22.03.2018 11:33

Interview


eSport in Hamelspringe! „Es findet ein Generationswechsel statt“

Sajoscha Hillebrand spricht im Interview über die neue Sparte beim TSV Hamelspringe / „Andere Sportarten wurden, als sie noch in ihren Kinderschuhen gesteckt haben, auch belächelt“
TSV Hamelspringe eSport AWesA
Bild: TSV Hamelspringe.
Mittlerweile schauen sich zig Millionen Menschen weltweit eSport im Internet an. In Asien gelten erfolgreiche eSportler als Superstars - so wie gestandene Fußballprofis hierzulande. Anstatt Robert Lewandowski mit dem FC Bayern bei uns, ist es in Südkorea eben der League of Legends-Spieler „Faker", der mit seinem Team ganze Stadien füllt. In Deutschland steckt eSport noch in den Kinderschuhen. Dass es sich dabei um alles andere als eine Eintagsfliege handelt, zeigen die letzten Jahre: Der eSport wächst auch in Deutschland unaufhaltsam. Profivereine wie der FC Schalke oder VfL Wolfsburg haben den Trend bereits vor wenigen Jahren erkannt, jetzt ziehen auch Amateurvereine nach - so wie der TSV Hamelspringe. Wir haben mit Sajoscha Hillebrand vom TSV über die eSport-Sparte, den Vormarsch des „elektronischen Sports" und die ewige Diskussion gesprochen: Ist eSport nun ein Sport - oder doch was ganz anderes?

Wie bist Du persönlich zum eSport gekommen?
Sajoscha Hillebrand: „Viele Kinder bekommen mit elf, zwölf Jahren ihren ersten PC oder eine Spielekonsole. So war es bei mir auch. Dann setzt man sich als Kind damit auseinander. Wirklicher eSport war das aber noch nicht (lacht). In dem Alter daddelt man einfach ein bisschen und entdeckt die Welt der Videospiele. Heute organisiere ich vor allem die eSport-Sparte mit, helfe bei der Mitglieder- und Sponsorengewinnung."

Wie kam es überhaupt dazu, dass ein klassischer Amateurverein im eSport aktiv wurde? Wie habt Ihr die eSport-Sparte des TSV realisiert?
„Unser Spartenleiter Thomas Janik war ursprünglich im eSport aktiv und hatte gute Kontakte zu einem Clan. Sie sind dann gemeinsam auf die Idee gekommen, dass ein Clan auch gut in eine Vereinsstruktur passen würde. Letztlich hat es sich als gute Idee herausgestellt."

Gibt es einen Treffpunkt, wo zu bestimmten Zeiten ein bestimmtes Spiel trainiert wird oder organisiert Ihr Euch dezentral – sprich über beispielsweise Teamspeak am Computer zu Hause?
„Die Teams organisieren sich selber und spielen meistens von zu Hause über das Internet gemeinsam. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass sie für LAN-Partys die Sporthalle nutzen dürfen. Wir haben aber keinen zentralen Ort mit Computern und Konsolen, wo sich die Mitglieder treffen, um gemeinsam zu spielen. Das kann sich unser kleiner Verein auch gar nicht leisten. Wir als Verein unterstützen die Mitglieder bei der Gewinnung von Sponsoren, geben den Teams einheitliche Kleidung wie Trikots oder Headsets, kümmern uns um Trainer und beteiligen uns an Fahrtkosten, wenn es mal zu einem Turnier geht."

Welche Spiele spielt Ihr im Namen des Vereins und woher stammen die Mitglieder – aus Hamelspringe und Umgebung oder ganz Deutschland? 
„Wir spielen Counterstrike: Global Offensive, League of Legens, Rainbow Six: Siege und Fifa 18. Zudem befinden sich Teams für die Spiele Overwatch und Dota II im Aufbau. Da haben wir einige Interessenten. In der Mitgliederstruktur versuchen wir natürlich so viel Regionalität wie möglich zu haben, sind aber auch offen für Mitglieder, die nicht gleich um die Ecke wohnen. Wir haben beispielsweise Mitglieder in Hildesheim – das ist zwar weit weg, aber noch erreichbar."

eSport bedeutet Wettbewerb – in welchen Ligen seid Ihr organisiert und wie erfolgreich sind die Hamelspringer Teams?
„Unser CS:GO-Team ist auf der Dreamhack in Leipzig in die Playoffs gekommen – das war schon eine tolle Leistung. Das League of Legends-Team hat noch keine offiziellen Duelle absolviert, macht aber immer wieder Freundschaftsspiele gegen Teams aus der eSports-Bundesliga. Die deutsche Ligenstruktur befindet sich noch im Aufbau, wobei jedes Spiel seine eigene Struktur hat. Durch die Gründung des eSport-Bund Deutschland (ESBD) entsteht ein Netzwerk, das immer größer wird. Zudem erkennen immer mehr Vereine das Potenzial von eSport. Wir erhoffen uns, dass es in ein paar Jahren auch eigene, kleine Ligen gibt, die zentral organisiert werden. Ähnlich zur Struktur im Fußball." 

