12.10.2022 09:48

Interview


Die Judo-Zwillinge: Über internationale Turniere, Schulstress & Hardcore-Diäten

„Besonders in meiner Schulzeit haben sich viele Probleme aufgetan“
Sebastian Nicolas Kunze Judo (C) Sportfotos24
Die Judo-Zwillinge: Sebastian (li.) und Nicolas Kunze. Foto: Sportfotos24.
Diese beiden Zwillinge starten durch: Sebastian und Nicolas Kunze haben beim MTSV Aerzen mit Judo begonnen und sind mittlerweile auf der nationalen bzw. internationalen Bühne unterwegs. Auf welche Schwierigkeiten sie dort getroffen sind, was sie nie hat aufgeben lassen und wie gut sie sich für die anstehende Deutsche U21-Meisterschaft vorbereitet fühlen, erzählen sie im Interview.

Sebastian und Nicolas, Judo gehört gemeinhin zur Klasse der Kampfsportarten. Im Vergleich zu anderen Disziplinen ist der Sport  jedoch nur einem Verband in ganz Deutschland unterstellt, dem   Deutschen Judo-Bund. Worin unterscheidet sich auch die Kampftechnik  von anderen Sparten, beispielsweise dem Karate?
Sebastian und Nicolas Schulze: „Naja, der wichtigste Unterschied, den man wissen sollte, ist, dass wir Judoka weder schlagen noch treten. Des Weiteren ist der Bodenkampf ein Element, das sich grundsätzlich noch einmal von Kampfsportarten wie Karate oder Boxen unterscheidet. Wo beim Boxen eine Unterbrechung nach dem Fall auf den Boden erfolgt, wird der Kampf im Judo weitergeführt, sodass man weiterhin Punkte erzielen kann – durch Würge- und Hebeltechniken oder das Festhalten des Gegners auf dem Rücken. Ebenfalls ein maßgeblicher Unterschied ist die Hauptart, Wertungen zu erzielen: das Werfen auf den Rücken des Gegners durch verschiedene Eindrehtechniken, Kontertechniken und Fußwürfe. Hier ist zum Beispiel der Seoi-nage eine sehr beliebte Technik, da man sie aus so ziemlich jedem Griff werfen kann, sowie der O-goshi, der gerade bei Anfängern sehr beliebt ist. Was auch nicht vergessen werden darf, ist der Respekt, der beim Judo gegenüber dem Gegner als auch dem Kampfrichter auf der Matte herrscht. So wird beim Judo jedes unsportliche Verhalten sofort mit einer Strafe, in den meisten Fällen aber auch der Disqualifikation geahndet.“

Ihr seid nicht nur im Kreis und Eurem Heimatverein – dem MTSV Aerzen – für Eure Künste auf der Matte bekannt. Mit dem JT Hannover seid Ihr in der 1. Judo-Bundesliga auf deutschlandweiter Bühne vertreten und auch  bei internationalen Wettbewerben habt Ihr bereits für Furore gesorgt. Woher kommt Eure Leidenschaft für diesen Sport?
„Unsere Leidenschaft für Sport im Generellen hat sich schon sehr früh durch unseren Bewegungsdrang in der Kindheit abgezeichnet. Zum Judo sind wir dann relativ früh durch unseren Vater gekommen, der selbst jahrelang Kampfsport betrieben hat. Das war im Alter von sechs Jahren und seitdem stehen wir täglich auf der Matte. Die Vielseitigkeit des Sports und auch die Werte, die vermittelt werden, waren immer Grund für uns, am Ball zu bleiben und uns ständig zu verbessern.“
Sebastian Kunze Judo von Sportfotos24
Sebastian Kunze in Action - er wirft seinen Gegner zu Boden. Foto: Sportfotos24.
Sebastian, Du hast dir Ende September die Goldmedaille bei der Norddeutschen Meisterschaft gesichert. Zuvor hast Du Dir bereits den Landesmeistertitel in der Altersklasse U21 erkämpft und auch beim Vergleichsturnier mit den besten deutschen Sportlern Deiner Altersklasse gut abgeschnitten. Warum läuft es bei Dir derzeit so gut?
„Dazu muss ich vorab sagen, dass ich durch mein Abitur einen großen Rückstand aufgebaut habe, da der Leistungssport und die gute schulische Leistung auf einer 'normalen Schule' kaum unter einen Hut zu bekommen sind. Daher habe ich mich in diesem Jahr deutlich mehr auf die Prüfungen fokussiert, wodurch die Leistungen beim Judo natürlich deutlich bergab gegangen sind. Ich habe mich dazu entschieden, nach dem Abitur wieder alles für den Sport zu geben, was natürlich hartes und kontinuierliches Training bedeutet sowie die richtige Ernährung. Disziplin ist der Punkt, durch den man alles schaffen kann, wenn man bereit dafür ist, alles zu geben und dadurch habe ich es geschafft, wieder in meine Topform zu kommen und sogar darüber hinaus.“
 
