18.09.2019 11:52

Interview


Aus dem Leben eines Sky-Redakteurs: Interview mit Oliver Lipinski

„Der lokale Fußball wird immer bleiben“ / Unbedingt anhören: Podcast „Nachholspiel“ auf Nachholspiel.de
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Das Sky Sport News HD-Büro im (XX...L-)Panoramablick. Foto: privat.
Oliver Lipinski DFB Pokal Sky Sport News HD Fussball AWesA
Oliver Lipinski berichtet über den ganz großen Sport – darunter auch den DFB-Pokal. Foto: privat.
Er übt einen Beruf aus, von dem viele Fußballfans träumen: Der aus Hameln stammende Oliver Lipinski ist Redakteur bei Sky Sport News HD. Als Kind aktiv bei der SG Hameln 74 und dem TSV Bisperode – jetzt macht er Beiträge über Bundesliga, Champions League, Nationalmannschaft. Von der Rattenfängerstadt auf die ganz große journalistische Bühne; wie er dort hingekommen ist, wie sein Alltag aussieht, ob der Fußball-Romantiker in ihm noch lebt und von was sein neuer Podcast „Nachholspiel“ handelt, erzählt Lipinski im ausführlichen Interview.

Wie hat Dich Dein Weg von der Rattenfängerstadt auf die ganz große journalistische Bühne bei Sky Sport News HD geführt?
Oliver Lipinski: „Wenn du mein 12-jähriges Ich fragen würdest, wäre die Antwort klar. Damals gab es für mich nichts anderes, als die Bundesliga-Radiokonferenzen mit meinem Vater zu hören. Das Radio war immer mein Traum, ich habe schon als Junge eigene Sendungen aufgenommen. Nach dem Abitur habe ich im Jahr 2006 ein Praktikum bei Radio Aktiv gemacht, wo ich mit Tim Gasse zusammengearbeitet habe. Während der WM war die französische Nationalmannschaft in Hameln und Tim war der rasende Reporter, der über die Franzosen berichtet hat. Ich bin immer mitgefahren und habe diese Zeit aufgesaugt. Danach habe ich in Bremen Journalismus studiert und nebenbei für die Zeitung gearbeitet. Dass ich irgendwann mal beim Fernsehen landen würde, war bis dahin nie im Gespräch. In dieser Zeit habe ich bei StudiVZ (Anm.d.Red: die erste große deutsche Social Media-Plattform, wurde von Facebook abgelöst) eine Gruppe entdeckt, in der Kommentatoren für Konferenzschaltungen in der Regionalliga gesucht wurden – ohne Honorar, einfach aus Liebe an der Sache. Ich habe mich dort gemeldet und fortan mit dem Handy aus dem Stadion in Konferenzschaltungen berichtet. Nach zwei Saisons wurde das Projekt jedoch beendet und fast alle gingen zum Radiosender 90elf. Als ich das Studium abgeschlossen hatte, bin ich in München bei Sport1 gelandet und habe dort ein Praktikum absolviert. Parallel habe ich mitbekommen, dass Sky Volontäre sucht. Ich habe mich einfach mal dort beworben und eine Absage bekommen. Allerdings hat mir Sky zum 1. April 2012 eine Stelle als Jungredakteur angeboten. Die Gelegenheit habe ich sofort wahrgenommen. Mit der Zeit bin ich zum Redakteur aufgestiegen und arbeite mittlerweile bei Sky Sport News HD.“

Was hat Dich dazu bewogen, nicht nur Sport zu betreiben, sondern auch über ihn zu berichten?
„Mein Vater war ein absoluter Statistik-Nerd im positiven Sinne. Das einzige Gesprächsthema war Fußball. Er ist zu Preußen Hamelns drittklassigen Zeiten immer mitgefahren und hat den Verein unterstützt. Darüber hinaus habe ich selbst von F- bis zur C-Jugend bei der SG Hameln 74 gespielt und später beim TSV Bisperode. Irgendwie habe ich aber dann den Faden verloren. Die große Frage in der Pubertät ist ja immer: feiern oder Fußball? Ich habe mich für Ersteres entschieden (lacht). Zudem war ich auch kein guter Fußballer wie ein Mike König zum Beispiel, mit dem ich damals zusammen gespielt habe.“

