20.09.2024 14:41
Interview
Annike Krahn – Vom EM-, WM- & Olympia-Sieg zum VfL Bochum
„Du hattest jedes Wochenende ein emotionales Highlight, denn Emotionen spielen im Fußball eben eine große Rolle“
Arbeiten seit dieser Saison zusammen: Bochums Sportliche Leiterin Annike Krahn (li.) und Lars Diedrichs von Diedrichs Markenvertrieb.
Marken und Märkte vernetzen - das hat sich die DMV Diedrichs Markenvertrieb GmbH &. Co. KG, kurz DMV Group, auf die Fahne geschrieben. Mit dem Marketing -und Vertriebsexperten mit Sitz im niedersächsischen Bad Pyrmont begrüßt der VfL Bochum 1848 einen neuen Top Partner an seiner Seite. Zur Zusammenarbeit gehört insbesondere auch die Präsenz als Trikotsponsor der VfL-Frauen in den kommenden beiden Spielzeiten.
Doch der Trikotsponsor ist nicht das Einzige, was bei den VfL-Frauen neu ist. Mit dem Aufstieg in die 2. Frauen-Bundesliga haben die Westdeutschen auch eine neue Sportliche Leiterin dazugewonnen – Annike Krahn. Bei allen (Frauen-) Fußballinteressierten sollte hier etwas klingeln, denn die ehemalige Innenverteidigerin von Duisburg, Leverkusen und Paris Saint-Germain hat in ihrer Karriere so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Nach über 230 Einsätzen in Liga und Pokal sowie 137 Einsätzen für die Deutsche Nationalmannschaft hat die gebürtige Bochumerin 2017 ihre Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Jetzt ist sie zurück – in veränderter Rolle. Wir hatten das Glück, mit Ihr im Rahmen des DMV-Sommerfestes in Bad Pyrmont zu sprechen.
Weltmeisterin 2007, Europameisterin 2009 und 2013, Olympiasiegerin 2016, 137 Länderspiele – aber angefangen hast Du wie die meisten Fußballer/innen bei einem kleinen Verein: Westfalia Weitmar 09,wo im Übrigen auch Hermann Gerland einst wirkte. Wie bist Du in einer Zeit zum Fußball gekommen, in der Frauenfußball in der Öffentlichkeit praktisch nicht existierte?
Annike Krahn: „Ich bin in einer Siedlung aufgewachsen, in der es viele Kinder und Jungs gab. Einer hat dann Fußball gespielt – auch im Verein – und dann man in der Gruppe auch mal angefangen. Im Gegensatz zu anderen bin ich dann dabei geblieben. Man muss dazu sagen, dass ich schon aus einer sportlichen Familie komme, nicht aber aus einer Fußballfamilie. Auf der Straße hat man aber natürlich alles gespielt.“
Du hast in einem Interview mal gesagt, 100 Länderspiele hättest Du Dir selbst nicht zugetraut, weil es „technisch nicht gereicht hätte“. Warum hat es trotzdem gereicht?
„Dass ich ein gewisses Talent hatte, kann man, glaube ich, nicht von der Hand weisen. Sicherlich gab es aber Spielerinnen, die talentierter als ich waren – gerade was den technischen Bereich angeht. Am Ende musste ich mir viel erarbeiten. Ich war aber immer sehr ehrgeizig und konnte echt nicht gut verlieren (lacht). Letztendlich ist es vielleicht auch etwas einfacher, sich die technischen Aspekte zu erarbeiten als zum Beispiel das Spielverständnis. Und manchmal muss man auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, an die richtigen Trainer geraten. An der einen oder anderen Stelle hatte ich sicherlich auch Glück. Und ich hatte das Privileg, von zuhause unterstützt zu werden. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Rückblickend betrachtet muss man auch einfach ein Stück weit zufrieden sein mit dem, was man erreicht hat.“
Wie eingangs beschrieben, hast Du als Spielerin nahezu alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Mit einigen Jahren Abstand: Was vermisst Du aus Deiner Zeit als aktive Spielerin am meisten – und worauf verzichtest Du heute gerne?
„Natürlich war man es ein Stück weit gewohnt, mit vielen Menschen unterwegs zu sein. Das ganze Soziale drumherum macht viel aus. Das ist es auch, was man an der einen oder anderen Stelle auch vermisst – mit der Mannschaft unterwegs zu sein, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Du hattest jedes Wochenende ein emotionales Highlight, denn Emotionen spielen im Fußball eben eine große Rolle. Im Büro ist das natürlich ein wenig anders. Andersherum warst du natürlich auch schon sehr fremdbestimmt, was Spielplan und Freizeit angeht.“
Als gebürtige Bochumerin schließt sich für Dich ein Kreis: Du bist sportliche Leiterin bei den VfL-Frauen. Wie kam es dazu?
„Ich habe bereits vor 14 Jahren neben meiner aktiven Karriere mein Studium zur Diplom-Sportwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Management abgeschlossen. Während des Fußballs hatte ich anschließend eigentlich schon immer unterschiedliche Funktionen. Ich habe ein Praktikum beim VfL Bochum gemacht, war im WM-Organisationskommittee, habe im Fußballmuseum gearbeitet, war beim Regionalfußballverband in Kamen und habe mich auch beim DFB um Team-Management und Organisation gekümmert. Jetzt einen weiteren Aspekt im Portfolio kennenzulernen, meine Erfahrungen auch ein Stück weit weiterzugeben – und das in meiner Heimatstadt Bochum, wo ich bis auf die drei Auslandsjahre mein Leben lang gewohnt und den Frauenfußball verfolgt habe –, ist schon eine Win-Win-Situation.“
Nach neun Jahren in der Regionalliga sind die Frauen des VfL Bochum wieder zweitklassig. Wo soll die Reise in den kommenden Jahren hingehen?
