Die Grundlage für den Erfolg legte Paulus bereits im Juni mit einem ersten großen Erfolg: „Ich habe bereits am 1. Juni den Ironman Hamburg gemacht und da auch die Gesamtwertung bei den Altersklassenathleten gewonnen.“. Es folgte eine kurze Pause, bevor der gezielte WM-Aufbau ab Mitte/Ende Juni begann.
Das Training war intensiv: „Die Trainingsstunden waren in der Vorbereitung in der Woche, ich würde sagen, im Schnitt zwischen 15 und 18 Stunden. Ab und zu war dann auch mal eine Woche mit 20 oder 22 Stunden dabei“, berichtet Paulus.
Doch nicht alles lief glatt. Bei einem Vorbereitungswettkampf im Allgäu stürzte die Wahl-Hameln-Pyrmonterin bei Regen vom Rad: „Der Wettkampf lief leider nicht ganz so gut. An dem Tag hat's ziemlich geregnet und da bin ich dann leider ziemlich böse mit dem Fahrrad gestürzt.“ Der erste Gedanke im Sturz war bereits auf Kona fokussiert: „Oh Gott, mein Fahrrad darf nicht kaputt gehen, ich brauch's für die WM.“ Doch der nagelneue Helm und das Fahrrad blieben wie durch ein Wunder fast unversehrt. Nach dem Schreck fasste sie sich ein Herz: „Da habe ich mir schon gedacht, wenn die Generalprobe schief geht, dann kann's ja beim wichtigsten Rennen nur gut werden.“

Christina Paulus. Foto: privat.
Akklimatisierung mit „Heat Training“
Um sich auf die extreme Hitze in Hawaii vorzubereiten, reiste Paulus zwölf Tage vor dem Rennen an. Zusätzlich simulierte sie die Bedingungen bereits zu Hause mit dem sogenannten „Heat Training“: „Das heißt, ich habe mich mit Regenjacke und dicken Klamotten aufs Rad gesetzt oder war mit dicken Klamotten laufen, um schon einmal ein Gefühl für das Klima zu bekommen.“
Die Strategie zahlte sich aus. 30 Grad und extreme Luftfeuchtigkeit zeigte das Thermometer bei der Ankunft auf Kona „Ich glaube, Heat Training hat extrem viel geholfen. Natürlich war es schon hart mit der Hitze, aber direkt bei den ersten Einheiten war meine Herzfrequenz eigentlich wie zu Hause. Alles hat sich ziemlich gut angefühlt.“
Ein Kampf gegen Wellen, Wind und den eigenen Körper
Am vergangenen Samstag, den 11. Oktober, war es dann nach all der Vorbereitung endlich so weit. Knapp zwei Jahre nach ihrem ersten Einsatz auf Hawaii fiel um 7.10 Uhr endlich der Startschuss für das Riesen-Event.
Los ging´s mit 3,8 Kilometer Schwimmen im Pazifik. Aufgrund ihres Starts in der Altersklasse AK 40–44 musste Paulus später ins Wasser, nachdem vier Altersklassen vor ihr gestartet waren. Hinzu kamen extrem wellige Bedingungen. Obwohl sie nach eigener Aussage eine bessere Schwimmerin geworden war, benötigte sie dieselbe Zeit wie vor zwei Jahren. Und dennoch verbesserte sich Paulus von damals Platz 65 auf Platz 34 in ihrer Altersklasse – auch ein Beweis dafür, wie schwierig die Bedingungen in diesem Jahr waren.

Zeigte auf dem Rad eine starke Performance: Christina Paulus. Foto: privat.
Im Anschluss folgten 180 Kilometer auf dem Rad – immer entlang an der Westküste der Insel. Die erste Hälfte der Radstrecke lief gut, Paulus war konsequent auf der Überholspur. „Ich war teilweise genauso schnell unterwegs wie die Profis“, erklärte die Athletin später selbst. Doch ab dem Wendepunkt in Hawi forderte die Strecke ihren Tribut. „Bis nach Kona zurück herrschte eigentlich nur noch Seiten- und Gegenwind. Eine Kontrahentin hat der Wind sogar vom Fahrrad gefegt. Das war mental schon ziemlich hart – auch weil man auf den kilometerlangen Highways kaum eine Menschenseele gesehen hat.“ Zudem nahm auch die Hitze stetig weiter zu.
Auf dem Rad hatte Paulus nun zusätzlich mit Magenproblemen zu kämpfen: „Da dachte ich schon, ich komme heute nicht mehr ins Ziel“, so Paulus. Trotzdem zwang sie sich weiterzufahren. Die Radzeit war mit fünf Stunden und 18 Minuten am Ende exakt dieselbe wie vor zwei Jahren, was erneut die Härte der Bedingungen unterstrich. Dank ihrer Leistung auf dem Rad hatte sich Paulus damit auf Platz 8 ihrer Altersklasse vorgekämpft – mit 17 Minuten Rückstand auf die Führende.