Nicolas, Du warst zuletzt bei der Junioren-Europameisterschaft in Prag unterwegs. Im Mai hast Du Dir zudem die Silber-Medaille bei Junior European-Cup in Malaga gesichert. Nicht zu vergessen ist außerdem Deine Leistung beim WM-Debüt in Almaty (Kasachstan), bei dem Du Dich sofort in die Top Ten vorgearbeitet hast. Wie bekommst Du die vielen nationalen und internationalen Reisen mit Schule bzw. Beruf und Privatleben unter einen Hut?
„Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass immer alles reibungslos läuft. Besonders in meiner Schulzeit haben sich viele Probleme aufgetan. Mehrere Wochen am Stück im Ausland auf Wettkämpfen und Trainingslagern in der Welt verteilt zu sein, bedeutete für Mitschüler oft ausgelassener Urlaub, doch für mich hieß die Abwesenheit, den gesamten verpassten Schulstoff nachzuholen und mich neben hartem Training für anstehende Klassenarbeiten vorzubereiten. Der Umzug ins Sportinternat hat mir einiges erleichtert. So konnte ich mir Trainingswege ersparen und in der gewonnenen Zeit Hilfeleistungen in Anspruch nehmen. Dazu kommt, dass die Schule, die in Kooperation mit dem Internat steht, mir die Möglichkeit geboten hat, morgens statt Unterricht eine Trainingseinheit zu absolvieren. Auch wenn mein Alltag sehr stressig und anstrengend ist, hilft es mir stets, meine Ziele vor Augen zu führen, damit ich sehe, wofür ich täglich trainiere und so werde ich mir bewusst, dass sich der Fleiß irgendwann auszahlen wird.“

Sebastian Kunze Judo von Sportfotos24
Den Gegner fest im Griff: Sebastian Kunze. Foto: Sportfotos24.
Ihr beide kämpft in den Gewichtsklassen der Leichtgewichte. Während Du, Sebastian, in der Klasse bis 60 Kilogramm Körpergewicht antrittst, gehst Du, Nicolas, für die 66 Kilogramm-Kämpfer an den Start. Welche Rolle  spielen dabei Ernährung und Fitness, um die Gewichtsklassen einzuhalten?
„Sowohl Fitness als auch die Ernährung sind natürlich unbeschreiblich wichtig. Die Trainingseinheiten, die sich über unseren Tag verteilen, helfen uns grundsätzlich, nicht viel Masse aufzubauen und ein Basisgewicht zu halten. Die Ernährung ist dann besonders im Zeitraum vor den Turnieren der wichtigste Punkt beim Erreichen des Gewichtslimits. Vor allem bis 60kg ist es die letzten zwei Wochen vor der Waage eine sehr harte Zeit. Als Beispiel musste ich vor der norddeutschen Meisterschaft 8.5kg abnehmen um meine Gewichtsklasse zu erreichen, sodass die Ernährung größtenteils aus Salat und Diätshakes bestand. Die letzten drei Tage gab es für mich kein Essen mehr und auch das Trinken wurde auf ein Minimum beschränkt, wozu die Sauna und das Laufen in Winterjacke und Schwitzanzug zu meinem Alltag gehörten. Dadurch habe ich es geschafft, in knapp zehn Tagen mein Kampfgewicht von 60 kg zu erreichen. Ich muss dazu sagen, dass eine solche Ernährung in Verbindung mit dem Wasserverlust äußerst ungesund ist und das keine Methode ist, die langfristig zu Gewichtsverlust führen wird.“ 

Am 16. Oktober geht es für Euch beide nach Frankfurt/Oder. Dort werdet Ihr Euch im Rahmen der deutschen Junioren-Meisterschaft im Einzel mit den besten U21-Judokämpfern des ganzen Landes messen. Mit welchen Ambitionen und Zielen blickt Ihr dem Turnier entgegen?
„Wir wissen um unsere Favoritenrolle in unseren Gewichtsklassen. Klar ist für uns aber, dass das Ziel nicht darin besteht, zu gewinnen. Unser Ziel ist es, fokussiert auf der Matte zu stehen und keinen Druck an uns herankommen zu lassen. Wenn wir diese Punkte erreichen, ist der Titel nicht das Ziel, sondern das Ergebnis, was wir uns verdient haben. Die Medaille wäre selbstverständlich eine sehr schöne Belohnung, die wir uns wünschen würden. Wir wissen, wie hart wir trainiert haben und dass wir top vorbereitet sind, also haben wir auch keine Zweifel.“
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Autor des Artikels

Robin Besser
Robin Besser
Robin kam am 01. August 2022 als fester Neuzugang ins Team AWesA, war zuvor als freier Mitarbeiter aktiv. Sein Herz schlägt für den Lokalsport und die Vereine im Weserbergland.
Telefon: 05155 / 2819-320
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