Gerade in den letzten zwei, drei Jahren hat der eSport einen unglaublichen Zuwachs gefunden. Wie erklärst Du Dir das?
„Es findet ein Generationswechsel statt. Die Menschen in unserer Generation sind mit Videospielen aufgewachsen. Die Kinder gucken kein klassisches Fernsehen mehr, sondern sind online unterwegs und schauen sich eSport live an. Es gibt mittlerweile große Streamingdienste, wo eSportler viel Geld verdienen können und ihnen tausende Fans beim Spielen zuschauen. Zudem scheint es vor allem ein deutsches Problem zu sein, dass eSport noch belächelt wird. In Frankreich oder den Niederlanden - insbesondere aber Asien - gilt eSport bereits als echter Sport und wird auch dementsprechend betrachtet. Immerhin ist es ein Fortschritt, dass eSport jetzt auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auftaucht – wobei das sicherlich nicht erste Priorität hat (lacht). Es gibt aber auch Schattenseiten im eSport. So gibt es durchaus Spieler, die ein Suchtverhalten entwickeln. Dem wirken wir in unserem Vereinsleben präventiv mit Aufklärung entgegen. "

Der eSport könnte 2022 sogar olympisch werden. Weshalb war es aus Deiner Sicht wichtig, eSport in das Programm der olympischen Spiele aufzunehmen?
„Es gibt bestimmte Kriterien, um als Sport anerkannt zu werden. Es muss zum Beispiel eine Bewegung da sein. Die ist sicherlich nicht so komplex wie beim Fußball oder Handball. eSport findet vor allem im Kopf statt – ähnlich wie Schach. Die meisten Spiele sind taktisch geprägt  und erfordern unglaublich schnelle Reaktionszeiten. Ein eSportler gilt mit Mitte 20 bereits als alt, da ab diesem Alter langsam die Reaktionsschnelligkeit nachlässt. Schaut man in die eSport-Abteilungen der Profivereine wie Schalke oder Wolfsburg, sieht man, dass die körperliche und mentale Fitness immer wieder trainiert werden. Laktattests, Fitnesstests, gesunde Ernährung, psychologische Betreuung – all das gehört auch zum eSport. Zudem darf man nicht vergessen, dass der Puls auch beim Sport am Computer oder der Konsole bei intensiven Duellen schnell zwischen 160 und 180 liegt. Man sollte die Belastung beim eSport keinesfalls unterschätzen. Sie findet nur auf einer anderen Ebene statt als beim Fußball beispielsweise. Außerdem sollte man nicht vergessen: Andere Sportarten wurden, als sie noch in ihren Kinderschuhen gesteckt haben, auch belächelt. Fußball war lange nicht so beliebt wie heutzutage, als diese Sportart in Deutschland auftauchte und wurde ebenfalls anfangs nicht ernst genommen. Heute ist es die beliebteste Sportart der Welt."

Was muss ein Verein beachten, der ebenfalls in die Welt des eSports vorstoßen möchte?
„Noch wird eSport in Deutschland nicht als offizieller Sport anerkannt. Das bedeutet also, dass bei einer eSport-Sparte die Gemeinnützigkeit nicht automatisch gegeben ist. Hier sollte man also zum Beispiel beim Finanzamt mit offenen Karten spielen – wobei mir persönlich noch kein Fall bekannt ist, wo die Gemeinnützigkeit einer eSport-Sparte infrage gestellt wurde. Man merkt auch hier: Langsam findet ein Umdenken statt. Solange es nicht offiziell ist, sollte man trotzdem vorsichtig sein."

Was für Voraussetzungen muss ich mitbringen, um der eSport-Sparte des TSV Hamelspringe beizutreten?
„Wir nehmen jeden auf, der sich dafür interessiert. Wenn wir genug Leute auf etwa dem gleichen Level haben, gründen wir ein weiteres Team. Wir halten immer Ausschau nach neuen Spielern – das müssen keine Profis sein. Zumal es ohnehin keinen Sinn macht, sehr gute Spieler mit Anfängern zu mischen. Wir sind immer noch ein Amateurverein und sind für jeden offen, der einfach besser werden möchte."

Sajoscha, wir danken Dir für das interessante Gespräch und wünschen Euch viel Erfolg in der Zukunft!
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