19.10.2022 09:19

Interview


Basketball-Chef Lassel: „Einfach gesagt: Ohne gute Jugendarbeit geht nichts“

„Wer nie Übungsleiter war, wird niemals erfahren können, wie viel Spaß das Ehrenamt macht und wie viel das Arbeiten mit Jugendlichen einem selbst gibt"
Nicu Lassel VfL Hameln Basketball Abteilungsleiter Trainer Ehrenamt
Nicu Lassel lebt den VfL Hameln mit jedem Atemzug - und will die Basketball-Sparte fit für die Zukunft machen.
In den USA gehört Basketball zu den vier großen Sportarten - in Deutschland gehört die Jagd nach dem Korb allerdings zu den Randsportarten. Dennoch besteht die Basketball-Sparte des VfL seit mittlerweile 50 Jahren und stellt sich aktuell für die Zukunft neu auf. Im Interview erklärt Nicu Lassel ausführlich, was entscheidend ist, um Basketball als Sportangebot in Hameln langfristig zu sichern. Schnell wird deutlich: Es geht nur mit guter Jugendarbeit...

Nicu, die Basketball-Sparte des VfL Hameln  feierte in diesem Sommer ihr 50-jähriges Bestehen – leider ohne Gründer Heinrich Lassel, der im April 2021 verstarb. Diese vielen Ehemaligen, die vor Jahrzehnten als Kinder von Deinem Vater Heinrich trainiert wurden, ein halbes Jahrhundert Basketball im beschaulichen Hameln – welche Bedeutung hatte dieses Jubiläum für dich?
Nicu Lassel: „Das Jubiläumswochenende war nicht nur anlässlich des 50-jährigen Bestehens so besonders. Jeder, der an diesem Wochenende gekommen ist, hat eine persönliche Geschichte mit meinem Papa, die ihn an den Verein bindet. Weil aufgrund der Corona-Pandemie die Beisetzung in einem sehr kleinen Rahmen stattfand, haben wir bereits rund ein Jahr im Voraus gesagt: Wir machen darüber hinaus noch ein Ehemaligentreffen und planen das Ganze mit verbindlichen Zusagen. Es war beeindruckend, zu sehen, was das für eine Resonanz das nach sich gezogen hat. Ich denke, es war für alle Anwesenden unvergesslich und  für mich persönlich selbstverständlich auch.“

Du hast einen großen Teil dieser 50 Jahre selbst hautnah miterlebt. Welche Highlights möchtest Du nicht mehr missen?
„Ich habe eine ganz spezielle Beziehung zu der Sparte. Mein Vater hat die Basketball-Sparte beim VfL Hameln alleine aufgebaut und ich war insgesamt 27 Jahre lang in verschiedenen Mannschaften Trainer beim VfL. Heinrich hat mich schon unterstützt, als ich noch 16 war und meine erste Jugendmannschaft trainiert habe. Mit Anfang 20, als ich als Trainer die Zweitliga-Lizenz absolviert habe, hat er mich ebenfalls sehr unterstützt und mir viele Freiheiten gelassen. Rein sportlich war die erfolgreiche Zeit in der 2. Regionalliga sicherlich der Höhepunkt. Wir haben gegen Mannschaften aus Oldenburg, Bremerhaven, Göttingen und Braunschweig gespielt und uns zehn Jahre in der Liga gehalten. Dass wir über so einen langen Zeitraum dieses Niveau halten konnten als eine so kleine Sparte, beeindruckt mich heute noch.“

VfL Hameln Basketball Organigramm
Das Organigramm des neuen Spartenvorstands.
Mittlerweile hat sich die Basketball-Sparte im Vorstand komplett neu aufgestellt und auf mehrere Köpfe verteilt, um die riesige Lücke, die Heinrich Lassel hinterlassen hat, zu schließen. Wie fällt dein bisheriges Zwischenfazit aus?
„Ich bin sehr froh, dass alle, die sich in dieses Funktionsteam einbringen, voll mitziehen. All diese Aufgaben hat zuvor mein Vater alleine übernommen – eigentlich unglaublich. Wir haben das Ganze aufgebrochen und in verschiedene Posten zusammengefasst, um die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Natürlich sind viele Aufgaben für die Mitglieder des Funktionsteams neu, daher kann nicht alles sofort reibungslos ablaufen. Aber wir geben Acht aufeinander und unterstützen uns. Die Strukturen befinden sich nach wie vor im Aufbau und wir lernen ständig dazu. Fehler zu machen, ist völlig normal und menschlich. Wichtig ist, dass man aus ihnen lernt. “
Welche Neuerungen habt Ihr als Spartenvorstand bereits auf den Weg gebracht?
„Wir haben im Vergleich zur Corona-Zeit jetzt wieder eine zweite Herren und zusätzlich noch eine U10-Mannschaft im Spielbetrieb. Somit haben wir jetzt fünf Teams, die Pflichtspiele bestreiten. Wir haben Mitgliederzuwachs und werden wieder mehr wahrgenommen. Das freut uns riesig! Um interessierten Kindern und Eltern eine schnelle Orientierung zu bieten, haben wir unsere Website neu gestaltet. Dort sind nun übersichtlich alle Mannschaften und ihre Übungsleiter aufgelistet. Man kann die Trainer direkt kontaktieren oder einfach zu Training kommen – die Trainingszeiten sind aufgelistet. Durch die Vereinfachung wird es für alle Beteiligten leichter.“

