendorfer als "Dorf-Fußballer" bezeichnet haben. Zweifelsohne haben sie damit recht. Allerdings war dies natürlich abschätzig und wenig schmeichelhaft gemeint, von Akteuren einer Truppe, die bis zu unserem Aufeinandertreffen selbst keinen Sieg eingefahren und nur mit einer Riesenportion Dusel gegen uns gewonnen haben, jedoch recht armselig.

Ein Wort noch (Teil 1) zum Hotel: Das Hotel `Kolumbus`, das Sportlerhotel in Berlin; Athleten, vor allem junge Sportler, die zu Deutschen Meisterschaften, Europa- und Weltmeisterschaften in die Landeshauptstadt reisen, finden hier nahezu optimale Vorbereitungsmöglichkeiten vor. Das Frühstück und auch Abendessen ist auf die Bedürfnisse der Sportler zugeschnitten; Müsli, Obst, Joghurts und ein Buffett mit Eiern und dem Angebot, sich für den gesamten Tag mit Lunch-Paket einzudecken, Größe nach Bedarf, sorgen schon am Morgen für gute Laune. Das Essen abends ist ordentlich, abwechslungsreich, schmackhaft und ein Nachschlag gern möglich. Tagungs- und Konferenz-Räume laden ein zu Versammlungen, Besprechungen hinsichtlich der Taktik, des Spielsystem und der Einstimmung auf den anstehenden Wettkampf. Die Mitarbeiter des Drei-Sterne-Hotels sind sehr höflich, zumeist junge Mädels, die wirklich hübschesten, haben immer ein offenes Ohr. Der Hotel-Manager hat klare Vorstellungen bzgl. der Einhaltung der Hausordnung; bei Verstößen gegen diese ist klar formuliert, dass nach einer Verwarnung bei gröberen Verstößen von der gesamten Gruppe, das Hotel zu verlassen ist.

Ein Wort noch (Teil 2) zur Disziplin der Truppe: Sowohl die Fußballer als auch die Schülergruppe haben sich ganz toll verhalten; bis auf Kleinigkeiten, mal zwei, drei Minuten zu spät zum Treffpunkt, mit anschließendem Einlauf, ziehen alle voll mit. Dabei unterstützen die mitgereisten Eltern aufopferungsvoll und mit großer Nachsicht und Wärme; hier schon einmal vielen, vielen Dank. Wer es kennt, eine Gruppe Jugendlicher im Alter von 13-15 Jahren in einer Großstadt zu betreuen, weiß was läuft, weiß aber auch, wo es Probleme geben kann...

Ein Wort noch (Teil 3) zum Wetter: Wir müssen im Vorfeld sehr artig gewesen sein! Auch die Wettkampfbedingungen für die Sportler hinsichtlich des Wetters sind als nahezu optimal einzuschätzen. Es gab keinen Regen, die Zuschauer mussten einige Male leicht schlottern, weil der Wind im Osten der Hauptstadt reichlich pfiff; alles bestens. Und das Sahnehäubchen gab es gestern beim Hertha-Spiel. Die Sonne begleitete uns auf dem Weg ins Olympia-Stadion und auch während der Begegnung, es war ganz einfach spitze. Auch am heutigen Tag absolutes Knallerwetter.

Ein Wort noch (Teil 4) zu den Sportstätten: Das Areal rund um das BFC-Stadion mit etwa zwölf Plätzen ist zwar schon ein wenig in die Jahre gekommen und ähnlich wie das vor gut zwanzig Jahren untergegangene System der ehemaligen DDR ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Das BFC-Team spielt längst in der Oberliga (5. Liga) und allzu viel investiert wird nicht mehr in Renovierungsarbeiten. Allerdings sind die Mitarbeiter im BFC-Vereinsheim rührig und darum bemüht, dass der Verein nicht untergeht. Wobei sanitäre Einrichtung und Service - "nu ma gaaaanz langsam" - als eher suboptimal zu bezeichnen sind.

Noch ne glatte Sechs, und zwar die zweite und letzte, ist das Schild im Frühstücksraum am heutigen Tag. `Brötchen, die mitgenommen werden, kosten 0,50 Euro`. Für Kicker, die bis zum Abend unterwegs sind und erst dann wieder essen werden eine Unzumutbarkeit und einfach nur frech. Wir schmieren uns Brote, doch auch für ein belegtes Brot, ist ja kein Brötchen (!!!), soll der Kollege Hunold bezahlen. Es gibt, völlig zurecht, Ärger. Herr Hunold fragt, an wen er das Geld bezahlen solle und was das denn solle...

