Herr Scholz, Sie vertreten den SV Hastenbeck im Streit um den Regionalliga-Aufstieg und haben dementsprechend auch von Beginn an den gesamten Fall begleitet. Der Streitpunkt war und ist Punkt 17 in den Durchführungsbestimmungen für die Frauen-Regionalliga Nord, Serie 2023/24. Nach Auffassung der Klägerseite ist dort nicht eindeutig herauszulesen, ob ein Verein bereits in der Aufstiegssaison eine 11er B-Juniorinnenmannschaft stellen muss. Viel mehr wird es so verstanden, dass man erst zum Zeitpunkt der Teilnahme an der Regionalliga diese Voraussetzung erfüllen muss. Der Norddeutsche Fußballverband (NFV) hält jedoch entschieden dagegen. Wie bewerten Sie das Ganze?
„Ich drücke es mal so aus: Wenn ein Verein an einer Spielklasse teilnimmt, dann gelten für ihn die Durchführungsbestimmungen für die jeweilige Spielklasse der jeweiligen Saison. Der Verein muss ja wissen, welche Regeln für ihn gelten. Wie viele Mannschaften steigen ab? Wie oft darf gewechselt werden? Um mal die einfachen Parameter zu nennen. Die Besonderheit ist in diesem Fall: Der SV Hastenbeck hat in der Oberliga gespielt. Diese Liga wird vom Niedersächsischen Fußballverband verwaltet. Für den Aufstieg ist in diesem Fall aber der Norddeutsche Fußballverband zuständig als Verwalter der Regionalligen. Man schaut sich also in den Durchführungsbestimmungen der Frauen-Regionalliga, die die Aufstiegsvoraussetzungen verbindlich für die Oberligisten vorgeben, an, was nun nötig ist, um aufzusteigen. Jetzt steht man aber in diesem Fall vor einem ganz entscheidenden Problem: Der Norddeutsche Fußballverband war nicht in der Lage, die Vorstellungen, die er von den Aufstiegsvoraussetzungen hatte, korrekt und verständlich zu formulieren. Die Durchführungsbestimmungen für die Frauen-Regionalliga 2023/24 setzen, so wie es dort formuliert ist, lediglich voraus, dass die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Regionalliga erst nach dem Aufstieg, also mit Teilnahme an der Regionalliga, zu erfüllen sind. Darauf beruft sich der SV Hastenbeck. Der Norddeutsche Fußballverband sagt im Nachhinein einfach: Das steht so drin wie ursprünglich intendiert und ist auch genauso zu verstehen. Dass dort offensichtliche Fehler vorhanden sind, wird einfach ignoriert.“
Darüber hinaus: Wie bewerten Sie das gesamte Verhalten seitens des Verbands gegenüber dem SV Hastenbeck?
„Der Norddeutsche Fußballverband agiert hier von oben herab und sieht den SV Hastenbeck nicht auf Augenhöhe. Das ist ein Verhalten, das man so nicht stehen lassen kann. Dementsprechend habe ich auch schon den DFB-Vertrauensanwalt über die Geschehnisse in eigener Sache informiert und mitgeteilt, dass Frau Sabine Mammitzsch, Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses beim Norddeutschen Fußballverband und darüber hinaus DFB-Vizepräsidentin, anscheinend ungeeignet für dieses Amt ist. Selbstverständlich können Fehler passieren. Dann geht es aber darum, auf Augenhöhe nach einer Lösung zu suchen. Den Hörer in die Hand zu nehmen und auf einander zuzugehen. Der SV Hastenbeck kann die Voraussetzung zur Teilnahme an der Frauen-Regionalliga erfüllen wie in den Unterlagen, sprich Durchführungsbestimmungen und Meldebogen, gewünscht: zur nächsten bzw. jetzt aktuellen Saison 2024/25.“
Der gesamte Ablauf der Geschehnisse kurz nach der gewonnen Niedersachsenmeisterschaft der Hastenbeckerinnen war für Außenstehende ohnehin schwierig nachvollziehbar und selbst nach mehrfachen Anfragen hat der N(ord)FV keine Informationen nach außen gegeben. Die Chronologie nach unserem Kenntnisstand: Das erste Gespräch mit dem N(ord)FV nach der Niedersachsenmeisterschaft habe nach Auskunft des SVH am darauffolgenden Tag, 26. Mai, am Abend stattgefunden. Der Verein wurde um eine Stellungnahme zur Abmeldung der B-Juniorinnen gebeten. Noch vor der offiziellen Absage des N(ord)FV an den SVH, dass Hastenbeck nicht aufsteigen dürfe, wurde das Relegationsspiel zwischen dem Kieler MTV und Eimsbütteler TV abgesetzt und beiden wurde der Aufstieg gewährt – dabei hätten beide Vereine den Aufsteiger als Vertreter der Verbände aus Hamburg und Schleswig-Holstein ermitteln müssen. Wie bewerten Sie die Abfolge dieser Ereignisse?
