19.01.2023 09:56

Tanzsport


„Ein Leben ohne Tanzen funktioniert nicht"

„Jeder Tänzer kann Fortschritte machen, unabhängig davon wie gut oder schlecht man sich einschätzt"

So sieht Spaß aus - eine der Tanzgruppen von Anna Bodscheller. Foto: privat.
Von Lucy Petrov

Wenn rhythmische Körperbewegungen zur Kunst werden, spricht man von Tanz. Das kann lange nicht jeder – und es anderen darüber hinaus noch beizubringen, können noch viel weniger Menschen. Anna Bodscheller ist eine Tänzerin, die nach ihrem Lehramtsstudium entschieden hat, diese ganz besondere Kunst der Bewegung an junge Menschen weiterzugeben. Damit schafft sie für die Jugend nicht nur einen sozialen Anlaufpunkt, sondern bringt einer Generation, für die koordinierte Bewegungen aufgrund mangelnder Praxis längst keine Selbstverständlichkeit mehr sind, den Umgang mit dem eigenen Körper bei.

Dass die aus Hildesheim stammende Tänzerin sich dieser Leidenschaft hingeben würde, liegt schnell nahe. Ihre Eltern besitzen eine Tanzschule und sind Tanzlehrer – beste Voraussetzungen, um mit dem Tanzen anzufangen. Im zarten Alter von drei Jahren startet ihre Karriere mit dem Kindertanzen, wobei sich in dieser Phase großes Interesse entwickelt, das Tanzen zu einem großen Teil ihres Lebens zu machen.

Zu jeder Liebe gehören allerdings auch Krisen. Und  diese gibt es zwischen der jungen Anna Bodscheller und ihrem damals noch großen Hobby. Aufgrund von zwischenmenschlichen Schwierigkeiten mit ihrem damaligen Tanzlehrer verliert sie den Spaß am Tanzen. Doch es ist keine Trennung für immer. „Es führt mich immer wieder zurück. Ich kann einfach nicht ohne Tanzen und wenn ich nicht tanze, denke ich darüber nach, dass ich gerne wieder tanzen möchte.“
Wahrscheinlich noch ohne den festen Gedanken, später mal Tanzlehrerein zu werden, studiert sie zunächst das Lehramt. Im Verlaufe des Studiums wird ihr allerdings klar: ohne tanzen geht's nicht. Also entscheidet sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen und ist damit mehr als zufrieden. „Ein Leben ohne Tanzen funktioniert nicht, denn am Ende lande ich immer wieder dort“, erklärt sie.

Ihre Berufswahl ist keine Abkehr vom Lehramt – sie ist ein Kompromiss zwischen Studium und Leidenschaft: Tanzlehrerin. „Ich habe Lust, Menschen zu zeigen, wie man tanzen lernt.“ Da ihre Eltern bereits eine Tanzschule führen, fällt der Weg zum Traumberuf etwas leichter. „Ich kann mir nichts vorstellen, was mir mehr Spaß macht. Das ist der bestmögliche Job für mich.“

Im Laufe der Jahre hat sich ihre Einstellung zur Sportart Tanzen verändert. Meilensteine sind das Tanzen auf Turnieren, Deutsche Meisterschaften und die Tanz-WM. Sportlicher Erfolg ist Bodscheller zunächst sehr wichtig. Diese Ansicht ändert sich aber. Wichtig seien ihr nun eigene Fortschritte in der Bewegungsqualität oder Shows und Choreographien mit Schülern zu lernen, zu tanzen und aufzuführen. Und dabei die Fortschritte und Leistungen von ihnen zu beobachten.

Ihre Tanzschwerpunkte sind in zwei Bereiche unterteilt. Primär unterrichtet Bodscheller HipHop-Kurse. Diese unterteilen sich dann noch unterschiedliche Tanzstile: Dancehall, House, Old School HipHop, Voguing, Popping, Commercial HipHop und noch viele andere. Aus all den verschiedenen Stilen formt dann jeder Tänzer mit gesammelter Erfahrung und unterschiedlichen Vorlieben seinen eigenen Stil. So macht es auch Bodscheller. Um ihren Schülern so viel wie möglich beizubringen, gestaltet sie ihren Unterricht abwechslungsreich. Nebenbei leitet sie Standard- und Lateinpaar-Kurse.

