03.09.2020 11:41

Testspiel


Eike Bergers Abschiedsspiel : „Was Schöneres nicht wünschen können“

MTV Markoldendorf und SSG Marienau trennen sich 1:1 / „R9“ lässt Sieg liegen
SSG Marienau Markoldendorf
Die SSG Marienau bereitete Eike Berger ein unvergessliches Abschiedsspiel. Foto: privat.
Von René Henke

Fragt man Unbeteiligte nach den Charakteristika des Kreisklassenfußballs, würden die Antworten wahrscheinlich lauten: Eine hohe Fehlpassquote, fragwürdige Abseitsentscheidungen, Bierkonsum in rauen Mengen, konditionell bedingte Auswechselungen, vergebene Großchancen und leckere Currywurst-Pommes am Sportplatz-Imbiss. Das jedoch wertvollste und wichtigste Charakteristikum ist Freundschaft – diese Geschichte unterstreicht genau das. Es ist Samstag, der 29. August 2020, als gegen 15.21 Uhr schnauzbärtige Männer den eigens gemieteten Reisebus in Marienau betreten (selbstverständlich mit Atemschutzmaske). „Für gewöhnlich sind wir froh, wenn wir bei Auswärtsspielen elf Leute zusammenbekommen“, äußerte sich SSG-Coach Kai Lücke bereits vor Fahrtantritt. Doch dieser Tag war eben alles andere als gewöhnlich und das wollte sich niemand entgehen lassen: Es war der Tag des Abschiedsspiels für Eike Berger – einem wahren Urgestein der SSG Marienau. Weit über 20 Jahre hat er die Schuhe am Krugfeld geschnürt und in dieser Zeit gleich mehrere Abstiege miterlebt: „Man kann Eike aber auch nicht die alleinige Schuld geben“, stellt sich Mittelfeldmann Schmidt schützend vor seinen ehemaligen Mitspieler. Auf die Frage, ob Bergers Abschied einen sportlichen Verlust darstelle, äußerte sich Weggefährte Nils Bormann grinsend: „Nein, also fußballerisch war das absolut gar nichts. Menschlich hingegen gehört er zu den besten Typen, die hier je gekickt haben.“

Ein Wiedersehen unter Tränen

Nach rund einer Stunde Fahrt fand sich die 1. Herren der SSG Marienau an Bergers neuer Wirkungsstätte in Markoldendorf wieder, wo sich das Heimteam bereits aufwärmte. Der bis zu diesem Zeitpunkt völlig ahnungslose Berger war bei der Begrüßung zu Tränen gerührt, was niemanden der Anwesenden kalt ließ: „Ein toller Moment. Für so etwas spielen wir Fußball“, hieß es später aus den Lagern beider Vereine. Weniger herzerwärmend war allerdings die kurz darauf angepfiffene erste Halbzeit. Obwohl beide Trainer das Spiel als durchaus ernstzunehmenden Test einstuften und somit ihre vermeintlich erste Elf aufboten, kam es, wie es bei einem Testspiel zwischen zwei Kreisklasse-Teams zu erwarten war: Viele Fehlpässe, fragwürdige Abseitsentscheidungen sowie konditionell bedingte Auswechselungen prägten das Bild der Partie und hinterließen eine mehrheitlich enttäuschte Zuschauerschaft. Folgerichtig ging es torlos in die Pause.

