29.06.2023 12:40

Interview


Nach Drama-Aufstieg wie im Hollywood-Blockbuster: „Auf ins nächste Abenteuer!“

Tünderns Meistertrainer, Konrad Voss, über die nervenaufreibende Landesliga-Meisterschaft, kommende Oberliga-Derbys & mehr
Konrad Voss BW Tuendern Landesliga Frauen Sarstedt Jubelfoto
Der Weg zur Meisterschaft von BW Tündern um Trainer Konrad Voss (unten Mitte) war wahrlich nichts für schwache Nerven. Foto: privat.

Es war wahrscheinlich eines der spannendsten Aufstiegsrennen der vergangenen Jahre. Nach dem 1:1-Unentschieden beim Auswärtsspiel in Exten am drittletzten Spieltag schien die Oberliga-Rückkehr für die Frauen von Blau-Weiß Tündern plötzlich in weite Ferne zu rücken. Obwohl die Elf von Konrad Voss in der abgelaufenen Landesliga-Spielzeit bis zum Ende keine einzige Partie verlor und darüber hinaus gleich beide Ligaspiele gegen Verfolger SV Lehrte für sich entschied, hatten die „Schwalben“ die Meisterschaft auf einmal nicht mehr in der eigenen Hand. Das Dramatische: Kontrahent Lehrte hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch gegen kein anderes Team als Blau-Weiß Federn gelassen. Und so sollte es bis zum allerletzten Spieltag, an dem Tündern die eigene Pflichtspielserie bereits beendet hatte, auch bleiben. Mit voller Kapelle nahmen Kapitänin Carolin Heyder & Co. die Auswärtsreise nach Sarstedt auf sich, wo sich Lehrte am 11. Juni einer letzten Prüfung zu unterziehen hatte. Beim Tabellendritten schwanden die Hoffnungen auf die Meisterfeier allerdings schnell, zur Pause führte der Konkurrent bereits mit 2:0 (zur Info: Lehrte hätte zur Tünderschen Meisterschaft maximal einen Punkt einfahren dürfen). Die getrübte Stimmung wandte sich kurz nach dem Seitenwechsel allerdings sichtlich ins Positive, Sarstedt gab nicht auf und stellte plötzlich auf 2:2. Mitten hinein in den neuen Hoffnungsschwall kam allerdings der erneute Führungstreffer der Lehrterinnen – dem nur kurz darauf der erneute Ausgleich durch die Gastgeberinnen folgte. Mehr als 20 Minuten – die Nachspielzeit hatte es so richtig in sich – nervenaufreibendes Nägelkauen und schweißtreibendes Auf- und Ablaufen stand fest: Tünderns Frauen sind Titelträger und Oberliga-Aufsteiger! Im Interview lässt Meister-Trainer Konrad Voss diesen Moment und viele weitere Aspekte noch einmal Revue passieren.

