25.01.2023 10:56

Interview


Vorsitzender Rieke erklärt: Das tun wir, um neue Schiedsrichter zu gewinnen

„Mehr Regelkenntnis und Wertschätzung bei allen genannten Parteien"
Michael Rieke Vorsitzender der Schiedsrichter
Michael Rieke ist Vorsitzender des Fußball-Schiedsrichterausschusses Hameln-Pyrmont.
Am 11. Januar schlug Schiedsrichter-Ansetzer Dieter Schröder Alarm, nachdem er für die Besetzung für zwei parallel stattfindende Hallenturniere große Probleme hatte, genügend Unparteiische zu finden, die verfügbar waren. Letztlich musste er selbst einspringen. Die Worte des Ansetzers stießen auf Verständnis von allein Seiten, allerdings gab es auch berechtigte Fragen, die uns erreichten. Der Tenor: Was können denn die Unparteiischen selbst tun, um sich attraktiver für neue Gesichter zu machen? Wir haben einen Fragenkatalog an den Ausschussvorsitzenden Michael Rieke gesendet - und er hat geantwortet.

15 Spiele, 3 Lehrabende – das ist die Leistungsvoraussetzung für eine Saison, um als Schiedsrichter anerkannt zu werden. Nehmen wir den theoretischen Fall an, dass ein Schiedsrichter deutlich mehr Spiele als vorgegeben pfeift, dafür aber nicht an allen drei Lehrabenden teilnehmen kann. Ist es möglich, die Anerkennung dennoch zu vergeben oder eine Ersatzleistung zu ermöglichen? Siehe § 5, (3) Schiedsrichterordnung NFV Dez 2022: ... „Den Kreisschiedsrichterausschüssen ist es freigestellt, für Schiedsrichter, die ausschließlich Spiele in den unteren Klassen des Kreises leiten wollen, in folgenden Bereichen Erleichterungen zu ermöglichen: - Pflichtteilnahme am Kreisschiedsrichterlehrabend, - Ablegen der Kreisleistungsprüfung...“
„Ja, das ist möglich. Der SR sollte schriftlich, glaubhaft und plausibel den Grund für die Nichtteilnahme mitteilen. Die Nichtanerkennung bei fehlender Spielübernahme und fehlender Teilnahme an Lehrveranstaltungen wird übrigens vor jeder Saison durch den Verein und den SR per Unterschrift auf dem SR-Meldebogen bestätigt. Darüber hinaus folgende Anmerkung: Diese Erleichterungen werden angeboten, allerdings nicht für SR die den Anspruch stellen in höheren Klassen tätig sein zu wollen.“

Wie gehen andere Fußballkreise mit dieser Fragestellung um? Gibt es einen Austausch diesbezüglich?
„Diesen Austausch gibt es durch die festgeschriebenen Satzungen und Ordnungen des NFV, an welche sich alle Kreise ausnahmslos halten müssen. Laut den Satzungen wäre auch die Sanktion des Punktabzuges für die höchste Mannschaft bei fehlenden SR möglich und auch wesentlich höhere Geldstrafen wären möglich. Dies wird in einigen Kreisen auch so gehandhabt. Der Kreis Hameln bewegt sich hier an der untersten Grenze der Möglichkeiten von Sanktionen.“
Was bietet der Schiedsrichterausschuss für Möglichkeiten an, um die Lehrabende für die Schiedsrichter „offener“ bzw. „attraktiver“ zu gestalten?
„Wir bieten Online-Teilnahmen via Teams an.“

Was unternimmt der Schiedsrichterausschuss darüber hinaus, um neue Schiedsrichter für den lokalen Fußball zu gewinnen?
„Die Ankündigung von Anwärterlehrgängen wird regelmäßig an die lokale Presse weitergeleitet. Allerdings erfolgt die Veröffentlichung ausschließlich über AWesA. Hier müssten die Vereine verstärkt tätig werden, da andere Zeitungen die Veröffentlichung nicht durchführen. Unser Lehrwart war in der der jüngeren Vergangenheit sogar in Schulen unterwegs. Die Resonanz war aber sehr gering. Wenn die Vereine Vorstellungen organisieren, sind wir auf Anforderung sehr gerne auch spontan vor Ort und werben für einen Lehrgang. Dies ist nur leider nicht der Fall. Hier sind wir auf die Mithilfe der Vereine angewiesen.“