Berger wechselt die Seiten / Thielke mit dem 0:1

Patrick Ringmayer SSG Marienau "R9"
Patrick Ringmayer mit der „R9“-Gedächtnisfrisur. Foto: privat.
Wie bereits im Vorfeld der Partie besprochen, wechselte Berger in der Halbzeitpause die Seiten und lief fortan als Mittelstürmer im Marienau-Dress auf. Unterstützung erhielt er dabei vom ebenfalls eingewechselten Stürmer Patrick Ringmayer alias „R9“. Obwohl Berger insbesondere kurz nach Wiederanpfiff zwei Mal aus der Distanz für Gefahr sorgte (52./56.), war es Rechtsverteidiger André Thielke, der, nach einem herrlichen Solo über den ganzen Platz, gekonnt mit dem Außenrist einnetzte (64.). Die Gastgeber rannten in der Folge wütend an, spielten sich jedoch keine nennenswerten Chancen heraus. Ganz anders die SSG Marienau: Beflügelt ob des 1:0-Führungstreffers, kombinierten sie sich in der Folge gleich mehrfach vor das MTV-Tor, ließen aber reihenweise beste Gelegenheiten verstreichen. Insbesondere der eingewechselte „R9“ tat sich dabei an diesem Tag als absoluter Chancentod hervor (66./71./83./86.). Exemplarisch für den Marienauer Chancenwucher steht die „R9-Szene“ aus der 83. Minute: Nach herrlichem Zuspiel aus dem Mittelfeld, lief „R9“ vollkommen freistehend auf den Torhüter der Markoldendorfer zu, dribbelte an diesem vorbei, um in der Folge absolut unbedrängt auf den Ball zu treten und zu stolpern - die Chance war vertan. SSG-Coach Lücke beschreibt die Szene aus seiner Sicht: „Ich habe schon mit meinen Ersatzspielern eingeschlagen und das 0:2 gefeiert. So etwas Klägliches habe ich bisher weder als Aktiver noch als Trainer erlebt.“ 

Berger soll Sieg festhalten / Rohmeier bestraft Marienau

Eike Berger SSG Marienau im Tor
Machte als Marienau-Keeper eine gute Figur: Eike Berge. Foto: privat.
In den letzten Minuten sah sich Coach Lücke gezwungen weitere Wechsel vorzunehmen: Für den leicht angeschlagenen SSG-Keeper Köhne kam Eike Berger, „R9“ wurde durch den verletzten René Henke ersetzt. „Bei Köhne ging es nicht weiter. Wir mussten reagieren und haben uns für Eike im Tor entschieden“, kommentierte Lücke seine Entscheidung. Zunächst erwies sich Berger als souveräner Rückhalt, als er gleich zwei Versuche aus der Distanz innerhalb weniger Minuten zu entschärfen wusste (85./87.). In der Folge jedoch der Schock für Marienau: Nach einer abgefälschten Flanke war es Yannick Rohmeier, der, am verdutzten Berger vorbei, zum 1:1-Ausgleich einschob (89.). Kurz darauf beendete der Schiedsrichter das, in der zweiten Hälfte durchaus unterhaltsame, Testspiel.

Launige Feier unter Freunden / MTV-Kneipe mit Rekordumsatz

„Wir sind nicht mit dem Reisebus angereist, weil wir keine PKWs zur Verfügung gehabt hätten“, hieß es aus Kreisen der Marienauer. Die Intention war eindeutig: Heute würde Bier getrunken werden und jeder sollte dabei sein! Es entwickelte sich eine spaßige Feier bis spät in die Nacht, bei der sich die Lager beider Vereine bereits nach kurzer Zeit mischten und erste Freundschaften geschlossen wurden.  „Nächstes Jahr mieten wir einen Bus und kommen zu euch“, hieß es von Seiten der Markoldendorfer. Ein Angebot, welches die SSG Marienau gerne annehmen wird. In einem abschließenden Statement von Marienauer Seite heißt es: „Wir freuen uns für Eike, dass er einen so sympathischen Verein gefunden hat und sich dort bereits nach kurzer Zeit vollumfänglich integrieren konnte, auch wenn wir ihn hier natürlich bei jedem Training vermissen. Wir danken dem MTV Markoldendorf ausdrücklich für die Möglichkeit des Abschiedsspiels und für die durchweg gelungene Organisation des gesamten Tages. Es ist ihnen zu verdanken, dass wir trotz akribischer Einhaltung aller Cornona-Richtlinien einen derart gelungenen Abend verbringen konnten. Wir würden uns wünschen, dass zwischen beiden Vereinen eine langfristige Freundschaft bestehen bliebe.“
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Team AWesA
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