Um 09.00 Uhr erfolgt der Anpfiff zum unwiderbringlich letzten Spiel einer Mannschaft der KGS Salzhemmendorf beim Bundesfinale in Berlin. Diese nicht von der Hand zu weisende Tatsache ist darin begründet, dass wir in den nächsten Jahren nicht mehr den Hauch einer Chance haben dürften gegen Schulen wie die KGS Hemmingen, die im Sportbereich aufrüstet, aufgrund der Kooperation mit Hannover 96 auch zur Eliteschule des Fußballs aufgestiegen ist und ganz, aber wirklich ganz andere Bedingungen haben als die Gallier aus dem Ostkreis. Die Jungs, die in Auswahlmannschaften spielen, erhalten Frühtraining, eine spezielle Förderung im physischen und vor allem aber spielerischen Bereich. In diese Phalanx der Großen werden wir definitiv nicht mehr eindringen können. Umso schöner, dass wir diese Woche hier genießen und in uns aufsaugen dürfen.
Simon Eickhoff
Simon Eickhoff im Vorwärtsgang.

Der Knaller für uns schlechthin; als wir erfahren, welche Teams das Finale bestreiten, sind wir nicht erstaunt. Die beiden Mannschaften, die sich in unserer Vorrundengruppe durchgesetzt haben, Cottbus und Berlin, haben das Endspiel erreicht. Der Drittplatzierte, Mecklenburg-Vorpommern hat das Finale in der Trostrunde, das Spiel um Platz 9, erreicht und schießt die Pfälzer mit 5:0 vom Feld. Damit wird noch einmal klar, was für ein Riesenglück wir mit dieser Ober-Hammer-Gruppe bei der Auslosung hatten...

Unser Gegner, die Wilhelm-Olber-Schule Bremen hat die gleichen Probleme wie wir: Sie warten ebenfalls auf das erste Erfolgserlebnis...

Traditionell wird vor dem Spiel seitens der Schiedsrichter alles genauestens kontrolliert. Neben der Passkontrolle prüft der Schwarzkittel auch, ob die Radler in der Trikothosenfarbe daherkommen, Schienbeinhalter (!!!) dürfen nicht getragen werden, das Trikot muss in die Hose; jawohl, der Herr!

Anpfiff zum finalen Spiel. Nach vier Minuten schickt Malte Fitzner den flinken Kevin Schumacher. Kurzer Antritt, Kopf geht nach oben, beherzter Schuss ins lange Eck, die umjubelte Führung der Salzhemmendorfer macht gute Laune. Verteiltes Spiel, Halbzeit.

Acht Minuten sind im zweiten Durchgang gespielt; Ballverlust im Mittelfeld, die Abwehr ist aufgerückt, der Ball wird durchgesteckt, Alex kommt weit heraus, der farbige Sturmtank der Bremer umkurvt unseren Keeper und schiebt aus 25m ins leere Tor. Mist, schon wieder eine Führung verspielt.

Doch die Jungs kommen zurück. Nach Klasse-Zuspiel von Nico Granzow in den freien Raum tritt Hendrik Eickhoff an, überläuft die Bremer Abwehr und vollendet gekonnt mit einem satten Schuss und seinem dritten Turniertor ins linke untere Eck; das muss doch langsam aber reichen. 2:1 und noch sechs Minuten zu gehen. Bremen spielt sich am linken Flügel durch, Robin Groß stört geschickt, der Ball rollt Richtung Eckfahne, prallt gegen diese, ein Bremer Spieler schaltet fix, bringt den Ball vor das Tor, Gewühl und zack liegt der Ball im Netz. Der erneute Ausgleich lähmt die Spieler, jetzt müssen wir uns ins Elfmeter-Schießen retten. Tatsächlich pfeift der Unparteiische das kleinste Finale ab. Der Schiri und die Kapitäne treffen sich, um die Mannschaft auszulosen, die den ersten Strafstoß tritt. Betreuer Walter Hunold nominiert Alex Rehberg, Kevin Schumacher, Hendrik Eickhoff, Lennart Held und Malte Fitzner als Schützen.