Die Schiedsrichterausbildung findet ausschließlich auf theoretischer Basis statt, sodass die neuen Schiedsrichter – ob jung oder älter – häufig „ins kalte Wasser“ geworfen werden und sicherlich den einen oder anderen „Kulturschock“ erleiden. Die Konsequenz: Schnell vergeht die Lust aufgrund fehlender Vorbereitung. Warum gibt es bei der Schiedsrichterausbildung keinen praktischen Teil, so wie es zum Beispiel beim Handball üblich ist?
„Der Ausbildungsplan des NFV sieht eine praktische Ausbildung nicht vor und der Zeitplan der Ausbildung ist sehr eng geschnürt. Sollte es hier Vorschläge dafür geben, wie eine praktische Ausbildung aussehen könnte, sind wir gerne bereit, uns diese Modell genauer anzuschauen. Diese Art der Ausbildung wird nach meiner Kenntnis im NFV nicht praktiziert. Durch das, durch den NFV eingeführte Patensystem, sind wir stets bemüht, die neuen SR bei ihren ersten Spielen zu begleiten. Dies ist allerdings nur eingeschränkt möglich, da die Paten ja selber auch dringend zur Besetzung der Spiele benötigt werden. Auch hier müssen die Vereine mehr Mitarbeit anbieten.“

Es gibt drei wichtige Parteien, um den Fußball auf Lokalebene möglich zu machen: Vereine, Schiedsrichter und Spielausschuss. Was könnte man unternehmen, um diese drei Parteien wieder mehr zueinander zu führen, anstatt – zumindest ist das ein häufig gewonnener Eindruck – gegeneinander zu arbeiten?
„Mir ist nicht bekannt, dass Vereine, Schiedsrichterausschuss und Spielausschuss gegeneinander arbeiten. Im Gegenteil. Die Vorgehensweise in der ersten Frage wurde lediglich von einem Verein bemängelt. Diese Vorgehensweise wurde von zwei Instanzen der Sportgerichte als rechtens erklärt. Es wird immer wieder die fehlende Qualität der SR auf unterster Ebene bemängelt. Diese Qualität kann nur durch regelmäßige Fortbildungen gesteigert werden."

Was muss aus Sicht der Schiedsrichter geschehen, dass Spieler und Trainer Zuschauer mehr Verständnis für die Aufgaben und die Rolle des SR aufbringen?
„Mehr Regelkenntnis und Wertschätzung bei allen genannten Parteien. Weiter muss hier auch innerhalb der Vereine und Ihrer Anhänger bzw. Begleiter die Hemmschwelle zur Gewalt immens reduziert werden. Es kann einfach nicht sein, dass z.B. in einem C-Jugend-Spiel in Hameln-Pyrmont in der aktuellen Saison ein Spieler mit einem Messer im Stutzen aufläuft und damit Mit- und Gegenspieler sowie den SR dermaßen verängstigt, sodass diese den Fußballsport an den Nagel hängen, weil sie einfach Angst haben."

Was könnte der Schiedsrichterausschuss unternehmen, dass Schiedsrichter auch ihrerseits mehr Verständnis für die Spielerinnen und Spieler - wenn es sich im Rahmen des Erträglichen bewegt - aufbringen?
„Die meisten aktiven SR sind selbst als Spieler tätig und können sich durchaus in die Sicht des Spielers versetzen. Allerdings haben die SR klar vorgeschriebene Regeln, die nur seltenen Spielraum zum sogenannten 'Fingerspitzengefühl' zulassen."

Wäre ein „Runder Tisch“ unter Initiierung und Moderation des Kreisfußballverbandes ein denkbares Format?
„Diesen 'Runden Tisch' hat es in der Vergangenheit bereits öfter zwischen Trainern, Betreuen und Schiedsrichtern gegeben. Das langfristige Ergebnis hat allerdings allen Parteien nicht viel gebracht und wurde dann auch aufgrund mangelnder Teilnehmer wieder eingestellt. Für solche Maßnahmen sind wir jederzeit offen und würden solche Projekte begrüßen.“
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Autor des Artikels

Jannik Schröder
Jannik Schröder
Jannik stieg nach seinem Praktikum vor einigen Jahren neben dem Studium als Freier Mitarbeiter bei AWesA ins Boot – und ist nach seinem Master-Abschluss in Germanistik und Geschichte seit Oktober 2015 Chefredakteur.
Telefon: 0176 - 6217 6014
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