Du berichtest über den ganz großen Fußball: Bundesliga, Champions League, Nationalmannschaft. Bleibt da überhaupt noch Platz für den Amateurfußball?
„Mein Arbeitskollege Max Bielefeld hat es ganz treffend beschrieben: Der ganz große Fußball ist nicht mehr greifbar. Da werden irrsinnige Summen gezahlt. Es handelt sich dabei um ein ganz anderes Geschäft, das für globalen Markt ausgerichtet ist. Deshalb wird der lokale Fußball immer bleiben. Mit diesem können sich die Fans und Zuschauer noch identifizieren, dort können sie mitreden. Obwohl ich schon seit Jahren nicht mehr in Hameln lebe, informiere ich mich nach wie vor darüber, was im Hameln-Pyrmonter Fußball passiert: was alte Weggefährten so treiben, wer gerade erfolgreich ist oder nicht.“

Du übst einen Beruf aus, von dem viele träumen. Was muss man mitbringen, um bei den ganzen großen Sendern wie Sky oder Sport1 zu arbeiten?
„Du musst arbeiten, arbeiten, arbeiten. Zudem musst du heutzutage ein abgeschlossenes Studium mitbringen. Was du letztlich studiert hast, ist fast schon nebensächlich. Wir haben Juristen, Mathematiker, Historiker. Das Wichtigste ist, dass du dir berufliche Praxis über Praktika holst. Der Journalismus ist auch heute noch ein klassischer Quereinsteiger-Job. Im Sportjournalismus sind Interesse, Neugier, gute Arbeitsproben und großes Fachwissen über Sport – nicht nur Fußball – entscheidende Aspekte.“

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So sieht der Arbeitsplatz eines Sky-Redakteurs aus. Foto: privat.
Wie sieht der „normale" Arbeitstag eines Sky-Redakteurs aus – wenn man überhaupt von „normal" sprechen kann?
„Tatsächlich hat mein Beruf einen relativ festen Ablauf. Wir haben die Früh- und die Spätschicht. Zu Beginn der Schicht findet eine Themenkonferenz statt. Wie der Name schon sagt: Dort werden die Themen des Tages besprochen und auf die Redakteure verteilt. Dann heißt es zum Beispiel: Oliver, du machst heute die Pressekonferenz mit Jogi Löw. Dann hörst du dir die PK gemeinsam mit deinem Cutter an und sagst ihm, welche O-Töne du für deinen Beitrag verwenden willst. Anschließend schreibst du einen Text, bastelst die Zitate der PK mit ein und schaust dir das Ergebnis mit deinem Cutter an. Wenn das alles passt, vertonst du das ganze und dann kann der Bericht gesendet werden. Es gibt Tage, da produzierst du Beiträge für über 20 Minuten Sendezeit und dann gibt es Tage, da bist du überhaupt nicht zu hören. Meistens bin ich also im Innendienst. Es kann aber auch mal vorkommen, dass du rausfährst. Als der Hamburger SV sein Trainingslager in Österreich absolviert hat, wurde der Reporter vor Ort krank. Dann fährst du schnell hin und machst ein Interview mit Dieter Hecking. Normalerweise stehe ich aber nicht vor der Kamera. Das machen die Kommentatoren. Außergewöhnliche Tage sind natürlich der 'Deadline Day' (Anm.d.Red.: Der letzte Tag des Transferfensters) oder die Champions League-Auslosung.“

Wenn man „rund um die Uhr“ über den Sport – insbesondere Fußball – berichtet, stellt sich da nicht nach einer gewissen Zeit auch eine gewisse Übersättigung ein?
„Plakativ gesagt: Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und dadurch kein Hobby mehr. Man guckt den Fußball auf eine andere Art und Weise, hinterfragt die Kamera-Einstellung, achtet genau darauf, was der Kommentator sagt und guckt das Spiel viel analytischer. Es ist nicht mehr das Mitfiebern, diese Spannung, die den Fußball so sehr ausmacht. Im Büro laufen den ganzen Tag über 100 Fernseher, alleine an meinem Arbeitsplatz stehen zwei TVs und ein Monitor. Dann bin ich auch mal froh, wenn ich zu Hause bin und ganz in Ruhe ein Buch lesen kann. Es ist tatsächlich wahr, dass eine gewisse Übersättigung eintritt. Fußball ist ein Geschäft und wenn man in diesem Bereich arbeitet, wird dies umso deutlicher. Ich sehe mir nicht mehr jedes Londoner Derby an, nur um des Schauens Willen. Trotzdem bin ich weiterhin Dortmund-Fan und kann mich darüber freuen, wenn Sancho mit dem Ball wieder unmögliche Dinge anstellt. Man sucht sich seine Spiele, die man privat schaut, sorgfältiger aus. So bewahrt man sich die Begeisterung für diesen Sport.“

