07.06.2020 08:54

Spiel meines Lebens - Teil 1


Spieler, Schiri, Trainer, Manager: Multitalent Jäkel erobert heimischen Fußball

Jäkel wird fast DFB-Schiedsrichter / Unter dem späteren Trainer reifen zahlreiche Talente heran
Von Oliver Steffan

Heute unvorstellbar: Der Trainer, der ein Schiedsrichter war oder eben umgekehrt. Norbert Jäkel zählt spätestens seit den 60er Jahren zu den schillerndsten Figuren im heimischen Fußballsport. Anfangs noch als Spieler, danach als Schiedsrichter und Trainer und schließlich als Manager und Strippenzieher mischt der inzwischen fast 87-Jährige über lange Jahre so richtig mit in der niedersächsischen Fußballszene.

Norbert Jäkel - beim 07-Freundeskreis ein gern gesehener Gast
Norbert Jäkel - beim 07-Freundeskreis ein gern gesehener Gast. Aus dem privaten Archiv von Jäkel.
Beim damals noch, vor der Fusion mit der Spielvereinigung, traditionsreichen Sport-Club Preußen Hameln startet der junge Norbert in der Schülermannschaft seine Fußball-Laufbahn. Bis zur A-Jugend, hier unter dem seinerzeit bekannten „Papa“ Schwarz kickt der Hamelner, bevor es 1952 in die zweite Herren geht. Eine schwere Knieverletzung stoppt den gerade 20-Jährigen Anfang 1954. Nachdem Dr. Böminghaus, der kettenrauchende Sportarzt, ihm mitteilt, dass seine Fußballer-Karriere bereits vorbei ist, bevor sie begonnen hat, trifft „N.J.“ auf dem Heimweg vom Arzt zufällig  den Hamelner Schiedsrichter-Obmann Heinrich Schwarze, der ihm anbietet, einen Schiedsrichter-Lehrgang zu besuchen, um dann zum Pfeifen zu kommen. Eine Woche nach der erfolgreichen Schiri-Prüfung fällt der eigentlich eingeplante Unparteiische, der für die Begegnung des Duells im Kreisoberhaus, der damaligen 1. Kreisklasse, TSV Groß Berkel gegen den VfR Hehlen aus und Jäkel muss sofort ran und einspringen. Nachdem die Verantwortlichen sehen, dass sich der energische Jung-Schiri nicht die Butter vom Brot nehmen lässt, konsequent seine Linie verfolgt, steigt er bereits ein Jahr darauf in den Bezirk auf, wird zum Senkrecht-Starter unter den Nachwuchs-Referees und erreicht 1960 die damals höchste deutsche Amateur-Klasse, die Oberliga Nord.

„Mein erstes Spiel in der Oberliga habe ich in Braunschweig gepfiffen. Die Eintracht hatte im Stadion an der Hamburger Straße den VfB Oldenburg zu Gast. Im Rahmen eines Austausch-Programms mit den Oberligen West und Hessen leitete ich auch Begegnungen in Oberhausen, Paderborn, Bielefeld, Lage, Fulda, Schlangen, Herford und, und, und…“, blickt der ehemalige „Schwarzkittel“ gern an die überregionalen Spiele und Fahrten durch halb Deutschland zurück. 1962 überredet Jugendleiter Ludwig Korf den engagierten Sportsmann sich für die 07er einzubringen und so übernimmt Norbert, der über all die Jahre mit seinem Heimatverein verbunden ist, die A-Jugend, die u.a. mit Bernhard Stanke, Rainer Drespe und Heinz Wolling gute Leute in ihren Reihen aufweist. Gleichzeitig übernimmt Jäkel den Posten des 07-Geschäftsführers, ist integriert am Bau des Vereinsheims.

„Im Rahmen des Vereinsheim-Baus sind wir, einer Einladung der Schultheiss-Brauerei folgend, im Mercedes des langjährigen Vorsitzenden Heinz Mensing mit Gerd Sternitzke und Walter Sperlich nach Berlin gefahren. Mensings Mercedes, ausstaffiert mit Info-Material seiner SPD, wurde in Marienborn dann besonders gefilzt, die Volkspolizisten haben alles auf den Kopf gestellt. Da hätte Heinz zuvor mal aufräumen sollen“, gibt Jäkel noch eine kleine Anekdote aus Zeiten, in denen die Mauer die beiden deutschen Staaten trennt, zum Besten.