BW Tündern ist in die Frauen-Oberliga zurückgekehrt. Dabei zeichnete sich trotz stetigen Leistungssteigerungen in den vorangegangenen Jahren nicht zwingend ab, dass Ihr den großen Wurf schafft – zumal es mit dem SV Lehrte einen großen Favoriten gab, den Ihr zweimal schlagen musstet, um ihn hinter Euch zu lassen. Warum seid Ihr dennoch Meister geworden?
Konrad Voss: „Die Antwort steht eigentlich schon mit in der Frage, wir haben mit Lehrte den größten Kontrahenten zweimal im direkten Duell besiegt. Gegen Sarstedt, die vielleicht kompletteste Mannschaft der Liga, konnten wir ebenfalls vier Punkte sammeln. Weiterhin haben wir in der Liga nicht ein Spiel verloren. 15 Siege und drei Unentschieden sprechen dabei für die Mannschaft. Die Meisterschaft war dann in meinen Augen die gerechte Belohnung für eine überragende Saison der Mädels. Natürlich hatten wir auch in einigen Spielen das nötige Spielglück, was man eben braucht, um den ganz großen Wurf zu landen. Wir haben zudem Rückschläge gemeinsam aufgefangen und verarbeitet. Beispielsweise die Ausfälle von Christin Plewe, Noelia Razlaw und Hannah Schulze in der Rückrunde, oder von Zoe Zidov und Hanna Kleindiek in der gesamten Hinrunde. Da bin ich besonders stolz auf das Team, andere Spielerinnen haben dann mehr Verantwortung übernommen und die entstandenen Lücken herausragend gefüllt. Ich denke, dieser Teamspirit und Zusammenhalt war ausschlaggebend für den Erfolg in der Saison.“
Ihr habt ein besonderes Jahr hinter Euch, weil Ihr mit im Grunde einem Kader gleich zwei Frauenteams gestellt habt. Wie ist Euch dieses Kunststück gelungen, ohne dass es auch nur einen Spielausfall oder „Ausrutscher“ beim Blick auf die „Festgespielten“ gab?
„So gesehen sind es auf dem Papier tatsächlich nicht mehr als eineinhalb Kader. Wir trainieren immer zusammen und haben auch unter den beiden Mannschaften ein sehr gutes Verhältnis. Am Anfang der Saison hatte ich nur sechs bis sieben feste Spielerinnen in der Ersten. Der Rest ist dauerhaft an den Spieltagen rotiert. Das hat sich im Wesentlichen eigentlich erst nach der Winterpause geändert. Diese Vorgehensweise hat auch dazu geführt, dass ich mit 34 Spielerinnen nahezu den gesamten Kader beider Teams in der ersten Mannschaft eingesetzt habe. Das Ganze hatte eine erhebliche Organisation und vorrausschauende Planung zu Grunde liegen. Ein ums andere Mal hatte ich deswegen schlaflose Nächte und habe die Spiellisten und Aufstellungen nochmal gecheckt, um mögliche festgespielte Spielerinnen zu erkennen, bzw. um das Festspielen zu verhindern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir zweimal Glück hatten und die beiden Teams nicht am selben Tag spielen mussten. So konnten die freien Spielerinnen an beiden Tagen spielen. Sonst wäre es wohl schiefgegangen. Der Klassenerhalt der Zweiten konnte dadurch recht früh eingetütet werden, das war auch eine sehr gute Leistung aller Beteiligten in der vergangenen Saison. Diese Herangehensweise an eine zweite Mannschaft war mir bis dato neu, hat von allen viel abverlangt, letztlich aber geklappt.“

Du hast im Artikel zu Eurem Aufstieg gesagt, dass Dich die Emotionen übermannt haben. Was hat diesen Aufstieg für Dich persönlich so besonders gemacht?
„Da gibt es zwei Gründe, die zu nennen sind. Der erste ist ein sehr persönlicher, familiärer Grund, der mit meiner 2022 verstorbenen Großmutter zu tun hat. Die Details würde ich aber gerne im persönlichen Bereich belassen wollen. Der zweite Grund ist, dass mir diese Mannschaft unglaublich ans Herz gewachsen ist. Ich würde für jede der Mädels durchs Feuer gehen und weiß auch, dass sie es für mich tun würden. Das haben sie mir in etlichen Spielen gezeigt. Ich habe mich einfach für alle gefreut, dass sie dieses Erlebnis erfahren dürfen und das die ganzen Mühen und zeitlichen Opfer, die sie und auch ich während der Saison erbracht haben, nicht umsonst gewesen sind. Zudem ist auch von mir in dem Moment eine Menge abgefallen, da liefen dann schon ein paar Tränen. An den Moment des Abpfiffs kann ich mich gar nicht mehr voll erinnern. Schön war auch, dass mein Bruder und ein paar der Bisperöder Jungs dabei waren.“

Du hast die Mannschaft übernommen, als sie im Landesliga-Mittelfeld spielte. Der personelle Kern hat sich seitdem kaum verändert und dennoch spielt Ihr bald wieder in der Oberliga. An welchen Stellschrauben hast Du gedreht, um wieder das Optimum aus Deinem Team herauszuholen?
„Als ich in Tündern angefangen habe, hatten alle Spielerinnen einen Neustart. Das war, glaube ich, ganz gut. Bei einigen Spielerinnen habe ich zudem die Position auf dem Spielfeld etwas verändert. Mein Ziel war und ist es, jede Spielerin besser zu machen und weiterzuentwickeln. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen. Weiterhin haben wir auch viel im mentalen Bereich und an unserem Selbstvertrauen und Selbstverständnis gearbeitet. Wir hatten eine sehr gute Mentalität und Einstellung während der Saison, was mir sehr wichtig ist. Ich fordere viel von meinen Spielerinnen, auf der anderen Seite bin ich aber auch immer für sie da und jederzeit ansprechbar. Wir waren fußballerisch vielleicht nicht immer die beste Mannschaft der Liga, aber im kämpferischen und läuferischen Bereich schon. Das sind für mich die Grundbausteine für den Erfolg. Ein wesentlicher Bestandteil war auch unsere gute Trainingsarbeit. Meister wirst du nicht im Spiel, wenn dich alle sehen. Meister wirst du im Training, wenn dich nur dein Coach und deine Mannschaft sieht.“

