10.06.2020 08:33
Spiel meines Lebens - Teil 2
Trainer-Legende Jäkel: Chaos in Pyrmont, Erfolgsära in Coppenbrügge
Jäkel: „Glück und Ellenbogen gehören im Leben zusammen, wenn man voran kommen möchte“ / Gründung einer Hameln-Pyrmonter Trainer-Vereinigung
Von Oliver Steffan
Für zwei Jahre, ab Sommer 1971, heuert der Ur-Preuße Norbert Jäkel bei seinem Heimatverein an, übernimmt die im Bezirk spielende 07-Reserve: „Willi Schleich, damals Liga-Trainer nahm mir vor der Abfahrt zu einem Punktspiel nach Alfeld noch einen wichtigen Spieler weg und ich habe den verletzten 'Kalli' Schelenz mitnehmen müssen. Von da an war mir klar, dass ich nur noch Erst-Herren-Teams trainieren würde“, kennt Jäkel die Probleme eines Reserve-Coaches. „Nachdem ich aus Altersgründen mit der Schiedsrichtererei aufgehört hatte, konzentrierte ich mich auf das Trainer-Geschäft. 1973 erinnerte sich der 'alte Piel', der Coppenbrügger Vorsitzende, an meine Tätigkeit in der Jugend und verpflichtete mich für das Bezirksklassen-Team der ersten Herren des MTV. Hermann Ulrichs, der damalige Spielobmann der Preußen, war nicht so begeistert, dass mir einige Spieler in den Ostkreis folgten. Es gab großen Ärger mit den Freigaben und die Spielerpässe wurden schließlich 'aus der Luft' überreicht“, scheut Jäkel von jeher keinen Konflikt.
Meister der Bezirksklasse Hannover 1974/75: MTV Coppenbrügge. Hintere Reihe v.l.: Baenisch II, Funk, Hopf, Hanke, Schelenz, Boos, Zschoch, Groß, Honke, MartinCallé, Trainer Norbert Jäkel. Vordere Reihe v.l.: Knoop, Neugebauer, Rauschenberg, Hofer, Brandes, Fuhrmann, Mügge, Piel. Zum Aufgebot gehört außerdem Baenisch. Aus dem privaten Archiv von Jäkel.
Überhaupt weiß sich der ehrgeizige Jäkel, der in Afferde sein Eigenheim gebaut hatte, sowohl im Beruf als auch im Sportleben durchzusetzen. In seiner Ausbildung bei den OKA-Teppichwerken steht er 1950 noch in den Hallen an den Maschinen, macht auf dem zweiten Bildungsweg Karriere und trägt später in leitender Funktion Verantwortung bei OKA und nachfolgend den Vorwerk-Teppichwerken: „Glück und Ellenbogen gehören im Leben zusammen, wenn man voran kommen möchte. Bei mir war beides in den entscheidenden Momenten dabei“, gibt er grinsend zu. Mit dem MTV Coppenbrügge gelingt ihm 1976 der Aufstieg aus der Bezirksklasse in die –liga und auch dort mischen die Jäkel-Buben ordentlich mit:
„Wir hatten Mitte der 70er eine echt gute Mannschaft am Start, waren auch erfolgreich, scheiterten aber in gewisser Regelmäßigkeit immer knapp am Aufstieg in die Verbandsliga. Mit 'Menne' Piel, Burkhard Hanke, 'Kalli' Schelenz und Bernd Bänisch waren wir in der Offensive überragend besetzt. 1975/76 erzielten wir unglaubliche 113 Tore in der Meisterschaft, zudem schlugen wir im Pokal die Pyrmonter Star-Truppe mit 5:1“, schwärmt Jäkel noch heute von seiner vermeintlich besten Mannschaft, die er trainiert hat.
