15.01.2020 15:17

Meldung


Unter Knappen

Thomas Bertram reist mit Schalkes Profis ins Trainingslager nach Spanien / Steht Nübel ein „Neuer-Abschied“ bevor?
FC Schalke 04 Murcia David Wagner AWesA
Mailand, Murcia, München: Schalke-Trainer David Wagner und Thomas Bertram (li.) beim Selfie.
 
Nicht nur für ihn ist der FC Schalke ein Mythos. „Eine Liebe, die niemals endet“, so heißt es in einem Kultlied des Tadititionsvereins aus Gelsenkirchen. Für Thomas Bertram aus Holzhausen begann diese Leidenschaft im Alter von sechs Lenzen. Man schrieb das Jahr 1973. Schalke hatte ein „Heimspiel“ im Intertoto-Cup. An den Gegner kann sich Bertram, der das Spiel mit seinem Vater besuchte, kaum noch erinnern. Es war wohl Rotterdam. 1:2 endete das erste Erlebnis. Ohnehin war es für S04 ein europäischer Ausflug zum Vergessen: Null Punkte, Gruppenletzter hinter AS Saint-Étienne, Standard Lüttich und Feyenoord. Gespielt wurde nicht in Gelsenkirchen – sondern im Wedaustadion des Rivalen MSV Duisburg. Denn das Parkstadion befand sich im Bau für die ein Jahr später stattfindende Fußball-WM im eigenen Land.

FC Schalke 04 Murcia  Bus AWesA
Auch der Schalker Mannschaftsbus machte sich auf den Weg nach Murcia.
Mit den „Eurofightern“ in Mailand

Es folgten für den Verein etliche Höhen und Tiefen. Unter anderem der zwischenzeitliche Absturz in die zweite Liga, von Skandalen geprägte Jahreshauptversammlungen, die berüchtigte „Meisterschaft der Herzen“ im Jahr 2001 – vor allem aber: Der UEFA-Cup-Triumph 1997. Im Mailänder San Siro feierten die „Eurofighter“ den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Mit dabei: Schalker Legenden wie Olaf Thon und Marc Wilmots. Und natürlich: Thomas Bertram. „Blau und weiß ein Leben lang“, diesem Motto ist der Holzhäuser treu geblieben. Von seinem Dauerkarten-Platz im Süden der Veltins-Arena blickt er in sein Wohnzimmer in Richtung der berüchtigten Nordtribüne. Die dort vollzogenen Fan-Aktivitäten der „Ultras Gelsenkirchen“ unterstützt er als Förderer. „Damit die aufwändigen und beeindruckenden Choreographien realisiert werden können.“

FC Schalke 04 Murcia Spieler Lobby AWesA
Immer nah dran: Die Schalke-Spieler beim Autogrammeschreiben.
Sonderflug mit der Mannschaft

Auf dem Laufenden bleiben Bertram und die vielen S04-Fans auf diversen Internetseiten. Auf der offiziellen Homepage des Vereins schoss dem 52-Jährigen eine Meldung sofort in die Augen: Ein Reisehinweis zum Wintertrainingslager der Profis im Januar. „Ich habe fünf Minuten überlegt und dann sofort gebucht“, macht Bertram deutlich. „Die Idee habe ich ohnehin seit längerer Zeit gehabt.“ Am 03. Januar begannen für Bertram und 44 andere eingefleischte Anhänger prägende wie erlebnisreiche Tage. Los ging's am Flughafen Düsseldorf in Richtung Murcia, 40 Kilometer vom Mittelmeer entfernt. An Bord des Sonderflugs: Rund 25 Spieler, darunter vier A-Jugendliche, circa zehn bis 15 Trainer und Betreuer. Und die Fans. Mittendrin. „Wir haben gemeinsam eingecheckt und sind 'ganz normal' zusammen geflogen. Es gab keine Trennung“,  beschreibt Bertram. „Von Ultras bis älteren Ehepaaren war eigentlich alles dabei. Die meisten Fans kamen aus Westfalen, es waren aber auch welche aus Lingen dabei.“

Kaffeetrinken mit David Wagner

Noch vor dem Abflug ging es auf Tuchfühlung. „Es war alles sehr familiär. Das lag auch daran, dass es eine recht geringe Anzahl an Leuten war“, berichtet Bertram. Mit David Wagner kam es am Stehtisch zum ersten Gespräch. „Wo kommst Du her und warum kommst Du mit“, wollte Schalkes Trainer wissen. Die fast schon freundschaftliche Atmosphäre blieb auch in Spanien bestehen. Zumal man auf der Fünf-Sterne-Hotelanlage „Hacienda del Alamo“, auf der sich auch der Trainingsplatz befand, praktisch unter sich war. Nur 20 der mitgereisten Fans sowie das Schalker-Profiteam und dessen Begleitung war dort untergebracht. Andere Gäste und auch die Presse mussten draußen bleiben.