„Das ist sehr ungewöhnlich. Im Normalfall lassen die Verbände diese Relegationsspiele trotzdem austragen, um für alle Fälle immer eine Entscheidung zu haben. Im Nachhinein kann man immer noch beide aufsteigen lassen, sofern die Voraussetzungen dafür gegeben sind. In diesem Fall wurden durch die Absetzung dieses Relegationsspiels aber schon Fakten geschaffen, bevor Hastenbeck überhaupt wusste, ob man nun aufstiegen darf oder nicht. Man muss sich nur mal in die Spielerinnen hineinversetzen: Sie holen die Niedersachsenmeisterschaft, freuen sich über einen riesigen Erfolg als Dorfverein und den damit verbundenen Aufstieg, der durch die Durchführungsbestimmungen im ersten Moment abgedeckt ist, und müssen dann in den sozialen Medien lesen, wie andere Vereine ihren Aufstieg bekannt geben, ohne überhaupt zu wissen, wie nun die Lage ist. Das kann nicht nur großen Ärger in den Verein selbst bringen, sondern ist auch ein Schlag ins Gesicht für die Spielerinnen. Die Absage des Relegationsspiels lässt tief blicken und zeigt, dass schnell Fakten geschaffen werden sollten. Wenn man das so handhabt, entsteht schnell der Verdacht einer besonderen Nähe zwischen bestimmten Vereinen und Funktionären bzw. Sportgerichten – und wie wenig Respekt dort vor anderen Vereinen herrscht. Die Verbände existieren, weil sie als Dienstleister der Vereine arbeiten sollen. Das Ganze hat sich aber verselbstständigt. Heute ist das Selbstverständnis vieler Verbände: Die Vereine sind der störende Faktor, wichtiger sind die eigenen Ämter und die damit verbundenen Annehmlichkeiten.“
Ohnehin: Was ist mit dem Aufstiegsrecht des niedersächsischen Aufsteigers?
„Grundsätzlich gilt: Der Niedersächsische Fußballverband hat einen Aufstiegsplatz. Dennoch gibt es aus Niedersachsen keinen Aufsteiger in die Frauen-Regionalliga. Ich kann aber nicht beantworten, ob andere Oberligisten noch für die Regionalliga gemeldet haben, da ich hier keinen Einblick habe. Wir haben mehrfach bezüglich dieser Frage beim Norddeutschen Fußballverband angefragt, aber keine Antwort erhalten. Ohnehin ist der Kontakt mit dem Verband schwierig. Wenn man mal Kontakt hat, ist dieser extrem kurz angebunden.“
Welche Schritte kann der SV Hastenbeck noch gehen, um Recht in seiner Sache zu bekommen?
„Wenn alle Verbandsgerichte durchlaufen sind, ist der nächste Schritt das Zivilgericht. Wobei ich die Bezeichnung 'Gericht' den beteiligten Verbandsgerichten aberkennen würde. Aber das steht auf einem anderen Blatt. In der Vergangenheit haben wir mit dem Wilhelmshavener SV nach dem vom Norddeutschen Fußballverband veranlassten Zwangsabstieg aus der Regionalliga im Jahr 2014 ebenfalls zivilrechtlich geklagt – und nach einigen Jahren Recht bekommen. Das ist eine schöne Feststellung, aber was macht man dann daraus? Der Schaden ist entstanden und mit mehreren Jahren Abstand nicht mehr rückgängig zu machen. Die Zeit läuft hier gegen die Vereine und für die Verbände. Das ist auch im Fall Hastenbeck so. Es wird keine rechtzeitige Entscheidung mehr geben, Hastenbeck hat schon Spiele in der Oberliga absolviert.“
Wie sehen Sie die Chancen, dass dem Verein noch die von ihm geforderte Gerechtigkeit zukommt?
„Zivilrechtlich stehen die Chancen meiner Meinung nach sehr gut, aber der Aufstieg ist nicht mehr möglich. Hastenbeck hat schon in der Oberliga gespielt, das weiß auch der Norddeutsche Fußballverband. Der spielt natürlich auf Zeit und das war auch von Beginn an der Plan. Hastenbeck sollte nicht aufsteigen und der Verband hat in seiner Struktur die Möglichkeiten genutzt, um das zu verhindern.“
Sie sprechen über „Arroganz“ beim Norddeutschen Fußballverband gegenüber Hastenbeck. Das Beispiel TSV Barmke zeigt: Es kann auch anders gehen. Der TSV kann als bestehender Regionalligist ebenfalls nicht die Durchführungsbestimmungen erfüllen. So heißt es in den Durchführungsbestimmungen: „Zur Teilnahme am Pflichtspielbetrieb der FRN werden nur Vereine zugelassen, wenn sie (…) mit mindestens einer 11er B-Juniorinnenmannschaft am ordentlichen Spielbetrieb in ihrem Landesverband oder in der B-Juniorinnen Bundesliga teilnehmen oder mit einer 11er B-Juniorinnenmannschaft am ordentlichen Spielbetrieb einer Norwegerstaffel (zwingend aus 9er und 11er Mannschaften) teilnehmen.“ Barmke stellte in der abgelaufenen Saison eine vermeintliche 11er-B-Juniorinnenmannschaft, die jedoch in einer Staffel mit vier 7er-Mannschaften einem 9er-Team spielt. Die „zwingende“ Voraussetzung des Norddeutschen Fußballverbands wurde hier also nicht angewendet. Wie passt das wiederum mit dem Verhalten gegenüber Hastenbeck zusammen?
„Das würde ich auch gerne wissen. Regeln sind von Verbandsseite dazu da, um sie für alle gleichberechtigt anzuwenden. Sonst entsteht Willkür oder im schlimmsten Fall Vetternwirtschaft.“
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