Die Spielvereinigung Bad Pyrmont, gerade aus der Dritten Liga abgestiegen, verpflichtet den Mann mit dem markanten Seitenscheitel zur Saison 1977/78, um die neu formierte Elf in der Landesliga zu konsolidieren: „Das Jahr in Pyrmont ging gleich gut los. Als die Preußen mitbekamen, dass ich mit Torhüter Jürgen Sikora, Gunnar Hupp und 'Kalle' Malitzki drei Hamelner Spieler in die Badestadt mitbrachte und abwarb, nahm man mir das sehr übel und schloss mich kommentarlos aus dem Verein aus“, ist Jäkel noch heute wenig angetan von den Ereignissen des Sommers 1977. „Wir hatten u.a. mit Dieter Ovcharovich, 'Andi' Loges, Udo Defitowski, Kalle Malitzki, Jürgen Sikora, Konny Schenk, Gunnar Hupp, Klaus Ondera und dem alten 'Rolli' Schünemann eine spielstarke Elf, aber irgendwie passte es nicht. So spielten wir von Beginn an gegen den Abstieg, standen dabei immer über dem Strich, doch meine Entlassung im Frühjahr 1978 war schon bühnenreif“, muss der Grandseigneur des heimischen Fußballs schmunzeln: „Am Freitagabend, den 17. März 1978, fand die Generalversammlung bei der Spielvereinigung statt. Jürgen Maaßen, dem Ex-Vereins-Boss, wurde aufgrund des Verdachts der Steuerhinterziehung keine Entlastung erteilt, es herrschte mal wieder das blanke Chaos in Pyrmont. Zu mitternächtlicher Stunde, nach der Versammlung, wurde ich in einer Sondersitzung des Vorstands von meinen Aufgaben entbunden und dann am nächsten Morgen über meine Demission informiert. Die Begründung lautete: Ich könne die Mannschaft nachdem ich zum Saisonende gehen wollte, nicht mehr entsprechend motivieren. Einen Tag zuvor hatte ich den Vorstand in Kenntnis gesetzt, meinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen, denn ich hatte ein Angebot, wieder in Coppenbrügge arbeiten zu können. Natürlich kam die Entlassung für mich völlig überraschend und aus heiterem Himmel. Ich habe mich dann noch von der Mannschaft verabschiedet und die Daumen gedrückt, dass die Spielvereinigung den Klassenerhalt schafft – dies gelang schlussendlich!“, beleuchtet Norbert Jäkel die damaligen Geschehnisse noch immer kopfschüttelnd.
Interessant ist in diesem Zusammenhang noch folgender Fakt: Von 1974 bis zum Saisonende 1977/78 verschleißen die Kurstädter satte zehn Trainer! Für Norbert Jäkel nimmt A-Jugend-Trainer Winfried Voeste, unterstützt von Ligaobmann Hermann Heuer, Platz auf dem Schleudersessel bei den Rot-Weißen.
Norbert Jäkel 1978 - wieder beim MTV Coppenbrügge unter Vertrag. Aus dem privaten Archiv von Jäkel.
Vier Jahre lang coacht Jäkel dann wieder ab der Saison 1978/79 die Ostkreisler und kehrt zurück zu seiner „zweiten Liebe“, dem MTV Coppenbrügge: „Auch Ende der 70er, Anfang der 80er waren wir wieder gut besetzt. Der MTV war im Fußball-Bezirk in jener Zeit eine sehr gute Adresse. Erfahrene Akteure wie die Ex-Oberliga-Spieler 'Hansi' Kotzian oder Jürgen Mietzner, Bernd Orlea und die unbekümmerten Jungspunde 'Andy' Pfitzner, Michael Berger, Andreas Exner, Rainer Schmidt oder Roddy Quartey bildeten eine gute Mischung. Coppenbrügge war für viele junge Spieler das Sprungbrett nach oben, hier konnten sie, geführt von den alten Hasen, ihren Weg machen und sich für höhere Aufgaben empfehlen“, hat der „alte Mann“ auch seine dritte Zeit beim MTV noch immer in sehr positiver Erinnerung.