„Wir mussten ja noch in die Relegation gegen Mainz. Die war auch sehr überzeugend und sportlich gehören wir definitiv in die zweite Liga. Kurzfristig gesehen, ist es natürlich erst einmal das Ziel, den Klassenerhalt zu packen. Irgendwann ist das Ziel sicherlich auch die erste Liga. Eine neue Liga bedeutet aber auch neue Gegebenheiten, da müssen wir auch strukturell nachziehen. Meine Stelle wurde so in dieser Form erst neu geschaffen und jetzt wird auch die Trainerfunktion erstmals in Vollzeit ausgeübt. Gerade personell als auch infrastrukturell müssen wir uns also weiterentwickeln. Lange Zeit ist es so gewesen, dass der Aufsteiger meist auch gleich wieder der Absteiger war, das wollen wir natürlich verhindern. Natürlich wird man nicht von heute auf morgen alles haben können. Es hat sich aber bereits unfassbar viel getan beim VfL Bochum und ich bin enorm dankbar, dass der Verein im Frauenbereich investieren will. Wir sind natürlich weiterhin auf Unterstützer angewiesen und sind daher auch froh um Partner wie DMV, die zum Beispiel sagen, 'Wir gehen auf diesen Weg mit.'“
Im Gegensatz zu vielen anderen namhaften Vereinen, die sich mittlerweile in der ersten und zweiten Liga tummeln, ist der VfL bereits seit vielen Jahren in der Regionalliga oder 2. Liga unterwegs. Wie bewertest Du das „Sterben“ der ehemaligen – meist vergleichsweise kleinen – Bundesliga-Größen im Frauenfußball, die nicht selten von im Männerbereich erfolgreichen und entsprechend finanzstarken Vereinen aufgekauft oder verdrängt werden?
„Das ist wohl ein bisschen der Zahn der Zeit – wenngleich das natürlich im Herzen ein wenig wehtut, gerade wenn man selbst acht Jahre lang für einen Nichtlizenzverein gespielt hat. Man muss aber sagen, dass die Anforderungen – auch diejenigen, die du vom DFB bekommst – heutzutage kaum noch stemmbar sind. Da musst du die Strukturen und die Finanzierung der Lizenzvereine nutzen. Deshalb habe ich größten Respekt vor der SGS Essen, die zwar auch einen Männerfußballbereich hat, allerdings nicht im vergleichbarem Rahmen. Die machen einfach richtig gute Arbeit!“
Wenn Du den heutigen Frauenfußball mit dem von „damals“ vergleichst: Was hat sich Deiner Meinung nach verändert?
„Kurzgesagt: alles – auch wenn noch längst nicht alles vollprofessionalisiert ist. Vor allem die EM in England vor zwei Jahren war nochmal eine richtige Initialzündung in der öffentlichen Wahrnehmung. Generell hat sich in den letzten zwei Jahren unfassbar viel getan. Das hat sicherlich viele verschiedene Gründe. Zum einen gesellschaftliche Aspekte. Sicherlich spielt da auch mit hinein, dass der Männerbereich aufgrund der starken Kommerzialisierung an der einen oder anderen Stelle kritischer gesehen wird. Daher haben auch die Vereine ein Interesse, den Frauenbereich zu stärken. Zum anderen hat sich auch sportlich einiges getan. Gleiches gilt für die Darstellungsweise. Nicht zuletzt steigen auch die Zuschauerzahlen, was schön zu sehen ist. Als ich letztes Jahr mit der U-Nationalmannschaft bei einem Länderspiel in Nürnberg war, habe ich gefühlt zum ersten Mal junge Mädels gesehen, die mit dem Trikot einer Spielerin herumgelaufen sind. Da ging mir richtig das Herz auf, denn so etwas gab es bis vor fünf, sechs Jahren nicht.“
Seit Kurzem haben die VfL-Frauen mit DMV ein Unternehmen mit Hameln-Pyrmonter Wurzeln als Trikotsponsor. Wie kam das Engagement zustande und was erhofft Ihr Euch von der Zusammenarbeit?
Lars Diedrichs von DMV: „Als ich zu einem Spiel des VfL Bochum Ende des letzten Jahres wollte, gab es eine Kontaktaufnahme mit der Hospitility-Abteilung des VfL. Dadurch sind wir im Gespräch geblieben. Wir wollen als Marke DMV sichtbarer werden und uns ausweiten, nachdem wir bisher vor allem regional aktiv waren. Deshalb sind wir zu Jahresbeginn eine Top-Partnerschaft mit dem VfL eingegangen, die Bandenwerbung beinhaltete. Vor dem Termin im Sommer über die weitere Zusammenarbeit hatten wir eine Partnerschaft als Ärmelsponsor im Kopf. Beim besagten Termin haben die Verantwortlichen uns aber schon einen Entwurf mit dem DMV-Logo auf der Brust präsentiert. Als VfL-Fan seit über 30 Jahren hatten sie mich damit direkt (lacht). Natürlich haben wir die Möglichkeit aber im gesamten Vorstandsteam besprochen und dann gemeinsam entschieden, dass wir uns in einem Maße engagieren wollen, wie wir es bisher noch nicht getan haben.“
Kommentare