Alex semmelt das Leder humorlos volles Programm ins linke obere Eck, 1:0 für uns. Den Bremer Schützen hypnotisiert der Auswahlkeeper und entschärft den ersten Bremer Elfmeter. Kevin Schumacher, Nerven wie Drahtseile, verlädt den Bremer Hüter und zirkelt seinen Strafstoß ins linke Eck. 2:0. Bremen angeknockt zeigt jetzt, dass das Elfmeter-Schießen nichts für schwache Nerven ist; der Bremer Schütze setzt den Ball neben das Tor. Henne Eickhoff wuchtet den Ball zum 3:0 in die Maschen, dessen Tor Nummer vier nach den drei Toren in der regulären Spielzeit. Bremens Schütze verkürzt zum 1:3. Lennart Held hat die Entscheidung auf dem Fuß, trifft er, dann haben wir das BIONADE-Finale gewonnen. Kurzer Anlauf, Torwart ausgeguckt, eingelocht und die Arme hochgerissen. Wir haben es geschafft, der Sieg ist unser. Auch wenn die Jungs nicht großartig jubeln, ihre Freude unterdrücken wollen, stolz sind sie über den ersten Sieg allemal und erreicht ist Rang 15 im Bundesfinale 2010; die fühnzehnstbeste Mannschaft deutschlandweit; super, Männer!

Um 11.00 Uhr, wir sind natürlich faire Sportskameraden, versammeln sich Fans und Spieler, um dem Finale beizuwohnen. Cottbus trifft auf Berlin. In unserer Vorrundengruppe schlug Berlin die Cottbusser mit 1:0. Die Meinung der neutralen Salzhemmendorfer Zuschauer vor dem Spiel: Cottbus macht´s, als Mannschaft, geschlossene Einheit, sind sie stärker, Berlin hat zweifelsohne die zwei, drei besten Einzelspieler, mit Spannung erwarten wir das Spiel.

Wir sind die wahren Propheten. Cottbus geht durch den überragenden Mittelstürmer in Front, kassiert allerdings kurz vor dem Halbzeitpfiff den Ausgleich. In der zweiten Halbzeit wogt das Spiel hin und her, Cottbus markiert die Führung zum 2:1 und hält mit großer, bisweilen übertriebener Härte den Vorsprung. Cottbus stellt somit den Deutschen Meister 2010 in der WK III. Herzlichen Glückwunsch!
Siegerehrung
Mitten drin: Die Ostkreisler bei der Siegerehrung in der Max-Schmeling Halle.

Die Jungs kehren zurück zur Unterkunft, ruhen sich ein wenig aus, damit für die Abschlussveranstaltung in der Max-Schmeling-Halle alle fit sind.

Die neben den jeweiligen Spielen aufregendste Aufgabe steht heute Abend bevor. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Sportarten – im Fußball, Beach-Volleyball, Tennis, Leichtathletik, Hockey, Golf, Rudern, Schwimmen - des Bundesfinals geben sich die Ehre. In der Max-Schmeling-Halle, die Platz für 11.900 Zuschauer bietet, steppt der Bär.

Ab 18.00 Uhr ist Einlass, um 19.00 Uhr beginnt die Siegerehrung mit Show-Programm unter Moderation von Dr. Karsten Holland.

Zwischen 21.00 und 23.00 Uhr findet dann die Players Night mit Disco statt, 8.000 Sportler, Trainer, Fans sind zugegen, zudem wird die Finalzeitung ausgegeben.

Die Abschlussveranstaltung mit den Ehrungen in den jeweiligen Sportarten und dem großartigen Showprogramm sprengte letztlich alle Erwartungen, unsere kühnsten Erwartungen wurden deutlich übertroffen.
Players Party
Ausgelassene Stimmung: Auf der Players Party ging die Post ab.

Weltklasseakrobaten, Ballkünstler zeigen ihr Können und als Ehrengast der Schirmherr der Veranstaltung `Jugend trainiert für Olympia` wird unser Bundespräsident Christian Wulff mit viel Beifall empfangen. Das olympische Feuer wird entfacht, die Bundesländerflaggen werden von knuffigen Vorschulkindern hereingebracht, die stolz die Fahnen präsentieren, alles sehr feierlich. Tosender Applaus, wenn die Siegerteams geehrt werden, auf das Siegerpodest steigen und ihre Pokale erhalten. Feuchte Augen und Gänsehaut pur. In der anschließenden Disco tanzen tausende Jugendliche ohne Ende. Um 0.05 Uhr kehren wir ins Hotel zurück. Hier könnten noch zig tolle Geschichten folgen, doch morgen mehr...

An dieser Stelle soll nicht auf das vorweggegriffen werden, was noch im Resümee dieser Fahrt kommen wird. Nur eines: was die Jungs in diesen Tagen erlebt haben, das werden sie noch in 50 Jahren ihren Enkeln erzählen, und das ist mit keiner Silbe übertrieben; für solch eine Begebenheit hat der Mann mit den tausenden Armbändern, Wolle Petry, ein passendes Lied erfunden...
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Autor des Artikels

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