Mit Vorstopper Werner Schmidt, der von BW Salzhemmendorf hinzustößt und den es später beruflich nach Saarbrücken zieht, „Andy“ Pfitzner, Michael Berger und Roddy Quartey, die es als Trio zum Landesligisten Preußen Hameln 07 verschlägt, formt Jäkel vier ungeschliffene Rohdiamanten zu Klassespielern – und schon damals hilft ihm sein gutes Gespür: „Nach einem Motorradunfall lag Roddy in Hameln im Krankenhaus. Noch bevor die Verantwortlichen beim TB Hilligsfeld, bei dem er spielte, wussten, dass sich Roddy überhaupt im Krankenhaus befand, hatte ich ihn bereits besucht und ihm die Genesungswünsche des MTV Coppenbrügge ausgesprochen. Unsere Bemühungen um ihn, sein Ehrgeiz und die Tatsache, dass die Bezirksliga für ihn nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben bedeutete, gaben wohl den Ausschlag, dass wir diesen außergewöhnlichen Fußballer und Menschen zum MTV lotsen konnten“, weiß der schlaue Fuchs auch Jahrzehnte später, mit welchen, erlaubten, Mitteln er zum Erfolg gekommen ist.
1979 macht sich Norbert Jäkel stark für die Gründung einer Hameln-Pyrmonter Trainer-Vereinigung, deren Vorsitzender er natürlich wird: “Die Idee war ganz simpel, wir wollten die Trainer stärken, netzwerken und die Interessen der Trainer im Auge behalten“, berichtet der Macher von dem Versuch, eine Art Trainer-Gewerkschaft im Kreis zu installieren.
Coppenbrügge verliert am 04. Mai 1980 gegen die Sportfreunde Ricklingen – verpasst damit den Aufstieg. Foto: Rolf-Henning Schnell.
„Auch in jenen Jahren waren wir stets dicht dran am Aufstieg in die dann neu geschaffene Bezirksoberliga – leider ohne Erfolg“, knabbert der Trainerfuchs auch heute noch daran, den entscheidenden Schritt mit dem Ostkreis-Primus verpasst zu haben. „Das 'Spiel meines Lebens' ging leider mit 0:2 verloren, das war das Spitzenspiel gegen die Sportfreunde Ricklingen am 04. Mai 1980, dem vorletzten Spieltag. Es war das richtungsweisende Spiel und mit einem Sieg daheim vor über 500 Zuschauern wären wir aufgestiegen, doch Ex-Profi Gerd Füllkrug, der von den Arminen aus Hannover aus der Zweiten Bundesliga nach Ricklingen wechselte, war der Mann, der das Match entschied. Mehrere Holz-Treffer und ein bärenstarker Gäste-Keeper Stutz verhinderten unseren Erfolg. Das wäre etwas gewesen, wenn ich nach dem Aufstieg in die Bezirksliga fünf Jahre zuvor, damals mit den Jungs den Sprung in die Bezirksoberliga geschafft hätte – aber es sollte nicht sein“, blickt der Vernunftsmensch Jäkel mit einem Hauch von Wehmut zurück.
MTV Coppenbrügges Neuzugänge zur Saison 1980/81. Hintere Reihe von links: Lutz Pruss, Roddy Quartey, Hubert Hörstermann, Wolfgang Dressler, Trainer Norbert Jäkel. Vorne von links: Reno Pfitzner, André Glebke, Karl-Heinz Malitzki. Es fehlen: Carsten Pfeiffer und Siegmund Rosenau. Foto: Rolf-Henning Schnell.
„Großen Wert habe ich übrigens immer auf eine vernünftige Spieleröffnung gelegt. Ob mit 'Hansi' Kotzian in den ersten Coppenbrügger Jahren, Dieter Ovchravovich in Pyrmont, Roddy Quartey in Coppenbrügge bei meinem zweiten Engagement oder später als Interims-Coach in Afferde, als ich Spielmacher 'Hansi' Nähring hinten reingestellt habe – ein spielstarker Libero war für mich das A und O. Als ich Roddy damals als freien Mann installiert habe, kam er nach dem Training auf mich zu und sagte: 'Trainer, ich habe noch nie Libero gespielt, wie soll ich das nur machen?' Ich habe ihn beruhigt und ihm gesagt, dass er mit seinem guten Auge alles im Griff hat und wenn er nach vorn geht, mit seiner Dynamik sowieso nicht zu stoppen ist – und so war es“, berichtet Jäkel lachend.
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