„Das Pfeifen und meine Trainer-Tätigkeit mussten gut unter einen Hut gebracht werden. Ich habe mit dem Staffelleiter der Liga, in der die 07-A-Jugend spielte, abgemacht, dass die Jugend dann angesetzt wird, wenn ich nicht pfeifen muss. Pfiff ich samstags zum Beispiel in Lübeck, spielte die Jugend am Sonntag oder umgekehrt“, weiß Norbert zu berichten, dass seine Frau Gerda schon reichlich Verständnis für die Fußball-Leidenschaft ihres Mannes aufbringen musste.

Die Bundesliga wird 1963 aus der Taufe gehoben und Jäkel gilt als aussichtsreicher Kandidat, um als Spielleiter in der höchsten deutschen Spielklasse eingesetzt zu werden: „Ich hatte das Pech, dass, als ich berufen werden sollte, in kürzester Zeit mit Elmar Schäfer, der nach Neustadt zog und FIFA-Schiri Gerhard Schulenburg, der beruflich bedingt von Hamburg nach Hannover kam, zwei etablierte Kollegen die freien Plätze der Niedersachsen auf der DFB-Schiedsrichterliste blockierten“, erklärt der “Hans Dampf in allen Gassen“, dass “zugereiste“ Kollegen seine mögliche Bundesliga-Karriere stoppen.

„Mein vielleicht bestes Spiel pfiff ich in den 60ern beim lippischen Derby SC Paderborn gegen den 1. FC Schlangen. In Paderborn waren immer reichlich Zuschauer, es war richtig etwas los, die alte, nicht nur regionale, Rivalität zwischen den beiden Mannschaften kochte hoch, solche Spiele liebte ich. Ohne auf den Putz hauen zu wollen, brachte ich eine wirklich starke Leistung, meine Assistenten an der Linie bestätigten, dass wir ein tolles Spiel geliefert hatten und auch beide Vereine waren voll des Lobes nach dem Spiel. Wir aßen noch im Vereinheim eine Kleinigkeit, da kam der Paderborner Präsident und meinte nur kurz: 'Haben Sie den Herrn dort hinten am Tisch schon begrüßt?' Ich wusste gar nicht, wen er meinte. 'Der hoch dekorierte Mann, mit den Orden und Abzeichen ist DFB-Schiri-Spielbeobachter.' Wir fuhren heim und Tage später flatterte mein Beobachtungsbogen ins Haus. Die Beurteilung war unter aller Sau, so als wenn ich nicht einen Pfiff richtig gemacht hätte. Ich habe dann den Kreis-Schiri-Obmann Willi Peschke angerufen, ihm die Sachlage geschildert und mich beschwert. Nachdem dieser sich dann sowohl in Schlangen als auch in Paderborn erkundigt hatte, nahm er den Bogen, zerriss ihn und warf ihn in den Papierkorb. Für höhere Aufgaben war ich fortan jedoch nicht mehr vorgesehen“, weiß Norbert Jäkel, dass es auch in der damaligen Zeit auf die richtigen Leute ankommt, um nach vorn zu kommen.

Meister der Bezirksklasse Hannover 1974/75: MTV Coppenbrügge
Norbert Jäkel wird als Trainer in Coppenbrügge eine Ära prägen. Hintere Reihe v.l.: Baenisch II, Funk, Hopf, Hanke, Schelenz, Boos, Zschoch, Groß, Honke, MartinCallé, Trainer Norbert Jäkel. Vordere Reihe v.l.: Knoop, Neugebauer, Rauschenberg, Hofer, Brandes, Fuhrmann, Mügge, Piel. Zum Aufgebot gehört außerdem Baenisch. Aus dem privaten Archiv von Jäkel.
Ab 1965 coacht der ruhige und sehr zielstrebige Jäkel die Jugend des MTV Coppenbrügge, bringt Talente wie Jochen Schmidt, Willi „Menne“ Piel, Burkhard Hanke, Toni Steinkamp und Willi Mügge hervor, die dann auch aus dem beschaulichen Ith-Dörfchen in die Niedersachsen-Auswahl berufen werden...

Am Mittwoch lest Ihr: Die „Talentschmiede" Jäkel - zahlreiche regionale Fußball-Größen gehen aus seiner Schule hervor.

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