Die Goldmedaille kann ihr niemand nehmen: Christina Paulus. Foto: privat.
Der letzte Schritt
Und dann ging´s an die 42 Kilometer Laufen. Der Marathon entwickelte sich zu einem Überlebenskampf. Paulus startete mit Seitenstechen und Magenkrämpfen, die später durch Darmkrämpfe abgelöst wurden. Doch der Ehrgeiz trieb sie weiter, mittlerweile war Platz fünf erreicht. „Da habe ich mich einfach gezwungen, es zu ignorieren. Bis zum 5. Platz gibt es eine Holzschale, die wollte ich unbedingt haben“, unterstrich Paulus.
Mit der estländischen Mitstreiterin Liis Rametta zusammen kämpfte sie sich – mittlerweile an Position vier – im Laufen durch das Feld. Aus dem gemeinsamen Gespräch heraus entstand der feste Plan: „Wir schaffen es beide!“ Und es lief im wahrsten Sinne: Platz drei wurde überholt, Platz zwei folgte darauf, auch der Abstand zu Rametta wuchs. Nach dem letzten Wendepunkt am Energy Lab teilte Paulus´ Lebenspartner Dennis Melloh ihr den Abstand auf die Spitze mit: „Zweieinhalb Minuten auf die Erste!“
Auf den letzten Kilometern gab Paulus folglich alles: „Da war mir klar, das kann ich schaffen, wenn ich jetzt nicht völlig eingehe.“ Gleichzeitig zwang sie sich, es nicht zu übertreiben und auch auf genügend Hydration zu achten. Kein Wunder: gleich mehrere Athletinnen mussten aufgrund von Kreislaufproblemen vorzeitig aufgeben, darunter auch Favoritinnen aus dem Profi-Teilnehmer-Feld.
Fünf Kilometer vor dem Ziel war es dann so weit: Paulus schloss zur Führenden auf, überholte sie und hatte knapp zwei Kilometer vor dem Ziel schon einen Abstand von einer Minute und 19 Sekunden zwischen sie gebracht. Mit dem letzten Motivations-Boost an der sogenannten „Party Zone“ ging´s schnurstracks auf die Zielgerade. „Da habe ich mich noch einmal kurz umgedreht, um mich zu vergwissern, dass ich auch wirklich ganz in Ruhe über die Ziellinie laufen und den Moment genießen kann“, lachte Paulus. Und nach exakt neun Stunden, 57 Minuten und neun Sekunden war es geschafft: Christina Paulus erreichte als erste Athletin der Altersklasse 40-44 das Ziel, beendete die Strapazen obendrein noch als Neunte (!) im Gesamtklassement aller Amateurinnen.
Das Ziel und die Ehrung
Viel Zeit zum Jubeln über den Weltmeistertitel blieb zunächst jedoch nicht, Paulus wurde direkt zur Anti-Doping-Kontrolle geführt. Erst zwei Stunden nach dem Zieleinlauf durften Melloh und seine ebenfalls mitgereiste Schwester die glorreiche Siegerin richtig herzen. Die Siegerehrung folgte am nächsten Tag. Bei der feierlichen Zeremonie gab´s die lang ersehnte Holzschale samt hawaiianischen Blütenschmuck und Blätterkranz – und dann erst wurde so richtig gefeiert. „So richtig realisiert habe ich das Ganze noch immer nicht. Ich glaube, das kommt erst nach und nach“, lieferte Paulus einen Einblick ins Gefühl-Chaos. Doch sei es drum, diesen Tag wird sie in ihrem Leben sicherlich nicht mehr vergessen.
Kommentare