16.12.2022 08:50

Interview


„Mehr Spaß, eine Mannschaft zu trainieren als selbst zu spielen“

Nico Scholz - ausgewandert nach Bayern, um seinen Traum zu verfolgen
Nico Scholz Deutsches Fussball Internet Trainer Studium
Nico Scholz gibt einem seiner US-amerikanischen Austauschspieler Anweisungen.
Ausgewandert nach Bayern, um seinen Traum zu verfolgen - Nico Scholz spielte für BW Tündern und die JSG Hameln-Land bzw. JFV Hameln leidenschaftlich gerne Fußball, ehe die lokalen Fußballgrößen Lutz Klingen und Axel Lehnhoff dem jungen Kicker eine neue Rolle näherbrachen: die des Trainers. Dabei stießen Klingen und Lehnhoff auf fruchtbaren Boden und selbst Scholz war überrascht, dass ihm das Übungsleiterdasein mehr Spaß macht als selbst zu kicken. Offenbar so sehr, dass er sein großes Hobby zum Beruf gemacht hat. Beim Deutschen Fußball Internat im bayerischen Bad Aibling wird Scholz zu einem erstklassigen Trainer ausgebildet und absolviert parallel ein Sportmanagement-Studium. Im Interview spricht er über sein neues Leben.

Nico, Du bist mit gerade einmal 20 Jahren bereits Trainer in der Akademie „Deutsches Fußball Internat“ (DFI). Wie ist in Dir die Idee gereift, bereits in so jungen Jahren konsequent eine Trainerkarriere anzustreben?
„Anfangs hatte ich die Rolle als Trainer gar nicht so auf dem Schirm und habe natürlich viel lieber selbst gespielt. Erst als mein kleiner Bruder mit Fußball angefangen hat und ich regelmäßig bei ihm zugeguckt habe, kam das Thema auf. Lutz Klingen, der die Mannschaft meines Bruders gecoacht hat, kam irgendwann auf mich zu und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, auch mal in diese Trainerrolle hineinzuschnuppern. Ich wollte mich einfach mal ausprobieren und habe mit meinem Vater gemeinsam eine Jugendmannschaft aushilfsweise betreut. Dabei hatte ich großen Spaß, es wurde immer mehr und dann kam auch Axel Lehnhoff als Trainer dazu, den ich noch aus meiner Zeit bei der Kreisauswahl kannte. Mit ihm habe ich gemeinsam die C-Junioren der JSG Hameln-Land in der Landesliga trainiert und hatte Riesenspaß. Axel hat mich unterstützt wo es ging, zum Beispiel bei der C-Lizenz, die ich dann ziemlich schnell absolviert habe. Ab einem gewissen Zeitpunkt, den ich gar nicht genau festlegen kann, habe ich gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, eine Mannschaft zu trainieren als selbst zu spielen – das hat mich selbst überrascht (lacht).“

Wie bist Du auf diese durchaus besondere Trainerausbildung in Verbindung mit dem Studium des Sportmanagements gekommen?
„Ich habe für mich entschieden, dass ich die Leidenschaft Fußball zum Beruf machen möchte. Anfangs habe ich mich für Praktika beworben, darunter auch bei der Fußballschule von Werder Bremen. Parallel wurde ich auf das Deutsche Fußball Internat in Bad Aibling in Bayern aufmerksam. Dort wird eine sehr interessante Kombination aus Trainerausbildung vor Ort und einem Sportmanagement-Studium in München angeboten. Also habe ich mich dort beworben und wurde nach zwei Übungseinheiten für die letzte offene Stelle genommen. Ich wohne im Internat, die Studiengebühren werden für mich bezahlt und ich bekomme sogar noch Taschengeld (lacht). Für mich ist die Kombination aus Trainerausbildung und Management perfekt, denn ich möchte mich in beiden Bereichen bilden und es gibt viele Überschneidungen. Außerdem möchte ich mir beide berufliche Wege offen halten, da man gerade im Fußball nur ganz schwierig planen kann.“ 