Die meiste Inspiration sammelt die Tanzlehrerin durch internationale Tänzer in den Sozialen Medien. Tänzer wie Ysabelle Capitulé oder Caetlyn Watson begeistern sie am meisten. Ein besonderes Faible hat Bodscheller für Tänzer, die einen eigenen Stil entwickelt haben und damit im wahrsten Sinne des Wortes aus der Reihe tanzen. Auch Karen Schweiger aus Berlin hat ihr Interesse geweckt. Also ist sie kurzerhand mit ihrer Leistungsgruppe zu einem von Schweigers Workshops gefahren. Das Ziel sei immer: Schülern viele Möglichkeiten und Chancen zu geben, damit diese neue tänzerische Erfahrungen sammeln können.

Auch die Musik macht viel für Bodscheller aus. Eine gute Stimmung in der Tänzer-Community zu schaffen, ist eine wichtige Komponente, um sich beim Tanzen wohl zu fühlen. An Workshops von verschiedenen Tanzlehren teilzunehmen, bringt viele neue Ideen und stärkt die Kreativität. Außerdem erklärt sie, dass Tanzschulen gute Orte seien, um den Kopf mal auszuschalten: „Nach dem Tanzen geht man mit einem guten Gefühl aus dem Saal, egal wie schlecht gelaunt man vorher war.“

Ihre Aufgaben bestehen als Tanzlehrerin aber nicht nur aus der direkten Arbeit mit ihren „Schützlingen“. Choreographieren für Shows, Videodrehs und Meisterschaften – all das gehört dazu. Diese werden dann in vier Kursen unterrichtet, drei Hobbykurse und ein Kurs für die Leistungsgruppe. Auch die Planung der Shows übernimmt sie. Sprich: Aufstellungen, schneiden von Musik, organisieren von Lichttechnik und vieles mehr. Bürokratie wie Listenführung oder Anmeldungen gehören ebenfalls zu ihrem Alltag. Außerdem steht Bodscheller im engen Kontakt zu ihren Schülern, weshalb sie sich auch mal ausgiebiger mit ihnen über Privates unterhält.

Bei so viel Einsatz für ihre Schüler dürfen allerdings auch nicht die persönlichen Ziele zu kurz kommen. So möchte die 25-Jährige sich als Tänzerin weiterentwickeln, fit bleiben und ihren Alltag als Tänzerin beibehalten. Diese persönlichen Ziele setzt sich Bodscheller aber nicht nur für sich persönlich, sie möchte dank der neuen Erfahrungen auch die Qualität ihres Unterrichts ausbauen. Überdies möchte sie mit ihren Tanzcrews neue und größere Projekte planen – dazu gehören auch Meisterschaften.
 
„Jeder Tänzer kann Fortschritte machen, unabhängig davon wie gut oder schlecht man sich einschätzt. Durch genug Fleiß und etwas Talent kann jeder tanzen lernen und Fortschritte machen. Wichtig ist konstant zu trainieren und sich viel auszuprobieren. Körperliche Fitness ist eine wichtige Voraussetzung. Deswegen sind regelmäßiges Dehnen und ein wenig Kraftsport neben dem Tanzen erforderlich. Außerdem ist es gut, etwas Neues anzufangen oder kennenzulernen – es ist eine Bereicherung für das Leben“, hofft Bodscheller, dass auch Menschen, die mit dem Tanzen bisher kaum in Kontakt gekommen sind, sich trauen.

Tanzen als sozialer Anlaufpunkt, Tanzen als Ausdrucksform, Tanzen als Schule für Körper und Geist, Tanzen als Ablenkung vom gerne mal stressigen Alltag. „Man kann gut den Kopf frei kriegen“, beschreibt Bodscheller. Also: trauen, ausprobieren und vielleicht eine neue Leidenschaft entdecken.
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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