FC Schalke 04 Murcia  Trikots AWesA
Unterschriebene Trikotsammlung: Auch David Wagner half beim Autogramme-Sammeln.
Zehn unterschriebene Trikots

Bertram & Co. gehörten einfach dazu. Wenn die Spieler nach dem Frühstück gegen zehn Uhr mit Bullis zum zwei Kilometer entfernten Trainingsplatz chauffiert wurden, blieb eine Viertelstunde Zeit, mit den Trainern in der Hotellobby einen Plausch zu halten. Anschließend folgte der Besuch der bis mittags stattfindenden Einheit. Es blieb dabei genug Zeit, die Gegend zu erkunden – und auch auf der weitläufigen Hotelanlage echte Höhepunkte zu erleben. Ein solcher war die „blau-weiße Nacht“. „Das ist eine Tradition am Anfang des Trainingslagers, bei der die Fans zum Essen und Trinken eingeladen werden und zwei Stunden direkt mit der Mannschaft verbringen“, so Bertram, der die Gunst der Stunde nutzte, um zehn Trikots von allen Spielern unterschreiben zu lassen. Das hatte er als „Aufgabe“ von seinen Sitznachbarn auf der Schalker Südtribüne bekommen. „Ich hatte dabei vergessen, zwei der Trikots unterzeichnen zu lassen. Das war aber kein Problem. David Wagner hat sich direkt darum gekümmert – und den nächsten Tag lagen die beiden vollzählig unterschriebenen Trikots an der Rezeption.“

Mascarell „sehr freundlich und aufgeschlossen“

Sehr „angenehme Gespräche“ führte Bertram während des Aufenthalts auch mit Augsburg-Neuzugang Michael Gregoritsch sowie den Routiniers Daniel Caligiuri und  und Bastian Oczipka. „Wir haben uns auch über Vertragsverlängerung und andere interne Themen unterhalten“, gibt Bertram Einblicke. „Besonders positiv ist mir unser neuer Kapitän Omar Mascarell aufgefallen. Der war sehr freundlich und aufgeschlossen.“ Montags reiste auch Präsident Clemens Tönnies an. „Den haben wir nur kurz gesehen, aber man auch bei ihm gemerkt, dass er ein kameradschaftlicher Typ ist. Er hat uns sofort mit 'Glück Auf' begrüßt.“  Bei einem Nachmittagstraining wurde auch gemeinsam geschmunzelt. „Im Internet haben wir die aktuelle Nachricht gelesen, Manager Jochen Schneider sei gerade in Barcelona, um mit einem möglichen Neuzugang zu verhandeln. Dabei saß er in diesem Moment fünf Meter neben mir. Ich habe ihm die Meldung auf meinem Handy gezeigt und er musste laut lachen.“

FC Schalke 04 Murcia VV St Truiden AWesA
Mit 0:1 endete das Testspiel gegen VV St. Truiden aus Belgien.
Nübel auf Neuers Spuren

Was in genau diesen Tagen auch bekannt wurde: Keeper Alexander Nübel wechselt am Saisonende zum FC Bayern. „Ich habe ein Bild mit ihm gemacht, zehn Minuten später ging die Meldung durch die Nachrichten-Ticker“, schmunzelt Bertram. „Wir haben ihn dann etwas aufgezogen, ein paar Sprüche gemacht – aber nichts Böses. Stattdessen wurde sein Konkurrent Markus Schubert lautstark gefeiert.“ Ob es Anfeindungen im Fanlager geben wird, vergleichbar mit denen nach dem feststehenden Abgang von Manuel Neuer, kann Bertram noch nicht abschätzen. „Schwierig zu sagen. Das kommt auch drauf an, wie Wagner aufstellt – ob er Schubert weiter im Tor lässt. Wenn Nübel spielt, könnte der verbale Unmut laut zum Ausdruck gebracht werden. Ich sehe das Problem vor allem darin, dass Schalke keine Ablöse bekommt.“

FC Schalke 04 Murcia  Benito Raman AWesA
Bertram mit Torjäger Benito Raman, der aus Düsseldorf nach Gelsenkirchen gewechselt ist.
500 Schalker sehen 0:1 gegen St. Truiden

Gute Stimmung herrschte jedenfalls beim Testspiel gegen den belgischen Erstliguisten VV St. Truiden. „Da waren 500 Schalker im Stadion. Viele, die in der Gegend Urlaub machen oder dort leben“, war Bertram trotz der 0:1-Niederlage begeistert. In der Bundesliga läuft's ja auch gut für die „Knappen“. Und auch im Pokal ist man noch im Rennen. Ist mit Wagner etwa eine neue Ära angebrochen? „Er hat eine blau-weiße Vergangenheit. Auch wenn er schonmal die U23 der Schwaz-Gelben trainiert hat. Man merkt seine Premier League-Erfahrung. Die Mannschaft macht einen gefestigten Eindruck und es ist ein Spielsystem zu erkennen“, lobt Bertram, selbst Fußballobmann beim SC Inter Holzhausen. „Es muss auch unbedingt Konstanz rein. Schließlich sind wir mit über 162.000 Mitglieder nach Bayern der zweitgrößte Fußballverein in Deutschland.“

Nächster Halt: München

Am 09. Januar ging's für Bertram und seine Schalker zurück nach Deutschland. Rund 2.000 Euro hat er für seine Reise insgesamt bezahlt. Gibt's eine Wiederholung? „Ich kann mir vorstellen, wieder mitzufliegen“, meint Bertram. Erstmal steht ein anderer Flug auf der Agenda: Am 25. Januar geht’s von Hannover aus nach München zum Auswärtsspiel bei den Bayern. Mit im Gepäck: Die Hoffnung, dass seine Schalker über sich hinaus wachsen. So wie am 21. Mai 1997 im Giuseppe-Meazza-Stadion.
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Autor des Artikels

Matthias Koch
Matthias Koch
Matze ist Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer von AWesA und damit seit Sommer 2008 auch als Redakteur mit dabei.
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