Du bist seit mittlerweile eineinhalb Jahren in Bad Aibling. Wie hast Du die bisherige Zeit erlebt?
„Im ersten Jahr wurde ich in ein Talentprojekt mit Fußballern aus den USA eingebunden. Das war für mich besonders, weil es U19-Spieler waren und ich selbst war auch erst 19 Jahre alt. Das ist für einen Trainer schon eine besondere Situation, auf die ich mich persönlich erst einstellen musste. Da wurde ich ins kalte Wasser geworfen, denn trotz des nicht vorhandenen Altersunterschieds musste ich meine Rolle als Trainer finden und erstmals habe ich Spielanalysen auf Englisch gehalten. An so etwas wächst man ungemein, vor allem wenn die Rückmeldungen positiv sind und man in seiner Persönlichkeit bestätigt wird. Darüber hinaus sind zwei der Spieler zu 1860 München gewechselt, was uns natürlich sehr freut, denn es ist eine Bestätigung, dass wir etwas richtig machen. Ansonsten war es einfach beeindruckend, zu sehen, wie intensiv die Zusammenarbeit mit den Spielern ist. Im Amateur- bzw. Lokalfußball sieht man sich nicht so häufig, als dass man sich taktisch intensiv auf einen Gegner vorbereiten könnte. Im Internat setzt man hingegen Wochenschwerpunkte, sieht die Spieler jeden Tag, spricht jeden Tag über Fußball und die Ergebnisse wirken sich viel mehr auf die Spiele aus. Auch aktuell bin ich nach wie vor in die Zusammenarbeit mit amerikanischen Schülern eingebunden und coache als Co-Trainer unsere U14.“
Welche Unterschiede zwischen der Arbeit als Trainer beim Lokalverein bzw. Fußballinternat hast Du darüber hinaus wahrgenommen?
„Man trainiert einzelne Aspekte des Spiels viel intensiver und ausgiebiger. Außerdem wird viel mehr Wert auf die individuellen Fähigkeiten gelegt. Wenn die Spieler vormittags zur Schule gehen, haben sie zwischendurch häufig Individualtraining, um an ihren eigenen Fähigkeiten zu arbeiten. Nachmittags findet das Mannschaftstraining statt. Darüber hinaus filmen wir unsere Spiele, sezieren unsere Leistungen mit Videoanalysen bis ins Detail und arbeiten sehr intensiv mit den Jungs zusammen. Das ist beim lokalen Verein vor Ort in dieser Intensität überhaupt nicht möglich. Wir haben Spieler aus der ganzen Welt, die bei uns im Internat wohnen, aber auch Spieler, die in der Nähe wohnen und bei uns spielen.“

Als welchen Typ Trainer würdest Du Dich selbst beschreiben?
„Ich bin nicht der Typ, der auf klare Hierarchien besteht. Ich bin gerne nah an den Spielern dran und scherze auch mal mit. Was das Spielerische betrifft, mag ich Ballbesitzfußball. Sobald wir den Ball verlieren, wollen wir ihn innerhalb von drei Sekunden zurückerobern. Außerdem ist es im Jugendbereich sehr wichtig, dass man ein gesundes Mittelmaß zwischen Ergebnis- und Entwicklungsorientierung findet. Bei den NLZ der Bundesliga-Vereine wird viel Wert auf  die Ergebnisse gelegt, was häufig zulasten der fußballerischen Entwicklung geht. Außerdem wird der Fokus bei vielen Vereinen auf wenige talentierte Spieler gelegt, während die anderen Spieler – grob  gesagt – nur die Mannschaft 'auffüllen'. Wir möchten hingegen jeden einzelnen Spieler besser machen und ihm die Chance geben, sich bei uns bestmöglich zu entwickeln. Das ist auch mein  persönlicher Ansatz und Anspruch. Zum Beispiel hatten wir in der letzten Saison einen Spieler bei uns, der aus der Kreisliga kam und sich derart schnell entwickelt hat, dass er mittlerweile beim FC Ingolstadt in der U16-Landesliga spielt.“

Was möchtest Du in Deinem Dualen Studium noch dazulernen?
„Ich habe zuletzt meine B-Lizenz gemacht und schiele schon auf die A-Lizenz. Dank meines Studiums und weiterer Fortbildungen wie der Lizenz als Videoanalyst kann ich bereits einiges in die A-Lizenz-Lehrgänge einfließen lassen. Ansonsten interessiere ich mich sehr für den Athletikbereich, möchte für mich aus jeder Trainingseinheit so viel wie möglich ziehen und so viele Impulse wie möglich mitnehmen. Außerdem möchte ich im medizinischen Bereich noch etwas dazulernen. Bei Verletzungen möchte ich zumindest grob erkennen können, was los ist und entsprechend darauf reagieren mit ersten Maßnahmen, bevor das Fachpersonal den Rest übernimmt.“

Wie denkst Du an Deine Zeit bei BW Tündern und JSG Hameln-Land bzw. JFV Hameln zurück?
„Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, denn ohne diese ersten Schritte, die ich als Trainer dort gemacht habe, hätte ich wahrscheinlich nie diese Leidenschaft für mich entdeckt. Ich möchte mich auch bei allen meinen bisherigen Trainern bedanken. Man nimmt automatisch die Dinge, die einem von den Trainern vermittelt werden, in die eigene Trainerpersönlichkeit mit auf. Mittlerweile kann ich sagen, dass ich sehr gute Jugendtrainer hatte (lacht).“
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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