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Der Champions League-Pokal – mehr geht auf Vereinsebene nicht. Foto: privat.
Du arbeitest bereits seit sieben Jahren in einer extrem schnelllebigen Branche. Was hat sich in Deinem Beruf in dieser Zeit verändert?
„Die größte Schwierigkeit ist heutzutage, dass die Vereine ihre eigene Berichterstattung machen. Darauf wollen wir so weit wie möglich verzichten, da die vereinseigenen Beiträge die kritische Komponente vermissen lassen. Da wird ein Mats Hummels nicht gefragt, was der Grund für seinen Wechsel zum BVB war, sondern wie sehr er sich auf die Zeit bei der Borussia freut. Dass Niko Kovac ihm möglicherweise keinen Stammplatz in Aussicht stellen konnte oder andere Spieler den Vorzug erhalten haben, wird in diesen Interviews nicht hinterfragt. Diese Fragen zu stellen, ist weiterhin unser Job. Zudem möchte ich noch einmal auf ein Gerücht eingehen: Nein, wir kommen nicht einfach so in jedes Stadion (lacht). Es ist nicht so, dass im Hinterzimmer 50 Presseausweise liegen, mit denen man einfach so zu den Spielen spazieren kann. Das ist denjenigen vorbehalten, die aus dem Stadion berichten.“

Seit Ende Juli betreibst Du mit zwei Kollegen einen Podcast, der nicht unter der Flagge von Sky veröffentlicht wird, sondern ein eigenständiges Projekt ist: „Nachholspiel". Was ist das Thema des Podcasts und wie kamt Ihr auf die Idee, diesen Podcast ins Leben zu rufen?
„Ich mache den Podcast mit zwei ehemaligen Sky-Kollegen, Hans von Brockhausen und Daniel Toth. Daniel hatte im Frühling die Idee, einen historisch angehauchten Fußball-Podcast ins Leben zu rufen. Das gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir waren sofort Feuer und Flamme und Ende Juli ging die erste Folge online. Normalerweise peilen wir pro Folge eine knappe Stunde an, teilweise wird es aber auch ein bisschen länger. Alle paar Folgen laden wir auch mal einen Gast ein. Zuletzt hatten wir zum Beispiel den 'Transfer-Guru' von Sky, Max Bielefeld, dabei. Es ging um den 222 Millionen-Transfer von Neymar. Einer von uns drei nimmt bei den historischen Themen die Rolle des Historikers ein, der sich besonders umfangreich vorbereitet und dann als Experte mit den anderen beiden über dieses Thema diskutiert. Das Interessante ist dabei, dass die zwei 'Nicht-Historiker', die mit dem Experten sprechen, genauso etwas dazulernen wie die Zuhörerinnen und Zuhörer. Kurios war bei der WM 1930 in Uruguay zum Beispiel, dass beim Finale 1.600 Menschen vor dem Stadion ihre Revolver abgeben mussten. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Aus heutiger Sicht unvorstellbar (lacht). Das sind exakt die Geschichten, die wir in diesem Podcast besprechen möchten. Es handelt sich hierbei also nicht um ein spieltagsbezogenes Projekt, sondern geht in die fußballkulturelle Richtung.“

Welche Ziele habt Ihr Euch mit dem Podcast gesetzt?
„Demnächst haben wir mit Uli Köhler einen ganz besonderen Gast. Uli ist seit den 70er Jahren FC Bayern-Reporter und hat den Verein so intensiv begleitet wie kaum ein anderer. Das Thema wird dann natürlich Bayern München in der Retrospektive sein, mit all seinen Facetten wie dem 'FC Hollywood'. Schön wäre, wenn wir eine feste Zuhörerschaft finden, die sich den Podcast gerne und regelmäßig anhört. Ein Traum wäre natürlich, wenn wir einmal einen Podcast live aus der bekanntesten Münchener Fußballkneipe, Stadion an der Schleißheimer Straße, machen könnten und dort mit Fans zusammen diskutieren.“

Oliver, wir wünschen Dir und Euch weiterhin viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch.

Der Podcast ist abrufbar auf:

Spotify: https://sptfy.com/d65n
iTunes: https://apple.co/2kMPlgt
Web: https://nachholspiel.de
Instagram: Nachholspiel
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Autor des Artikels

Team AWesA
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