Mit Blick von außen scheint es, als seien Hamelns Basketballer nach sportlich schwierigen Jahren immer noch in der Findungsphase. Wie erlebst du die sportliche Entwicklung der ersten Herren?
„Wir hatten eine große Lücke im Nachwuchsbereich, die sich irgendwann mit Verzögerung auch im Erwachsenenbereich bemerkbar macht. Die letzte Generation, die als Leistungsträger in den Herrenbereich gewachsen ist, war mit Spielern wie Zans Lutter - früher Grobisch - besetzt. Zans ist Jahrgang 1989. 2013/14 sind wir das letzte Mal in der Jugend Bezirksmeister geworden. 2001/02 waren wir U20-Bezirksmeister, da gab es noch nichts Höheres. Wir sind jetzt dabei, die Jugendabteilung neu auszurichten. Wir müssen uns in diesem Bereich trotz bereits erfolgter Schritte immer noch breiter aufstellen und vor allem Nachhaltigkeit reinbekommen. Das Ziel ist, dass wir wie in vergangenen Tagen im Jugendbereich wieder um Titel mitspielen können. Um wieder in diese Regionen vorzustoßen, brauchen wir allerdings gute Übungsleiter. Und genau hier ist der Flaschenhals: Gute und vor allem qualifizierte Jugendtrainer sind beim Basketball sehr rar gesät. Wir haben aktuell vier Trainer im Nachwuchs, die alles für die Kinder geben. Aber es braucht noch mehr. Am liebsten sind uns natürlich ehemalige Basketballer, die bereits über viel Erfahrung verfügen. Wichtig ist, dass man als Trainer bereit dazu ist, sich mit Lehrgängen weiterzubilden, um diesen anspruchsvollen Sport auch gut vermitteln zu können. Und selbstverständlich muss man auch bereit sein, Zeit in die Mannschaft, die man trainiert, zu investieren. Diese Kombination ist nicht einfach zu finden. Ich kann nur sagen: Mir hat es unfassbar viel gegeben, eine Jugendmannschaft über zehn, elf Jahre in den Erwachsenenbereich zu begleiten. Da entstehen ganz besondere Beziehungen, die bis heute anhalten. Unsere Basketballsparte hat schon immer davon gelebt, dass die Jugend die Basis für eine erfolgreiche erste Mannschaft ist. Das wird sich aufgrund des Spielermangels im Umkreis nicht ändern. Einfach gesagt: Ohne gute Jugendarbeit geht nichts. Ich persönlich wünsche mir, dass aus begeisterten Minis wieder engagierte Spieler, Trainer und Schiedsrichter werden. Nur so kann diese Abteilung in die Zukunft geführt werden.“

Was ist aus Deiner Sicht das Besondere daran, eine Jugendmannschaft zu betreuen?
„Wer nie Übungsleiter war, wird niemals erfahren können, wie viel Spaß das Ehrenamt macht und wie viel das Arbeiten mit Jugendlichen einem selbst gibt. Ja, es ist zeitintensiv und verantwortungsvoll, aber man gibt den jungen Menschen auch viel Wertvolles mit auf den Weg und bekommt noch mehr zurück. Hart als Team zu trainieren, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen ist ein durch nichts zu ersetzender Teil der Entwicklung aller beteiligten Personen. Die erworbenen Kompetenzen haben Auswirkungen bis in berufliche Karriere hinein. Man macht sich und sein soziales Umfeld einfach stärker."

Schon vor Corona war das Interesse von jungen Menschen an Vereinssport sinkend. Durch Corona wurde der Prozess noch einmal beschleunigt, dazu konkurrieren Ganztagsangebote der Schulen mit dem Vereinssport. Du bist nicht nur leidenschaftlich als Ehrenamtlicher unterwegs, sondern auch Lehrer an der Handelslehranstalt Hameln. Wie lässt sich Sport im klassischen Verein bei so großen Schwierigkeiten noch retten?
„Mein Eindruck ist, dass Eltern mittlerweile wieder mehr Wert darauf legen, dass ihre Kinder sich sportlich betätigen. Die vielen Meldungen, dass die heutige Jugend sich viel zu wenig bewege, sind nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. Aber wir können uns nicht darauf verlassen, dass Eltern ihre Kinder irgendwann zu uns schicken. Im Gegenteil: Wir müssen in die Grundschulen gehen, Aktionstage oder AGs in regelmäßigen Intervallen anbieten und die Kinder dort abholen. Genau das hat mein Vater früher gemacht und so die Talente gefunden und gefördert. Dazu brauchen wir aber mehr Manpower. Ich werde immer wieder gefragt, an welcher Stelle man uns helfen kann. Und genau hier benötigen wir mehr Menschen, die sich für unseren Jugendbereich einsetzen. Wir benötigen motivierte und engagierte Trainer, die Begeisterung mitbringen. Die Talente sind da draußen. Mit ganz viel Glück kommen sie von alleine, davon ausgehen kann man aber nicht. Wir müssen sie aktiv suchen – und dafür benötigen wir Unterstützung.“ 
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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