Ein Kader für zwei Teams – das wurde bereits angesprochen und wird in der Oberliga ein Ding der Unmöglichkeit. Wie wollt Ihr diese schwierige Lage lösen?
„Das ist eine sehr gute Frage, auf die ich aktuell noch keine konkrete Antwort weiß. Sicher ist aber, dass wir nicht mehr soviel rotieren können und auch nicht werden. Ich werde vermutlich relativ schnell einen festen Kader für die erste Mannschaft haben, diesen aber nicht künstlich aufblähen. So sollte hoffentlich auch die zweite Mannschaft eine schlagkräftige Truppe behalten. Möglicherweise bekommen wir auch noch zwei, drei Spielerinnen dazu, da ist aber noch nichts komplett spruchreif, das wird sich erst die kommenden Tage final klären.“

Bald gibt es wieder heiß erwartete Derbys gegen den SV Hastenbeck – den großen Lokalkonkurrenten. Wie blickst Du auf diese Duelle?
„Ganz ehrlich, den beiden Spielen blicke ich total entspannt entgegen. Ich freue mich aber natürlich darauf. Hastenbeck hat vermutlich ganz andere sportliche Ambitionen als wir. Zudem haben sie einen sehr guten und breiten Kader, der wohl oben mitspielen wird. Unser Ziel wird der Klassenerhalt sein und dafür werden wir schon ordentlich kämpfen müssen. Ich freue mich aber, dass der Frauenfußball in unserem Kreis dieses Duell nun wieder hat und ich hoffe, dass viele Zuschauer zu den Derbys kommen werden. Wenn es gut läuft, machen wir beide so Werbung für den Frauen- und Mädchenfußball im Kreis Hameln-Pyrmont, dann hätten alle gewonnen.“

Was war Dein persönliches Saisonhighlight?
„Natürlich die Meisterschaft und der dadurch resultierende Aufstieg am letzten Spieltag als Zuschauer in Sarstedt. Wenn ich eines unserer eigenen Spiele wählen müsste, dann den 3:2-Auswärtssieg in Sarstedt einige Wochen zuvor. Da hat mir die Mannschaft in der zweiten Halbzeit gezeigt, dass unser Training nicht umsonst war und wir uns weiterentwickelt haben.“

Abschließend hat der Coach noch ein persönliches Anliegen:
„Zum Abschluss würde ich mich gerne noch bei einigen Leuten bedanken wollen. Denn so ein Erfolg hat viele Väter. Vielen Dank Sylvan für deinen Einsatz im Training und bei den Spielen der Hinrunde. Wir haben uns gut ergänzt, gerade weil wir nicht immer einer Meinung waren. Danke an Thomas, Gunda und Herrmann für die Unterstützung in allen Bereichen. Danke an Wolle und Döhle für die Hilfe im Verkauf. Vielen Dank an die Herrenteams und alle anderen Fans und Wegbegleiter, die uns innerhalb der Saison unterstützt haben – besonders an die treuen Seelen, die auch auswärts immer mit dabei waren. Ich danke auch allen Trainerkollegen, die mich in der Saison mit Rat, Tat und Erfahrung unterstützt haben, gerade auch vereinsübergreifend. Zu guter Letzt natürlich ein riesiges Dankeschön an meine Mannschaft. Auf ins nächste Abenteuer!“
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Autor des Artikels

Jannik Schröder/Robin Besser
Jannik Schröder/Robin Besser
Jannik und Robin haben diesen Artikel in Zusammenarbeit geschrieben.
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